COMPACT-Edition 1
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Pressekonferenz während des G8-Gipfels in Heiligendamm am 6. Juni 2007<br />
Aber jetzt hat man es so dargestellt, als sei es Russland gewesen, das mit diesem<br />
Projekt begonnen hat, und dass es vor allem uns zum Vorteil gereicht. Niemand wird zu<br />
irgend etwas gezwungen. In der Europäischen Union – soweit mir bekannt – wiederholen<br />
85 Prozent aller von den nationalen Parlamenten verabschiedeten Gesetze das, was<br />
zuvor vom Europaparlament beschlossen worden ist. Mit anderen Worten: Die nationale<br />
Unabhängigkeit wird beständig weniger, und die Souveränität der Staaten verschwindet<br />
nach und nach. Wir, in der nachsowjetischen Ära, haben beschlossen, uns auf gemeinsame<br />
Energie- und Transporttarife zu einigen, und das führte zu einem Sturm der<br />
Entrüstung, Debatten, politischem Klatsch und Provokation. Und ein solches Verhalten<br />
kann eindeutig nicht im Interesse Europas sein. Warum kommt es dazu? Ich verstehe es<br />
nicht. Aber ich meine, dass, wie im Fall der russischen Investitionen, sich mit der Zeit<br />
alles beruhigen wird und diese politische Agitation durch Pragmatismus und Vertrauen<br />
ersetzt werden wird.<br />
Corriere della Sera: Und wie verhält es sich mit der NATO?<br />
Wir meinen, dass es sich mit der NATO-Erweiterung anders verhält, denn bei der<br />
NATO handelt es sich um einen militärisch-politischen Block, und eine solche Erweiterung<br />
führt zu Reibungen bei den Beziehungen mit Russland. Wir sehen für die Ukraine<br />
kein Bedürfnis zum NATO-Beitritt, denn niemand hat die Absicht, die Ukraine anzugreifen.<br />
Und außerdem sind wir der Meinung, dass das Argument, die NATO-Erweiterung<br />
sei geeignet, den Kampf gegen den Terrorismus effektiver zu gestalten, nichts weiter als<br />
leeres Gerede ist, das jeden gesunden Menschenverstand vermissen lässt. Die NATO<br />
selbst trägt absolut nichts zur Bekämpfung des Terrorismus bei. Es ist die multinationale<br />
Zusammenarbeit, die im Kampf gegen den Terrorismus Wirkung zeigt. Heute sehen wir<br />
uns bestimmten Bedrohungen und Herausforderungen gegenüber: Terrorismus, Menschenhandel<br />
und Drogenhandel, organisierte Kriminalität und Verbreitung von Atomwaffen,<br />
und man muss fragen, inwiefern Blockpolitik hier wirksam sein könnte?<br />
Aber es gibt dazu noch mehr zu sagen. Wir haben darüber gesprochen, was sich<br />
gegenwärtig in internationalen Angelegenheiten ereignet. Wir kennen die Gründe für<br />
vermehrte Spannungen und so weiter. Dazu kommt es, weil unsere Partner sich auf bestimmten<br />
Gebieten für ein aggressiveres Vorgehen entschieden haben. Sie erwähnten<br />
den Fall der NATO und Ukraine. Öffentliche Umfragen haben ergeben, dass 50 bis 70<br />
Prozent, vielleicht sogar 80 Prozent der Bevölkerung in der Ukraine gegen den NATO-<br />
Beitritt ist. Dessen völlig ungeachtet, stimmt der US-Kongress dafür, die Aufnahme der<br />
Ukraine in die NATO zu finanzieren. Aber haben sie das ukrainische Volk danach gefragt,<br />
was es wünscht? Warum lassen sie die erklärten Wünsche des ukrainischen Volkes<br />
völlig unberücksichtigt?<br />
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