Dauner-Lieb - Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Wirtschaftsrecht und ...
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Ersatzpflicht bei Verletzung einer Person; Geldrente/Kapitalabfindung §§ 842, 843<br />
4. Anknüpfung an Brutto- oder Nettowerte – ESt <strong>und</strong> Sozialversicherungsbeiträge. Beim Erwerbsschaden<br />
stellt sich die Frage, ob an die Brutto- oder Nettowerte anzuknüpfen ist. 1441 Die Beiträge zur Sozialversicherung<br />
sind mE nicht einzubeziehen, soweit sie keine Gegenleistung darstellen, weil sich beim Geschädigten<br />
das korrespondierende Risiko nach der Verletzung nicht mehr verwirklichen kann, wie das etwa in<br />
Bezug auf die Unfall- <strong>und</strong> Arbeitslosenversicherung bei einem erwerbsunfähigen Schwerstverletzten der Fall<br />
ist. Es ist aber auch denkbar, dass ein entsprechender Bedarf nach wie vor gegeben ist, wie etwa bei der<br />
Kranken- oder Pflegeversicherung. 1442 Und schließlich sorgen Regressnormen des Sozialversicherungsrechts<br />
selbst, wie etwa § 119 SGB X, da<strong>für</strong>, dass die Beiträge <strong>für</strong> die Alterssicherung vom Ersatzpflichtigen sogleich<br />
an den Rentenversicherer erbracht werden, so dass der darauf entfallende Betrag bei der Kapitalisierung des<br />
vom Geschädigten selbst geltend zu machenden Betrags auszuklammern ist. In Bezug auf die Entrichtung von<br />
ESt ist zu beachten, dass darauf abzustellen ist, ob der Geschädigte die Rente hätte versteuern müssen. 1443 Bei<br />
den vermehrten Bedürfnissen <strong>und</strong> dem Haushaltsführungsschaden ist das zu verneinen, beim Erwerbsschaden<br />
aber gem. § 24, 34 EStG zu bejahen. 1444 Der Geschädigte kann zwar gem. § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG eine Steuervergünstigung<br />
bei der Empfangnahme des Kapitalbetrags in Anspruch nehmen; 1445 diese verfolgt aber<br />
lediglich die Zielsetzung, eine Progressionskappung zu bewirken. Er wird daher mithilfe dieser steuerrechtlichen<br />
Pauschalierung gerade so gestellt, als ob er fortlaufend eine Rente anstelle des Erwerbseinkommens<br />
bezogen hätte.<br />
5. Aufteilung zwischen Geschädigtem <strong>und</strong> Sozialversicherungsträger. Eine Kapitalisierung von Rentenansprüchen<br />
findet sowohl beim Regressanspruch der Sozialversicherungsträger als auch bei dem beim<br />
Verletzten verbleibenden Anspruch statt. Es hat dabei eine Abschätzung zu erfolgen, in welchem Ausmaß der<br />
jeweilige Sozialversicherungsträger in Zukunft Leistungen zu erbringen hat <strong>und</strong> welcher Teil beim Geschädigten<br />
verbleiben wird. Tendenziell dürfte es so sein, dass die Sozialversicherungsrenten in der Zukunft kaum<br />
ausgebaut werden, weil die jeweiligen Kassen schon aus demografischen Gründen eher leerer als voller werden.<br />
Ausnahmsweise mag <strong>für</strong> die Unfallversicherer etwas anderes gelten. 1446<br />
Aus währungspolitischen Gründen bestehen Bedenken, eine Rente an einen Index zu binden. Das führt typischerweise<br />
zu einer Verkürzung des Geschädigten, der weniger erhält, als nach dem Ausgleichsprinzip geboten<br />
ist. Denn eine Anpassung kann bloß begehrt werden, wenn die Wesentlichkeitsgrenze überschritten ist; die in<br />
