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Rede auf dem Valdai-Forum am 19. September 2013<br />
weit zu exportieren. Ich bin überzeugt, dass das der direkte Weg zur Degradierung und<br />
Primitivisierung der Kultur ist. Das führt zu tiefen demografischen und moralischen Krisen.<br />
Was kann denn ein besserer Beleg für die moralische Krise einer menschlichen Gesellschaft<br />
sein als der Verlust ihrer Reproduktionsfähigkeit? Heute können sich beinahe<br />
alle entwickelten westlichen Staaten reproduktiv nicht erhalten, nicht einmal mit Hilfe<br />
der Migranten. Ohne moralische Werte, die im Christentum und anderen Weltreligionen<br />
begründet liegen, ohne Normen und moralische Werte, die sich Jahrtausende lang formiert<br />
und entwickelt haben, werden die Menschen unvermeidlich ihre Menschenwürde<br />
verlieren. Und wir halten es für richtig und natürlich, diese moralischen Werte zu verteidigen.<br />
Man muss das Recht einer jeden Minderheit auf Andersartigkeit respektieren,<br />
aber die Rechte der Mehrheit dürfen nicht angezweifelt werden.<br />
Gleichzeitig sehen wir, wie versucht wird, auf der Welt das Modell einer monopolaren<br />
Welt zu installieren und die Institutionen des Völkerrechts und der nationalen Souveränität<br />
zu verwischen. In einer solchen unipolaren, standardisierten Welt gibt es keinen Bedarf<br />
für souveräne Staaten, sondern nur für Vasallen. Im historischen Verständnis bedeutet<br />
das die Ablehnung jeder eigenen Identität und somit der von Gott geschaffenen Vielfalt.<br />
Künstlicher und echter Multikulturalismus<br />
Russland stimmt denen zu, die glauben, dass die wichtigsten Entscheidungen nur<br />
auf kollektiver Basis diskutiert und entschieden werden können, anstatt nach dem Dafürhalten<br />
nur eines Staates oder einer gewissen Staatengruppe. Russland ist der Überzeugung,<br />
dass das Völkerrecht zählt und nicht das Recht des Stärkeren. Und wir halten<br />
jedes Land und jede Nation für einzigartig, aber nicht für außerordentlich, und finden,<br />
dass jedes Land und jede Nation gleiche Rechte, einschließlich des Rechts auf die unabhängige<br />
Wahl seines Entwicklungsweges, haben sollte.<br />
Dies ist unsere Perspektive, die aus unserem historischen Schicksal und aus Russlands<br />
Rolle in der Weltpolitik resultiert. Unsere heutige Haltung hat tiefe historische Wurzeln.<br />
Russland entwickelte sich auf der Grundlage von Vielfalt, Harmonie und Gleichgewicht,<br />
und es brachte ein solches Gleichgewicht auch auf die Bühne der internationalen Politik.<br />
Ich möchte daran erinnern, dass der Wiener Kongress von 1815 und die Vereinbarungen<br />
von Jalta 1945, bei denen Russland eine sehr aktive Rolle spielte, einen langen Frieden<br />
gesichert haben. Die Kraft Russlands, die Kraft des Siegers bei diesen Zeitwenden,<br />
äußerte sich in Großherzigkeit und Gerechtigkeit. Denken wir dagegen an den Versailler<br />
Vertrag, der ohne Russlands Teilnahme unterzeichnet wurde... Ich bin mit vielen Experten<br />
einer Meinung, dass gerade der Versailler Vertrag die Grundlage für den Zweiten<br />
Weltkrieg legte, weil er das deutsche Volk unfair behandelte. Er legte ihm Bedingungen<br />
auf, die unerfüllbar waren. Das wurde im Verlauf des nächsten Jahrhunderts klar.<br />
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