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Dauner-Lieb - Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Wirtschaftsrecht und ...

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Ersatzpflicht bei Verletzung einer Person; Geldrente/Kapitalabfindung §§ 842, 843<br />

Miete am neuen Arbeitsort. 133 Bei zusätzlichen Ausbildungskosten 134 <strong>und</strong> der Unterbringung in einer Behindertenwerkstätte<br />

handelt es sich nicht generell um vermehrte Bedürfnisse. Vielmehr ist zu differenzieren: Geht<br />

es darum, die Erwerbsfähigkeit des Verletzten wiederherzustellen, ist ein Erwerbsschaden zu bejahen, 135 so<br />

dass Umschulungskosten jedenfalls zum Erwerbsschaden zählen. 136 Sind solche Maßnahmen aber lediglich<br />

eine Beschäftigungstherapie, sind sie also bloß darauf gerichtet, das Selbstwertgefühl des Verletzten zu stärken<br />

oder einen Beitrag zu leisten, dass er sein Privatleben wieder besser bewältigt, 137 liegen vermehrte Bedürfnisse<br />

vor, die bis zur Grenze der Verhältnismäßigkeit vom Schädiger zu ersetzen sind. 138 Die Ausübung einer<br />

Tätigkeit erfolgt nicht bloß in Erfüllung der Schadensminderungspflicht zugunsten des Ersatzpflichtigen,<br />

sondern auch wegen des Bestrebens des Verletzten, ein sinnerfülltes Leben zu führen. 139 Der Verweis des<br />

Schädigers, dass der Verletzte sich auf den Bezug von Sozialleistungen beschränken solle, weil die Belastung<br />

des Schädigers dadurch geringer sein mag als bei von diesem finanzierten Umschulungskosten, ist unbeachtlich.<br />

140 Beim Regressanspruch eines Sozialversicherungsträgers wegen Aufwendungen zur Umschulung ist<br />

zu beachten, dass maßgeblich <strong>für</strong> die Erfolgsaussicht, dass der Verletzte nach der Umschulung eine bezahlte<br />

Arbeit aufnehmen kann, die Perspektive ex ante ist, so dass der Ersatzpflichtige das Risiko trägt, dass die<br />

Umschulung ihr Ziel verfehlt. Ist freilich bei Inangriffnahme der Umschulungsmaßnahme das Scheitern mit<br />

Händen zu greifen, sind die Kosten der Umschulungsmaßnahme – jedenfalls im Rahmen des Erwerbsschadens<br />

– nicht auf den Ersatzpflichtigen überwälzbar. 141 Zwar handelt es sich bei § 116 SGB X um den Übergang<br />

eines Anspruchs des Verletzten, dem persönlich kein Verschuldensvorwurf zu machen ist; aber wie beim<br />

Regressanspruch des Arbeitgebers oder Dienstherrn 142 ist im Rahmen des Regressanspruchs ein Mitverschulden<br />

des Regressgläubigers zusätzlich in Anschlag zu bringen.<br />

4. Beurteilung. Die Zusammenfassung von Erwerbsschaden <strong>und</strong> vermehrten Bedürfnissen zu einer einheitlichen<br />

Rente hat mehr Nachteile als Vorteile. 143 Die vermehrten Bedürfnisse stehen vielfach den Heilungskosten<br />

näher als dem Erwerbsschaden. 144 Da wegen Unterschieden bei der zeitlichen Befristung, der Besteuerung<br />

sowie der sachlichen Kongruenz von Sozialversicherungsleistungen ohnehin eine Unterscheidung getroffen<br />

werden muss, sollte man darüber nachdenken, die bisher aus der Einheitlichkeit der Rente abgeleiteten<br />

<strong>Recht</strong>sfolgen – keine Klageänderung, einheitliche Verjährung, einheitlicher Maßstab <strong>für</strong> die Abänderung der<br />

Rente nach § 323 ZPO – aufzugeben. 145<br />

B.<br />

Anwendungsbereich<br />

Der Wortlaut des § 842 setzt eine deliktische Schädigung bzw die Verwirklichung eines im BGB geregelten<br />

