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Pressekonferenz während des G8-Gipfels in Heiligendamm am 6. Juni 2007<br />
Was den Staatsaufbau betrifft, werden wir häufig für die Zentralisierung der staatlichen<br />
Macht kritisiert. Aber nur wenige beachten die Tatsache, dass wir viele Entscheidungen<br />
zur Dezentralisierung der staatlichen Macht getroffen und eine Fülle von<br />
Machtbefugnissen auf die regionale und, besonders wichtig, auf die kommunale Ebene<br />
verlagert haben. Mit Erstaunen habe ich die Debatte in Deutschland darüber verfolgt,<br />
welche Machtbefugnisse den Ländern übertragen werden sollen. Im Verlauf dieser<br />
gesamten Debatte konnte ich nur staunen und sehen, dass wir alles das schon lange<br />
vollzogen haben. In Russland wäre es heute einfach nur komisch, eine Debatte über die<br />
Übertragung der Vollmacht, sagen wir der Ladenschlusszeiten, auf Regionalbehörden zu<br />
führen. Die russischen Gemeinden haben entschieden mehr Machtbefugnisse, als es in<br />
vielen europäischen Staaten der Fall ist, und wir glauben, dass unsere Politik hier die<br />
richtige ist. Leider befanden wir uns in einer Situation, wo uns die nötigen Finanzmittel<br />
zur Begleitung dieser Machtübertragung nicht zur Verfügung standen, aber wir sind dabei,<br />
die Situation nach und nach zu verbessern. Das sind die wichtigsten Dinge, die uns<br />
in Russland heute noch Sorgen bereiten, und es liegt noch viel Arbeit vor uns.<br />
EU und Ukraine<br />
The Times: Wären Sie bereit zu akzeptieren, dass die Ukraine ein Mitglied<br />
der Europäischen Union wird? Wie stehen Sie dazu?<br />
Ich stehe dem positiv gegenüber. Wir unterstützen generell alles, was die Europäische<br />
Union stärkt. Sie werden sicher wissen, dass wir uns zu diesem Prozess niemals<br />
negativ geäußert haben. Aber ich bin nicht sicher, inwieweit die Europäische Union<br />
selbst darauf vorbereitet ist, neue Mitglieder aufzunehmen, einschließlich der Ukraine.<br />
Aber das ist nicht unsere Sache. Wie ich es sehe, ist die Europäische Union darauf<br />
noch nicht ausreichend vorbereitet. Wenn es zu einer zusätzlichen Erweiterung kommt,<br />
wären die Länder Südeuropas, die Balkanstaaten, die noch nicht beigetreten sind, die<br />
ersten Kandidaten auf der Liste. Die Ukraine ist ein Land mit 45 Millionen Einwohnern,<br />
und wie wir sehen, hat es enorme wirtschaftliche und politische Probleme. Aber wenn<br />
der Zeitpunkt gekommen ist, an dem die Ukraine in der Lage ist, sich der Europäischen<br />
Union anzuschließen, würden wir dagegen keinerlei Einwände erheben.<br />
Ich bin stets über provokative Diskussionen bezüglich des laufenden Integrationsprozesses<br />
in der nachsowjetischen Ära überrascht. Wir verhandeln beispielsweise über die<br />
Schaffung eines gemeinsamen Wirtschaftsraumes, der Russland, Ukraine, Belarus und<br />
Kasachstan umfasst, und die Leute beginnen darüber zu diskutieren, ob die Ukraine ihre<br />
zukünftige Entwicklung an Europa oder Russland binden möchte. Diesen Leuten scheint<br />
entgangen zu sein, dass Russland und die Europäische Union Abkommen über die Einrichtung<br />
von vier gemeinsamen Bereichen in der Wirtschaft, Sicherheit und der humanitären<br />
Sphäre unterzeichnet haben. Und wenn Russland und Europa dieses gemeinsame<br />
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