17.12.2012 Aufrufe

Dauner-Lieb - Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Wirtschaftsrecht und ...

Dauner-Lieb - Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Wirtschaftsrecht und ...

Dauner-Lieb - Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Wirtschaftsrecht und ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Ersatzpflicht bei Verletzung einer Person; Geldrente/Kapitalabfindung §§ 842, 843<br />

vorgenommen werden. 50 Insbesondere bei einem jungen Menschen kann man nicht davon ausgehen, dass<br />

dieser auf Dauer arbeitslos geblieben wäre. 51 Zu berücksichtigen sind freilich auch allgemeine Lohnerhöhungen<br />

– Inflationsabgeltung <strong>und</strong> Teilhabe am Wirtschaftswachstum – sowie solche infolge eines beruflichen<br />

Aufstiegs. 52<br />

II.<br />

Aufhebung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit (§ 843)<br />

1. Keine Bedeutung der unterschiedlichen Ausdrucksweise in § 842 (Nachteile <strong>für</strong> Erwerb <strong>und</strong><br />

Fortkommen) <strong>und</strong> § 843 (Aufhebung oder Minderung der Erwerbstätigkeit). Der Gesetzgeber verwendet<br />

in § 842 die Begriffe Nachteile <strong>für</strong> Erwerb <strong>und</strong> Fortkommen, während in § 843 von der Aufhebung<br />

oder Minderung der Erwerbsfähigkeit die Rede ist. Die unterschiedliche Ausdrucksweise wurde verwendet,<br />

um eine Wortwiederholung zu vermeiden. Sachliche Unterschiede bestehen nicht. 53 Wie eine Abgrenzung<br />

zwischen Erwerbs- <strong>und</strong> Fortkommensschäden unterbleiben kann, verhält es sich auch bei der Aufhebung <strong>und</strong><br />

Minderung der Erwerbsfähigkeit. Beide lassen sich unter dem Oberbegriff „Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit“<br />

zusammenfassen. 54<br />

2. Abstrakte oder konkrete Ermittlung der Einbuße. a) Unterschied zwischen Schadensrecht <strong>und</strong><br />

Sozialversicherungsrecht. Es besteht ein f<strong>und</strong>amentaler Unterschied zwischen der Ermittlung des<br />

Erwerbsschadens im Sozialrecht <strong>und</strong> im Schadensrecht. Im Sozialrecht, insbesondere als Anknüpfungspunkt<br />

<strong>für</strong> sozialrechtliche Erwerbsschadensrenten, ist maßgeblich die allgemeine Minderung der Erwerbsfähigkeit.<br />

Diese wird bei einer bestimmten Verletzung <strong>für</strong> jeden Menschen in einem gleich hohen Prozentsatz fixiert.<br />

Welche konkrete Auswirkung die jeweilige Verletzung auf die berufliche Erwerbstätigkeit des betreffenden<br />

Verletzten hat, darauf kommt es nicht an. Die das Erwerbsdefizit beseitigende Sozialrente gleicht den erlittenen<br />

Schaden des Verletzten daher nur nach einem sehr groben Maßstab aus. Verliert jemand einen kleinen Finger,<br />

ist die Minderung der allgemeinen Erwerbsfähigkeit gering zu veranschlagen. Bei einem Fußballspieler wird<br />

sich dies <strong>für</strong> seine Berufsausübung nicht auswirken, arbeitet er doch mit den Füßen <strong>und</strong> ausnahmsweise mit<br />

dem Kopf, aber nicht mit dem kleinen Finger. Ganz anders verhält es sich bei einem Pianisten, bei dem es auf<br />

die Funktionsfähigkeit jedes Fingers ankommt. 55<br />

Im Schadensrecht ist demgegenüber bedeutsam, welche Auswirkungen die konkrete Verletzung auf den Einsatz<br />

der Arbeitskraft des jeweiligen Verletzten hat. 56 Dementsprechend erleidet der verletzte Fußballspieler<br />

bei Verlust des kleinen Fingers keinen ersatzfähigen Erwerbsschaden, während der Pianist diesen Beruf nicht<br />

mehr ausüben kann, weshalb sein Erwerbsschaden sehr hoch ausfallen wird. Darüber hinaus ist darauf zu<br />

verweisen, dass eine sozialrechtliche Erwerbsschadensrente nur solange gebührt, als eine körperliche Beeinträchtigung<br />

gegeben ist. Demgegenüber ist ein ersatzfähiger schadensrechtlicher Erwerbsschaden auch dann<br />

zu bejahen, wenn der Geschädigte inzwischen wieder vollkommen ges<strong>und</strong>et ist, dessen ungeachtet aber keine<br />

