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COMPACT-Magazin 02-2017

Jung, wild, patriotisch

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as, dem eingangs erwähnten Bel-Tempel. Unersetzliche<br />

Kunstwerke verwandelten sich in Schutt und<br />

Asche, darunter das Relief mit der bisher vermutlich<br />

einzigen gesicherten Darstellung des Kampfes<br />

von Marduk gegen Tiamat, bekannt aus dem großen<br />

Schöpfungsepos Enuma elisch. Viele Skulpturen<br />

und Statuen aus dem palmyrenischen Museum,<br />

für den IS nur «Götzen», fielen der Vernichtungswut<br />

ebenfalls zum Opfer. Der Chefarchäologe der Stadt,<br />

Khaled Asaad, der die Stätte über 40 Jahre lang betreut<br />

hat, wurde als abtrünniger «Apostat» öffentlich<br />

enthauptet. Ein Propagandavideo zeigt darüber<br />

hinaus den Missbrauch des alten römischen Theaters<br />

als Kulisse für die Hinrichtung von 25 Soldaten<br />

der syrischen Armee, vor einem großen Publikum<br />

von augenscheinlich minderjährigen IS-Anhängern<br />

durchgeführt.<br />

Die atlantischen Götter versagen<br />

Durch die Taten der Terroristen wurde nicht nur<br />

ein Stück syrischer Geschichte ausgelöscht; auch<br />

wir Europäer sind die Erben und Nachfolger der antiken<br />

römisch-hellenischen Kultur, die Palmyra geprägt<br />

hat. Seine Heiligtümer und Ruinen haben<br />

Reisende im 17. und 18. Jahrhundert so begeistert,<br />

dass in unseren Breiten der vom palmyrenischen<br />

Baustil inspirierte Klassizismus aufkam. «Leider wissen<br />

die Kultur-Nihilisten des Islamischen Staates ja<br />

schon: Das Weltkulturerbe zu zerstören lohnt sich<br />

für sie – denn es ist ein Teil von uns», schrieb Sonja<br />

Zekri treffend unter der Überschrift «Warum Palmyra<br />

uns alle angeht» in der Süddeutschen Zeitung. Darum<br />

verwundert das Zusehen, das Nichteingreifen<br />

des Westens umso mehr. Es zeigt, dass auch unsere<br />

Politiker vom Kultur-Nihilismus ergriffen sind, denn<br />

sie klammern sich an ihre globalistische Agenda,<br />

statt ein einziges Mal zum Schutz unseres gemeinsamen<br />

Erbes über ihren ideologischen Schatten zu<br />

springen und die syrischen Truppen im Kampf gegen<br />

den barbarischen IS zu unterstützen. Die atlantischen<br />

Regierungen, die sich schon auf dem Weg<br />

zu einem «Ende der Geschichte» (Francis Fukuyama)<br />

im liberalen Menschheitsparadies sahen und von einer<br />

unglaublich hohen moralischen Warte allen anderen<br />

ihre universalistischen Werte predigen, bringen<br />

es nicht fertig, eine Schar von Terroristen von<br />

einem so unglaublichen Frevel abzuhalten. Ihre großen<br />

Worte verpuffen wie die Alibi-Luftangriffe der<br />

Amerikaner gegen den IS.<br />

Glücklicherweise aber hat Syrien einen anderen,<br />

einen starken, einen echten Verbündeten: Russland.<br />

Mit Hilfe von Putins Luftwaffe konnte die Armee<br />

der Assad-Regierung im März 2016 die moderne<br />

Stadt Tadmur und die benachbarten antiken Ruinen<br />

Palmyras vom IS zurückerobern und die verbliebenen<br />

Kunstschätze sichern. Besonders bleibt die Geschichte<br />

eines russischen Märtyrers im Gedächtnis,<br />

der sein Leben in dieser Schlacht opferte: Der erst<br />

25-jährige Speznas-Soldat Alexander Prochorenko<br />

orderte, von IS-Kämpfern umzingelt, einen Luftschlag<br />

auf seine eigene Position an. Dafür verlieh<br />

man ihm posthum den Orden «Held der russischen<br />

Das Ruinengelände von Palmyria<br />

ist seit 1980 Uneso-Weltkulturerbe.<br />

Foto: picture alliance / AP Photo<br />

Russland erweist<br />

sich als kulturerhaltende<br />

Kraft<br />

gegen den dekadenten<br />

Westen.<br />

_ Julian Michael studierte<br />

Archäologie und Kulturgeschichte<br />

des Vorderen Orients (M.A.) in<br />

Frankfurt am Main und schrieb<br />

bisher für Online-Portale.<br />

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