COMPACT-Magazin 02-2017
Jung, wild, patriotisch
Jung, wild, patriotisch
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<strong>COMPACT</strong> Politik<br />
Mut zur Wahrheit wird belohnt<br />
_ Martin Müller-Mertens im Gespräch mit Gerald Hübner<br />
Nach Auftritten bei Pegida drohte einem Berliner Polizisten die Entlassung.<br />
Sein Vorgesetzter sammelte heimlich Belastungsmaterial.<br />
Doch das Gericht sprach den Mann frei: Nun kann er sowohl seine<br />
Arbeit beim LKA wie sein Engagement für die AfD fortsetzen.<br />
termin vor dem Arbeitsgericht gab es dann nur einen<br />
Wermutstropfen, weil die Abmahnung erst Ende Mai<br />
<strong>2017</strong> aus der Personalakte entfernt werden muss.<br />
Das lag aber nur an der fehlenden Kompetenz des<br />
Behördenanwaltes, der dem angebotenen Richterspruch<br />
nicht zustimmen durfte. Der Richter hat aber<br />
klargemacht: Jeder, der in der AfD aktiv ist und im öffentlichen<br />
Dienst arbeitet, kann nach Dienstschluss<br />
durchaus öffentlich seine Meinung deutlich sagen.<br />
Sollte diese Abmahnung eine Kündigung aus<br />
politischen Gründen vorbereiten?<br />
Ich interpretiere meine Personalakte so, dass meine<br />
Kündigung intendiert war. Es ging nicht nur um einen<br />
Schuss vor den Bug. Die nächste Abmahnung wegen<br />
angeblicher dienstlicher Verfehlungen war auch<br />
schon geplant, aber nach meinem Erfolg vor Gericht<br />
haben sie die fallenlassen. Man hat mir vorher bereits<br />
zwei dienstliche Abmahnungen verpasst. Bei<br />
einer ging es darum, dass ich über das Mailsystem<br />
der Behörde ein paar Mails mit privatem, allerdings<br />
auch politischem Inhalt verschickt hatte. In der zweiten<br />
Abmahnung ging es darum, dass ich auf einer<br />
dienstlichen Besprechung ein kriminaltechnisches<br />
Gerät, was wir haben, nicht positiv dargestellt habe.<br />
Die erste habe ich akzeptiert, die zweite ist vom Gericht<br />
kassiert worden.<br />
22<br />
Gerald Hübner.<br />
Foto: Martin Müller-Mertens<br />
Es ging nicht nur<br />
um einen Schuss<br />
vor den Bug.<br />
_ Gerald Hübner (57), Umweltingenieur,<br />
arbeitet seit 27 Jahren<br />
als Kriminaltechniker im LKA<br />
Berlin. Der gebürtige Berliner lebt<br />
im brandenburgischen Landkreis<br />
Havelland und ist Kreistagsabgeordneter<br />
und Pressesprecher der<br />
dortigen AfD. Hübner ist verheiratet<br />
und hat zwei Kinder.<br />
Sie arbeiten beim Berliner Landeskriminalamt<br />
und sind gleichzeitig in der AfD aktiv. Ihr Arbeitgeber<br />
versuchte im vergangenen Jahr, Sie<br />
wegen öffentlicher Auftritte abzumahnen.<br />
Es ging dabei um zwei Reden auf Veranstaltungen<br />
der Pegida im Landkreis Havelland, die ich mitgründete<br />
und mit der wir insgesamt drei Veranstaltungen<br />
durchgeführt haben. Mir wurde unter anderem<br />
unterstellt, ich hätte in der Diktion der NPD gesprochen<br />
und würde die Ziele der AfD offensiv vertreten.<br />
Letzteres ist besonders absurd, denn immerhin bin<br />
ich AfD-Kreistagsabgeordneter und Pressesprecher<br />
im Havelland. Außerdem hätte ich das Bundeskriminalamt<br />
als rassistische und rechtsextremistische Organisation<br />
bezeichnet, was aber klar erkennbar ironisch<br />
gemeint war. Ich habe dagegen geklagt, und<br />
der Richter hat von Anfang an erklärt, dass Artikel 5<br />
des Grundgesetzes, also Meinungsfreiheit, ein sehr<br />
hohes Gut sei, wogegen tarifrechtliche Bestimmungen<br />
nachrangig seien. Das Gericht hat auch deutlich<br />
gemacht, dass nicht gegen Paragraf 130 StGB – etwa<br />
Holocaustleugnung – verstoßen wurde. In dem Güte-<br />
Wie ist Ihr Fall unter Ihren Kollegen diskutiert<br />
worden?<br />
Es gab eine totale Spaltung. Die Hälfte etwa ist auf<br />
meiner Seite. Ich habe von einigen Kollegen, die aber<br />
nicht der Führungsschicht angehören, eine ganze<br />
Menge Solidarität erfahren. Dagegen hat mein direkter<br />
Vorgesetzter das Material gegen mich gesammelt,<br />
ohne mich irgendwie zu warnen.<br />
Als Reichsbürger denunziert<br />
Gibt es andere Fälle in der Berliner Polizei,<br />
bei denen politisch missliebige Mitarbeiter<br />
mit Hilfe formaler Tricks entlassen werden<br />
sollen?<br />
Es gibt noch einen Kollegen – einen Beamten bei der<br />
Schutzpolizei –, der auch Mitglied der AfD ist und<br />
gegen den ein Rechtsverfahren mit dem Ziel der Entlassung<br />
läuft. In der Presse wurde er übrigens unter<br />
anderem als Reichsbürger denunziert, was er nicht<br />
ist. Ansonsten ist mir aktuell nichts bekannt. Aber<br />
in der Vergangenheit gab es durchaus schon ähnliche<br />
Fälle, wo die Entfernungen aus dem Polizeidienst<br />
auch geglückt sind. Das waren jedoch meistens<br />
Beamtenverhältnisse, bei Angestellten ist es<br />
offenbar schwieriger.