der Vergangenheit akkumulierten Defizite bleiben sodann ohne Abgeltung. Der BGH 1447 hat indes ausgesprochen,<br />
dass währungsrechtliche Skrupel nicht dazu führen können, diesen Umstand bei der Festsetzung<br />
einer Kapitalentschädigung unberücksichtigt zu lassen. 1448 Zugr<strong>und</strong>e zu legen ist somit eine „dynamische<br />
Rente“, wobei die Größen der Anpassung Inflation, Wirtschaftswachstum, individuelle Karrieresprünge bzw<br />
Unterbrechungen der Erwerbsbiografie sind.<br />
6. Zeitliche Dimension. Die Dauer der Rente wird typischerweise den Sterbetafeln entnommen. Insoweit<br />
wird zu <strong>Recht</strong> darauf hingewiesen, dass eine besonders schwere Verletzung dazu führt, dass die Lebenserwartung<br />
geringer ist als der Durchschnitt, was zu Abschlägen führt, wobei aber auch Zuschläge denkbar<br />
sind. 1449 Das kommt etwa in Betracht bei einer Rente nach § 844 Abs. 2, wenn der Getötete im Zeitpunkt des<br />
Todes besonders ges<strong>und</strong> <strong>und</strong> leistungsfähig war.<br />
Bedeutsam ist die Befristung der Rente. Beim Erwerbsschaden nimmt der BGH 1450 eine Befristung nach dem<br />
gesetzlichen Renteneintrittsalter vor. ME trägt schon der Anspruchsteller die Beweislast <strong>für</strong> eine Abweichung<br />
von der wahrscheinlichsten tatsächlichen Entwicklung, 1451 wobei die Verhältnisse der jeweiligen Berufsgruppe<br />
zu beachten sind. 1452 Im Verhältnis zwischen Verletztem <strong>und</strong> Ersatzpflichtigem ist das besonders<br />
bedeutsam, soweit § 119 SGB X nicht zum Tragen kommt. 1453 Zutreffend ist hingegen ein Abstellen auf die<br />
1441 Für die Maßgeblichkeit der Nettowerte Nehls, VersR<br />
1981, 286, 287.<br />
1442 OLG München VersR 2005, 1150: Abfindungsvergleich<br />
auf der Basis der modifizierten Nettolohntheorie<br />
unter Ausklammerung der Rentenversicherungsbeiträge;<br />
keine Nachforderung in Bezug auf Beiträge<br />
zur Kranken- <strong>und</strong> Pflegeversicherung.<br />
1443 Zu den Besonderheiten der Steuerfreiheit bei ausländischem<br />
Wohnsitz BGH NZV 2002, 268.<br />
1444 Ernst, VA 2010, 149, 151.<br />
1445 Dazu BGHZ 79, 187 = NJW 1981, 818 = LM § 843<br />
BGB Nr. 28 (Weber) = VersR 1981, 283 (Nehls).<br />
1446 Kornes, r+s 2003, 485, 490.<br />
1447 BGHZ 79, 187 = NJW 1981, 818 = LM § 843 BGB<br />
Nr. 28 (Weber) = VersR 1981, 283 (Nehls).<br />
1448 Zustimmend Nehls, VersR 1981, 286, 287.<br />
1449 H. Lang, VersR 2005, 894, 896.<br />
1450 BGH NJW-RR 1995, 1272; dazu Lemcke, r+s 1995,<br />
384; BGH NJW 1989, 3150; NJW-RR 1988, 470;<br />
BGHZ 97, 52 = NJW-RR 1986, 650; ebenso LG Stuttgart<br />
DAR 2007, 467 = SVR 2005, 186 (Nehls).<br />
1451 AA H. Lang, VersR 2005, 894, 898: Beweislast des<br />
Ersatzpflichtigen.<br />
1452 L. Jaeger, VersR 2006, 597, 600; H. Lang, VersR<br />
2005, 894, 898: Unterscheidung zwischen Bauarbeiter<br />
<strong>und</strong> Verwaltungsangestellten. Viel zu pauschal<br />
hingegen Schwab, DAR 2007, 669, 670: Nur 45 % der<br />
über 55-Jährigen sind noch in Lohn <strong>und</strong> Brot.<br />
1453 So in LG Stuttgart DAR 2007, 467 = SVR 2005, 186<br />
(Nehls): Unfall am 29.6.1980. Dass durch § 119<br />
SGB X nicht in allen Fällen alle Defizite erfasst sind,<br />
dazu Rn 116 c.<br />
Huber 4899<br />
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