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Dauner-Lieb - Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Wirtschaftsrecht und ...

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§ 844 Abschnitt 8 | Einzelne Schuldverhältnisse<br />

Die gravierendste Einschränkung ist aber die Begrenzung auf den Nettolohn einer Ersatzkraft. 391 Dies erfolgt<br />

unter Ausklammerung der Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung durch einen 30 %-igen Abschlag vom<br />

Bruttolohn. 392 Begründet wird dies damit, dass es einen Hausfrauenmarkt nicht gebe <strong>und</strong> bei der Bemessung<br />

des Wertes zu berücksichtigen sei, dass der getötete Haushaltsführer an den Segnungen des Arbeits- <strong>und</strong><br />

Sozialrechts nicht teilnehme. 393 Denkbar ist, dass insoweit § 845 nachwirkt, der seit ca. einem halben Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

394 nicht mehr maßgeblich ist <strong>und</strong> bei dem es auf den Wert der vom Haushaltsführer erbrachten<br />

Dienstleistungen 395 ankam. Maßgeblich ist mE aber, dass bei Erbringung der durch Tod vereitelten Haushaltsdienstleistungen<br />

eine Ersatzkraft eingesetzt werden muss, bei deren Einsatz all diese Kosten anfallen.<br />

396 Ob eine Gegenleistung durch eine Barauszahlung erbracht wird oder durch Abdeckung diverser Risiken<br />

im Wege der Entrichtung von Versicherungsleistungen, sollte keinen Unterschied machen.<br />

Es wäre deshalb sachgerecht, vom vollen Bruttolohn auszugehen <strong>und</strong> Abschläge nur dann vorzunehmen, wenn<br />

die entsprechenden Sozialversicherungsbeiträge <strong>für</strong> den einspringenden Dritten nicht von Vorteil sind, weil<br />

er wegen seines Alters keine weitere Altersrente mehr erlangen kann oder er bereits krankenversichert ist. Da<br />

nicht davon auszugehen ist, dass der BGH seine <strong>Recht</strong>sprechung ändern wird, sollte beim Einspringen von<br />

Dritten verlangt werden, dass die eine oder andere sozialrechtliche Absicherung sowie die damit verb<strong>und</strong>enen<br />

Beiträge, etwa <strong>für</strong> Kranken- oder Rentenversicherung, konkret verlangt werden, was insbesondere dann angebracht<br />

ist, wenn ein einspringender Dritter seine bisherige Berufstätigkeit aufgibt. 397<br />

In der Literatur 398 wird mit kaum überzeugenden Gründen versucht, die herrschende Judikatur zu billigen.<br />

Röthel 399 verweist zunächst darauf, dass auch bei Verzicht auf die Einstellung einer Ersatzkraft ein fast genau<br />

so hoher Betrag zuerkannt wird. Dabei wird das Ausmaß der Lohnnebenkosten gehörig unterschätzt, geht es<br />

doch nicht bloß um den 30 %-igen Abzug, sondern zusätzlich um die Arbeitgeberanteile, so dass die Differenz<br />

50 % oder mehr beträgt. Darüber hinaus verweist sie 400 darauf, dass wie bei den Heilungskosten die Verwendungsfreiheit<br />

die Gefahr der Umgehung des § 253 in sich berge <strong>und</strong> es ebenfalls um immaterielle Faktoren<br />

wie Vertrautheit <strong>und</strong> familiäre Bindung gehe. Einerseits wird aber hier im Gegensatz zur abgelehnten Liquidierung<br />

fiktiver Heilungskosten bei Einspringen von Verwandten oder Bekannten eine Restitution durchgeführt,<br />

andererseits wird die Kategorie der familiären Vertrautheit gerade nicht abgegolten, sondern lediglich<br />

der Marktwert, der bei Einspringen einer x-beliebigen Ersatzkraft anfiele. Schließlich bemüht Röthel 401 die<br />

