COMPACT-Magazin 02-2017
Jung, wild, patriotisch
Jung, wild, patriotisch
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<strong>COMPACT</strong> Dossier<br />
–, für das Verbrechen verantwortlich zu sein. Ziel der<br />
Bluttat wäre demnach gewesen: Wladimir Putin zur<br />
Vergeltung zu reizen und damit die Troika Russland-<br />
Türkei-Iran auseinanderzubringen, deren Zustandekommen<br />
noch vor wenigen Monaten niemand für<br />
möglich gehalten hätte. Diese drei Staaten unterzeichneten<br />
dennoch am 20. Dezember in Moskau<br />
eine Erklärung über ein Abkommen, welches drei<br />
wichtige Punkte in Bezug auf Syrien enthalten müsse:<br />
Erstens die Achtung der territorialen Unversehrtheit,<br />
zweitens den gemeinsamen Kampf gegen den<br />
Terrorismus und drittens die Beendigung aller Feindseligkeiten.<br />
Mit anderen Worten: Erdogan hatte auf<br />
sein früheres Ziel, Assad zu stürzen, stillschweigend<br />
verzichtet. Wer immer hinter dem Attentat vom 19.<br />
Dezember steckte – Putin behielt die Nerven und<br />
pflegte den guten Kontakt zum Sultan vom Bosporus<br />
weiter. Wenige Tage später konnte die Troika<br />
eine Waffenruhe vermitteln, die zumindest bis zum<br />
Redaktionsschluss dieser <strong>COMPACT</strong>-Ausgabe hielt.<br />
So lange hatten in Syrien seit Ausbruch der Kämpfe<br />
die Waffen nie geschwiegen.<br />
Die wundersame Troika<br />
Ende Januar sollen in der kasachischen Hauptstadt<br />
Astana die Gespräche zur Beendigung des nun<br />
schon seit sechs Jahren dauernden Bürgerkriegs in<br />
Syrien beginnen – und das unter Ausschluss der<br />
USA. Für Tim Anderson von der Universität Sydney<br />
«spiegelt der Ausschluss Washingtons von diesen<br />
Gesprächen die neuen Realitäten am Boden wider».<br />
Außerdem sei die US-Politik, al-Qaida-Gruppen zu<br />
unterstützen, um die syrische Regierung zu stürzen,<br />
gescheitert. Allerdings verfolgte auch die Türkei bisher<br />
das Ziel eines «Regimewechsels» in Damaskus,<br />
unterstützte ebenfalls islamistische Gruppen im südlichen<br />
Nachbarland und trägt damit eine Mitschuld<br />
an der syrischen Katastrophe.<br />
Dass Assad dank russischer Unterstützung wieder<br />
fest im Sattel sitzt, ist ein Grund für das Umdenken<br />
in Ankara. Der zweite und bedeutsamere<br />
Grund liegt darin, dass die Türkei das Entstehen eines<br />
unabhängigen Kurdengebietes im Norden Syriens<br />
– das sich womöglich mit dem bereits autonomen<br />
kurdischen Nordirak vereinigen könnte – unbedingt<br />
verhindern will. Russland wiederum will mit<br />
seiner Friedensinitiative seinen Einfluss im Nahen<br />
Osten auf Kosten der USA vergrößern. Denn für Putin<br />
ist Syrien, wie die Washington Post unterstellt,<br />
«hauptsächlich von geopolitischer Bedeutung und<br />
hilft Russland, Stärke zu projizieren, während es eine<br />
sichere Stellung im Nahen Osten halten kann». Iran,<br />
der Dritte im Bunde schließlich, will zu Lasten Saudi-Arabiens<br />
seine Stellung als Regionalmacht ausbauen.<br />
Zudem ginge für den schiitisch-islamischen<br />
Staat bei einem Machtwechsel in Damaskus die Verbindung<br />
zur schiitischen Hisbollah-Miliz im Libanon<br />