Stelle gef<strong>und</strong>en hat. Wurde <strong>für</strong> dieses Phänomen früher der Begriff Konjunkturschaden verwendet, weil man<br />

meinte, dass dies nur zu gewissen Zeiten des Konjunkturzyklusses vorkomme, verwendet man – angesichts<br />

der dauerhaft hohen Arbeitslosigkeit – da<strong>für</strong> heute den treffenderen Begriff „Strukturschaden“. 57<br />

Die bei einer Körperverletzung auf der allgemeinen Minderung der Erwerbsfähigkeit beruhenden Sozialrenten<br />

knüpfen an gänzlich andere Berechnungsansätze an als die nach Schadensrecht zu gewährenden Renten, weshalb<br />

auch Aussagen, dass auf einer allgemeinen Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 % 58 oder gar<br />

50 % 59 beruhende Beeinträchtigungen in der Regel zu keinem konkreten Schaden führen, fehl am Platz sind.<br />

Sozialrenten stehen zu Schadensrenten nur insoweit in einer Wechselbeziehung, als sie auch in den Fällen, in<br />

denen ein Dritter <strong>für</strong> die Beeinträchtigung der Arbeitskraft verantwortlich ist, ausbezahlt werden. Erhält sie<br />

der Verletzte, ohne dass er einen konkreten Schaden erleidet, kommt es – aus schadensrechtlicher Sicht – zu<br />

einer Überversorgung; dem Sozialversicherungsträger steht kein Regressanspruch nach § 116 SGB X zu.<br />

Erleidet der Verletzte einen höheren konkreten Schaden, kommt es zu einem Übergang des Anspruchs nach<br />

50 BGH NJW 2011, 1148 (Schiemann) = SVR 2011, 64<br />

(Luckey) mit Besprechungsaufsatz Ch. Huber, HAVE<br />

2011, 253 ff.<br />

51 BGH NJW 1997, 937.<br />

52 Langenick, NZV 2009, 257, 263.<br />

53 MüKo/Wagner, §§ 842, 843 Rn 13.<br />

54 Staudinger/Vieweg, § 843 Rn 6.<br />

55 Ähnlich das Beispiel von H. Lang, jurisPR-VerkR<br />

14/2010 Anm. 2: beinamputierter, im Innendienst tätiger<br />

Versicherungskaufmann, in der Feinmotorik der<br />

rechten Hand leicht behinderter Uhrmacher.<br />

56 BGH NJW 2010, 1532 = jurisPR-VerkR 14/2010<br />

Anm. 2 (H. Lang) = SVR 2010, 462 (J. Lang): abge-<br />

wiesener Regress der gesetzlichen Unfallversicherung<br />

infolge unterbliebenen Vorbringens zur Höhe des bürgerlich-rechtlichen<br />

Erwerbsschadens; OLG München<br />

BeckRS 2010, 10686 = jurisPR-VerkR 2010/13<br />

Anm. 3 (H. Lang): 50 %-ige allgemeine Minderung der<br />

Erwerbsfähigkeit, aber 100 %-ige Minderung der<br />

Erwerbsfähigkeit <strong>für</strong> einen Architekten; Erman/Schiemann,<br />

§ 843 Rn 3; Soergel/Beater, § 843 Rn 4.<br />

57 MüKo/Wagner, §§ 842, 843 Rn 31; BGH NJW 1991,<br />

1412; NJW 1991, 2422.<br />

58 Van Bühren/Jahnke, Teil 4 Rn 269.<br />

59 So Pardey, Rn 2027, Fn 273.<br />

Huber 4805<br />

11<br />

12<br />

13<br />

14

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!