Dauner-Lieb - Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Wirtschaftsrecht und ...
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§ 253 Abschnitt 1 | Inhalt der Schuldverhältnisse<br />
vortrag voraus, 590 an dem es häufig fehlt. Alle negativen Einflüsse auf die Psyche des Patienten führen tendenziell<br />
zu einer Schmerzensgelderhöhung, sei dies nun die Sorge wegen der Unübersehbarkeit des Heilungsverlaufs<br />
oder der endgültigen Heilung. 591 Die Verkürzung der Lebenserwartung, sei sie auch durch das<br />
vom Schädiger zu verantwortende Verhalten verursacht, führt nach der hier vertretenen Ansicht zu einer<br />
Verminderung des Umfangs des Schmerzensgeldes. 592 Freilich sind diesbezügliche Ängste mit einem<br />
Zuschlag zu berücksichtigen, 593 wobei diese qualitative Dimension sich nicht so stark auswirken wird wie die<br />
quantitative der Dauer der Schmerzerduldung.<br />
bb) Empfindungsunfähigkeit, Zerstörung der Persönlichkeit – eine eigene Fallgruppe. Es gibt Fälle,<br />
in denen eine Person so schwer verletzt wird, dass sie lediglich noch eine menschliche Hülle ist. 594 Sie ist<br />
kaum noch zu Wahrnehmungen in der Lage. Keinesfalls vermag sie einen Zusammenhang herzustellen zwischen<br />
dem, was ihr der Schädiger angetan hat, <strong>und</strong> der Höhe des geleisteten Schmerzensgeldes. Eine Genugtuungsfunktion<br />
scheidet in solchen Konstellationen aus. Aber auch das Ausgleichsprinzip im herkömmlichen<br />
Sinn ist nicht verwirklicht, setzt dieses doch voraus, dass das Schmerzensgeld dazu dienen soll, dass der<br />
Verletzte sich damit Annehmlichkeiten verschaffen können soll. Dabei handelt es sich allerdings um zwei<br />
unterschiedliche Aspekte.<br />
Bei solchen Konstellationen ist der BGH in der Leitentscheidung BGHZ 120, 1 595 von seiner bisherigen<br />
<strong>Recht</strong>sprechung 596 abgerückt, wonach in solchen Fällen bloß ein symbolisches Schmerzensgeld zuerkannt<br />
werden soll. 597 Vielmehr hat er unter Berufung auf die Art. 1 <strong>und</strong> 2 GG ausgesprochen, dass es sich bei<br />
Zerstörung der Persönlichkeit um eine eigenständige Fallgruppe handle, weil weder nach dem Ausgleichsnoch<br />
nach dem Genugtuungsprinzip ein Zuspruch von Schmerzensgeld begründet werden könne. 598 Er hat<br />
auch in diesem Zusammenhang darauf verwiesen, dass die Festsetzung der Höhe Sache des Tatrichters sei.<br />
Freilich hat er immerhin eine Leitlinie <strong>für</strong> die Bemessung gegeben, indem er ausgesprochen hat, dass jedenfalls<br />
wesentlich mehr als ein symbolisches Schmerzensgeld zuzusprechen sei. Gleichzeitig hat er eingeräumt, dass<br />
die fehlende Wahrnehmungsfähigkeit im Rahmen der Bemessung in der Weise zu berücksichtigen sei, dass<br />
insoweit ein – geringfügiger – Abschlag vorgenommen werden dürfe. Begründet wurde das Ergebnis in der<br />
Entscheidung BGHZ 120, 1 mit einem objektiv verstandenen Ausgleichsprinzip. 599 Die <strong>Recht</strong>sgutsverletzung<br />
als solche stellt dabei schon einen auszugleichenden immateriellen Schaden dar. 600<br />
In der Folgeentscheidung NJW 1993, 1531 bekräftigte er diese eingeschlagene Linie, präzisierte sie aber in<br />
der Weise, dass weiterhin die Leistungsfähigkeit des Schädigers bzw das Bestehen einer Haftpflichtversicherung<br />