Parallele zu § 249 Abs. 2 S. 2, wo bei Unterlassung einer Restitutionsmaßnahme die Mehrwertsteuer gekappt<br />

werde. Auch dieser Vergleich hinkt, können doch beim Sachschaden selbst bei Verzicht auf jegliche Restitution<br />

die Arbeitskraftkosten inklusive sämtlicher Lohnnebenkosten ersetzt verlangt werden. Wagner 402 be<strong>für</strong>wortet<br />

die Beschränkung des Ersatzes auf den Nettolohn damit, dass der Schaden ansonsten überkompensiert<br />

werde <strong>und</strong> der Abschlag einen gebotenen Anreiz zur möglichst kostengünstigen Behebung verschaffe. Dabei<br />

bleibt offen, weshalb eine Überkompensation vorliegen soll; <strong>und</strong> selbst wenn das so sein sollte, stellt sich die<br />

Frage, warum der Anreiz zur Selbstvornahme gerade durch Abzug in Höhe der Sozialversicherungsbeiträge<br />

erfolgen soll.<br />

Spindler 403 verweist immerhin darauf, dass die Unterhaltsersatzgläubiger gem. § 323 ZPO eine Aufstockung<br />

verlangen können, wenn sie wider Erwarten von der innerfamiliären Lösung oder dem Einspringen von Verwandten<br />

abweichen <strong>und</strong> eine Ersatzkraft einstellen wollen. Das ist deshalb bedeutsam, weil der BGH betont,<br />

dass das nach § 249 Abs. 2 zur Herstellung Erforderliche bei Abs. 2 nicht losgelöst von der konkret getroffenen<br />

Gestaltung beurteilt werden könne. 404 In vielen Fällen führt dies dazu, dass sich die Hinterbliebenen unmittelbar<br />

nach dem schädigenden Ereignis notdürftig behelfen <strong>und</strong> auf die Einstellung einer Ersatzkraft verzichten,<br />

was dazu führt, dass sie sich auf diese Art der Schadensbehebung <strong>für</strong> die Bemessung der künftigen Rente<br />

festlegen lassen müssen. ME müssen sie aber stets die Möglichkeit der Umstellung von der Netto- auf die<br />

391 BGHZ 104, 113 = NJW 1988, 1783 = NZV 1988, 60<br />

(Schl<strong>und</strong>); dazu Eckelmann, DAR 1989, 94; BGHZ 86,<br />

372 = NJW 1983, 1425; Wussow/Dressler, Kap. 47<br />

Rn 9.<br />

392 Küppersbusch, Rn 376: der jeweils konkrete Unterschiedsbetrag<br />

ist der Tabelle von Schulz-Borck/Pardey,<br />

Schadensersatz bei Ausfall von Hausfrauen <strong>und</strong><br />

Müttern im Haushalt, zu entnehmen.<br />

393 Wussow/Dressler, Kap. 47 Rn 9; Küppersbusch,<br />

Rn 368; Steffen, VersR 1985, 605, 607.<br />

394 BGHZ 38, 55 = NJW 1962, 2248 = LM § 842 BGB<br />

Nr. 1 (Heuß) = JZ 1963, 219 (Eisser) = JR 1964, 424<br />

(Göppinger).<br />

395 Darauf abstellend auch Geigel/Münkel, Kap. 8 Rn 47.<br />

4934 Huber<br />

396 Zur Ersatzfähigkeit solcher Kosten im österreichischen<br />

<strong>und</strong> schweizerischen Haftpflichtrecht Ch. Huber, DAR<br />

2010, 677, 681.<br />

397 So auch Küppersbusch, Rn 376.<br />

398 Staudinger/Röthel, § 844 Rn 141.<br />

399 Staudinger/Röthel, § 844 Rn 133.<br />

400 Staudinger/Röthel, § 844 Rn 134.<br />

401 Staudinger/Röthel, § 844 Rn 134.<br />

402 MüKo/Wagner, § 844 Rn 66.<br />

403 Bamberger/Roth/Spindler (18. Edition), § 844 Rn 27.<br />

404 BGHZ 104, 113 = NJW 1988, 1783 = NZV 1988, 60<br />

(Schl<strong>und</strong>); dazu Eckelmann, DAR 1989, 94; BGH<br />

VersR 1986, 790; Geigel/Münkel, Kap. 8 Rn 48; Ernst,<br />

VA 2008, 42, 46; Ch. Huber, DAR 2010, 677, 682:<br />

Berücksichtigung der jeweiligen Leistungsfähigkeit;<br />

Zulässigkeit bis zur Grenze der societas leonina.

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