Gefährdungshaftungstatbestandes 146 voraus, so dass ein Erwerbsschaden auch bei Beeinträchtigung der Freiheit,<br />

der Geschäfts- oder Geschlechtsehre, des Namensrechts oder des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu<br />

ersetzen ist. 147 Darüber hinaus wird in § 618 Abs. 3 sowie § 62 Abs. 3 HGB auf die §§ 842–846 verwiesen.<br />

Der Wortlaut des § 843 setzt jedoch eine Verletzung des Körpers oder der Ges<strong>und</strong>heit voraus <strong>und</strong> knüpft die<br />

Zubilligung einer Rente an engere Voraussetzungen. In den Gefährdungshaftungsgesetzen finden sich zum<br />

Teil Verweisungen, zum Teil eigene Regelungen, die mit den §§ 842 f nicht stets deckungsgleich sind.<br />

Das hat freilich keine praktisch bedeutsamen Auswirkungen. 148 Dass lediglich bei einer Körperverletzung<br />

oder Ges<strong>und</strong>heitsbeeinträchtigung eine Rente gebührt, erklärt sich daraus, dass bei anderen Beeinträchtigungen<br />

der Schaden nicht in die Zukunft fortwirkt, so dass die Rente keine passende Ersatzform darstellt. 149 Sollte<br />

das aber der Fall sein, wäre auch in solchen Fällen die Zubilligung einer Rente nicht ausgeschlossen. Denn<br />

die §§ 842 f sind nichts anderes als eine besondere Ausprägung bzw Klarstellung der §§ 249 ff. Es ist deshalb<br />

auch nicht verw<strong>und</strong>erlich, dass die <strong>Recht</strong>sprechung zu § 618 Abs. 3 sowie § 62 Abs. 3 HGB kaum jemals auf<br />

§§ 842 f verweist, ist doch schon die Bezugnahme auf die §§ 249 ff völlig ausreichend. 150 Es kommt deshalb<br />

133 AA Palandt/Sprau, § 843 Rn 3: vermehrte Bedürfnisse.<br />

134 Für eine Qualifikation als vermehrte Bedürfnisse<br />

Staudinger/Vieweg, § 843 Rn 23; Bamberger/Roth/<br />

Spindler (18. Edition), § 843 Rn 24 unter Hinweis auf<br />

BGH NJW-RR 1992, 791; offen lassend van Bühren/<br />

Jahnke, Teil 4 Rn 132.<br />

135 Pardey, Rn 1873 f.<br />

136 BGH NJW-RR 1991, 854; NJW 1987, 2741; BGHZ<br />

84, 151 = NJW 1982, 2321; aA aber OLG Schleswig<br />

VersR 1991, 355.<br />

137 BGH NZV 1991, 387; OLG Hamm VersR 1992, 459;<br />

Staudinger/Vieweg, § 843 Rn 21; van Bühren/Jahnke,<br />

Teil 4 Rn 162.<br />

138 Küppersbusch, Rn 74, Fn 116.<br />

139 So auch bei einer reinen Beschäftigungstherapie OLG<br />

Hamm VersR 1992, 459; DAR 2001, 308; dazu Ch.<br />

Huber, r+s Sonderheft 2011, 34, 40 f.<br />

140 OLG Nürnberg VersR 2009, 1079 (L. Jaeger).<br />

141 LG Augsburg NJW Spezial 2007, 258.<br />

142 BGH NJW 2010, 927 = jurisPR-VerkR 2010/2<br />

Anm. 2 (Jahnke): früherer Einsatz eines verletzten<br />

Beamten im Innendienst möglich.<br />

143 Kritisch auch MüKo/Wagner, §§ 842, 843 Rn 69.<br />

144 BGHZ 119, 20 = NJW 1992, 2753.<br />

145 So wohl auch Pardey, Rn 134.<br />

146 Bamberger/Roth/Spindler (18. Edition), § 842 Rn 2.<br />

147 Soergel/Beater, § 842 Rn 2.<br />

148 MüKo/Wagner, §§ 842, 843 Rn 5.<br />

149 Staudinger/Vieweg, § 843 Rn 4, 30.<br />

150 MüKo/Wagner, §§ 842, 843 Rn 8.<br />

Huber 4811<br />

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