COMPACT-Edition 1
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
«Die Identitäten der Völker erhalten»<br />
82<br />
Diskussionsbeitrag von Volker Rühe<br />
[Rühe war von 1990 bis 1998 Verteidigungsminister der Bundesrepublik Deutschland]<br />
Rühe: Ich wollte über die junge Generation in Russland sprechen. Als erstes würde<br />
ich gerne mit Folgendem beginnen, weil ich hier von Anfang an dabei war, und ein<br />
großes Kompliment an meine russischen Freunde für dieses Format des Valdai-Forums<br />
aussprechen. Ebenso an die Gestalter dieses Forums, denn sie nur Organisatoren zu<br />
nennen, wäre zu wenig. Was wir hier gesehen haben, nenne ich die Kultur der Integration<br />
und der Liebe zum Pluralismus. Und ich kann Ihnen sagen, Herr Präsident, dass wir<br />
von den pluralistischen Stimmen aus Russland, unter denen ja auch starke Aussagen<br />
von Menschen sind, die in Opposition zu Ihrer Politik stehen, ganz fasziniert sind, und ich<br />
denke, dass diese Form der Organisation die Stärke des Landes zeigt.<br />
Ich habe nie auf Russland mit dem eingeschränkten Blick eines Verteidigungsministers<br />
geschaut, das wissen Sie. Ich war das erste Mal 1971 hier und Sergej Karaganow<br />
ist ein Freund von mir seit den späten 1970er Jahren. Wir sehen vielleicht nicht so aus,<br />
aber es ist eine Tatsache des Lebens. Wir haben die SS-20 und Pershing [neue Mittelstreckenraketen<br />
der USA und UdSSR in den 1980er Jahren] durchlebt.<br />
Und was ich erwähnen möchte ist, dass, als ich 1995 als Verteidigungsminister<br />
hierher kam und nach St. Petersburg ging, keine Panzer, Artillerie oder Generäle sehen<br />
wollte, sondern den Bürgermeister, Sobtschak [Als Anatoli Sobtschak 1991 Bürgermeister<br />
von Petersburg wurde, holte er Putin als Stellvertreter ins Amt]. Ich wollte und<br />
lernte auch Sie kennen, als Teil des Teams. Warum wollte ich das? Nun, er war wie ein<br />
Leuchtturm für mich, einen jungen Abgeordneten in Westdeutschland, im noch geteilten<br />
Deutschland. Und ich denke, dass das, was er tat, viel wichtiger war als Panzer und<br />
Artillerie, und es hat sich als richtige Entscheidung herausgestellt. Es ist ein lebenslanges<br />
Interesse am Nachbarn. Und ich glaube, dass wir alle auf diesem Kontinent ein<br />
Interesse an einem erfolgreichen und modernen Russland haben.<br />
Nun zur jungen Generation. Was ich gesehen habe... Und natürlich war es für mich<br />
sehr interessant, seine Tochter vor zwei Tagen zu hören, welche eine starke Stimme für<br />
die junge Generation in Russland ist. Was ich hier gesehen habe, was ich in Russland<br />
gesehen habe, ist, dass Sie in den jungen Leuten eine wirkliche Bereicherung für das<br />
Land haben. Sie sind sehr intelligent, wollen eine gute Bildung und größere internationale<br />
Vernetzung. Sie wollen auch mehr Mitsprache in der Politik des Landes haben. Sie<br />
klopfen förmlich an die Türen des Kremls.<br />
Die jungen Leute aus meinem Land wollen auch ihr Privatleben aufbauen und sie<br />
sind international sehr vernetzt. Die Türen unseres Kremls, die des Parlaments und der<br />
Regierung, sind weit geöffnet, aber sie klopfen nicht an. Sie überlassen es einfach den<br />
Politikern, weil sie denken, dass sie die Dinge immer sehr gut arrangiert haben. Und wir