verloren. Die Hisbollah könnte aber noch für reichlich<br />
Konfliktstoff zwischen der (sunnitischen) Türkei<br />
und dem Iran sorgen, wie die Meinungsverschiedenheiten<br />
der Außenminister beider Länder anlässlich<br />
der Unterzeichnung der Moskauer Erklärung zeigten.<br />
Doch ein gemeinsames Ziel verbindet die drei<br />
so unterschiedlichen Regierungen: Andrew Korybko,<br />
ein US-amerikanischer politischer Kommentator, der<br />
derzeit für die russische Nachrichtenagentur Sputnik<br />
tätig ist, wies in der Oriental Review darauf hin,<br />
dass die vom Westen beabsichtigte Föderalisierung<br />
Syriens «mit der Zeit unweigerlich zu einer inneren<br />
Teilung des Landes führen würde». Und das wäre<br />
«das Gegenteil der langfristigen Interessen» sowohl<br />
Russlands wie der Türkei und des Iran.<br />
Russland hat bereits mit der Truppenreduzierung<br />
begonnen.<br />
Korybko geht auch davon aus, dass Moskau und<br />
Teheran nun, nach der Befreiung Aleppos, die syrische<br />
Armee für stark genug halten, die restlichen<br />
von Islamisten gehaltenen Teile des Landes zu befreien,<br />
und dass ihnen gleichzeitig der «politische<br />
Wille fehlt», Assad weiterhin im bisherigen Ausmaß<br />
militärisch zu unterstützen. Russland hat bereits<br />
mit der Reduzierung seiner Truppen im Land begonnen.<br />
Korybko betont, Damaskus müsse sich nun<br />
«auf die politischen Aspekte bei der Lösung des Konflikts<br />
konzentrieren und auf seine bisherige Abhängigkeit<br />
von militärischer Hilfe verzichten». Mit Spannung<br />
wird auch die Syrien-Politik von Donald Trump<br />
zu beobachten sein. Der neue US-Präsident hatte<br />
sich bekanntlich im Wahlkampf für eine Lösung gemeinsam<br />
mit Russland ausgesprochen.<br />
Stellvertreterkrieg _Stand November 2016<br />
LIBYEN<br />
TÜRKEI<br />
SYRIEN<br />
LIBANON<br />
RUSSLAND<br />
IRAK<br />
Lügengeier<br />
über Aleppo<br />
Aus dem Osten Aleppos, der<br />
einstigen Wirtschaftsmetropole<br />
im Norden Syriens, konnten die<br />
syrischen Truppen mit russischer<br />
Luftunterstützung im Dezember<br />
alle islamistischen Gruppen,<br />
im westlichen Polit-Sprech<br />
verharmlosend als «Rebellen»<br />
bezeichnet, vertreiben. Die Massenmedien<br />
der «freien Welt»<br />
beweinten die Befreiung der<br />
Stadt folgerichtig als Niederlage<br />
und berichteten über angebliche<br />
Massaker durch Assads<br />
Truppen – ein Märchen, das US-<br />
Außenminister John Kerry in die<br />
Welt gesetzt hatte. Zeit Online<br />
titelte «Triumph der Barbarei»<br />
und schrieb, «es ist schwer, das<br />
Grauen in Worte zu fassen».<br />
Im britischen Economist war<br />
zu lesen: «Das Schicksal von<br />
100.000 Zivilisten ist schrecklich<br />
unklar.»<br />
Weihnachten im befreiten Aleppo.<br />
Foto: Vanessa Beeley<br />
SAUDI-ARABIEN<br />
Syrien<br />
Unterstützer der Terroristen.<br />
Basis für verschiedene Milizgruppen auf beiden Seiten.<br />
Militärische Unterstützung der Regierung von Baschar al-Assad.<br />
Grafik: <strong>COMPACT</strong><br />
IRAN<br />
QATAR<br />
Quelle: Wikipedia<br />
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