sowie das Ausmaß des Verschuldens bei der Höhe des Schmerzensgeldes berücksichtigungsfähig sind.<br />
Diese Elemente waren bisher Bestandteil der Genugtuungsfunktion, setzten also voraus, dass der Verletzte<br />
einen Zusammenhang zwischen der eingetretenen Verletzung <strong>und</strong> der Höhe des Schmerzensgeldes geistig<br />
herstellen konnte. Der BGH hat die Eigenständigkeit der Fallgruppe des Schmerzensgeldes bei Zerstörung der<br />
Persönlichkeit insoweit fortgebildet, als ungeachtet der Empfindungsunfähigkeit des Verletzten auch diese<br />
Elemente bei der Abstufung des Ersatzes zu berücksichtigen sind. 601 In der inzwischen reichhaltigen Judikatur<br />
der Tatgerichte wurde zum Teil berücksichtigt, dass das Schmerzensgeld geringer auszufallen hat, wenn es<br />
an der Empfindungsfähigkeit des Verletzten fehlt 602 bzw die Leidensdauer zeitlich begrenzt ist, 603 zum Teil<br />
wurde unter Hinweis auf die Schwere der Verletzung ein gegenüber den Fällen schwerer Querschnittlähmung<br />
590 OLG Brandenburg DAR 2008, 520 = jurisPR-VerkR<br />
4/2008 Anm. 2 (Jahnke); OLG Saarbrücken NJW-Spezial<br />
2009, 761: Nachweis subjektiv empf<strong>und</strong>ener<br />
Beschwerden durch ein Sachverständigengutachten;<br />
OLG Koblenz NJW-RR 2005, 677: Vortrag von Richtsymptomen<br />
<strong>für</strong> psychische Erkrankung. Vgl aber OLG<br />
Köln VersR 2006, 416: Unruhezustand eines 3-Jährigen<br />
so auf der Hand liegend, dass kein weiterer Beweis<br />
erforderlich ist.<br />
591 OLG München VersR 1995, 1499: gesteigerte Angst<br />
vor Metastasen infolge schuldhaft verspäteter Krebserkennung;<br />
Palandt/Grüneberg, § 253 Rn 16; Geigel/<br />
Pardey, Kap. 7 Rn 37.<br />
592 BGHZ 138, 388 = NJW 1998, 2741 = LM BGB § 847<br />
Nr. 102 (Schiemann) = VersR 1998, 1034 = NZV 1998,<br />
370 = MDR 1998, 1029 (Jaeger); dazu Ch. Huber,<br />
NZV 1998, 345 ff; OLG Bremen OLGR 2002, 231.<br />
593 OLG Düsseldorf VersR 1995, 1449.<br />
594 BGHZ 120, 1 = NJW 1993, 781 (Deutsch) = LM BGB<br />
§ 847 Nr 89 (Schmidt-Salzer) = VersR 1993, 893<br />
(Geisbauer) = JZ 1993, 516 (Giesen); Küppersbusch,<br />
Rn 286.<br />
204 Huber<br />
595 NJW 1993, 781; dazu auch A. Diederichsen, Homburger<br />
Tage 2004, S. 7, 10: Entschädigung <strong>für</strong> persönlichkeitszerstörende<br />
Schwerstschäden.<br />
596 BGH NJW 1976, 1147; NJW 1982, 2123.<br />
597 Zustimmend Palandt/Grüneberg, § 253 Rn 19;<br />
Wussow/Kürschner, Kap. 54 Rn 24; Schmidt-Salzer,<br />
Anm. zu BGH LM § 847 Nr. 89; Giesen, JZ 1993,<br />
519 ff; Teichmann, Anm. zu BGH LM § 847 Nr. 90;<br />
Jaeger, VersR 1996, 1177 ff; kritisch Kern, in: FS Gitter<br />
(1995) S. 454 ff; Ch. Huber, NZV 1998, 345, 348 ff.<br />
598 Geigel/Pardey, Kap. 7 Rn 43.<br />
599 Steffen, DAR 2003, 201, 203; Jaeger/Luckey, Rn 463,<br />
478.<br />
600 Manfred Lepa, in: FS G. Müller (2009) S. 113, 122.<br />
601 Jaeger, VersR 1996, 1177.<br />
602 OLG Braunschweig VersR 2004, 924: 350.000 EUR<br />
an ein empfindungsunfähiges Kind; OLG Düsseldorf<br />
VersR 2001, 1384; OLG Nürnberg VersR 1994, 735;<br />
Küppersbusch, Rn 287; Jaeger, VersR 2009, 159, 164.<br />
603 OLG Düsseldorf SP 2009, 396: 60.000 EUR bei<br />
bewusstem Schmerzerleben im Ausmaß von 2 Monaten<br />
<strong>und</strong> einem – physischen – Überleben um 2 Jahre.