Dauner-Lieb - Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Wirtschaftsrecht und ...
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§§ 842, 843 Abschnitt 8 | Einzelne Schuldverhältnisse<br />
2. Qualität der Prognose. Zu bedenken ist dabei, dass die Rente bei wesentlicher Veränderung nach § 323<br />
ZPO angepasst werden kann. Da durch die Kapitalabfindung aber eine endgültige Festlegung des geschuldeten<br />
Betrags erfolgen muss, ist es unabdingbar, dass der Tatrichter viel mutiger künftige Entwicklungen in seine<br />
Prognose mit einbeziehen muss, auch wenn er sie fast <strong>für</strong> Spekulation hält. 1425 Beim Erwerbsschaden geht es<br />
um die Chance von Karrieresprüngen einerseits 1426 sowie das Risiko einer Unterbrechung der Erwerbsbiografie<br />
andererseits (zur Berücksichtigung solcher Risiken durch Abschläge s. Rn 79). Zu bedenken ist, dass<br />
in den letzten Jahrzehnten eine nominelle Einkommenssteigerung zumindest in Höhe der Inflation, die in den<br />
letzten zehn Jahren ca. 2 % pro Jahr betragen hat, 1427 stattgef<strong>und</strong>en hat; darüber hinaus wurden Zuwächse<br />
beim Arbeitseinkommen erzielt, die aus einer Teilhabe am Wirtschaftswachstum resultierten. Wenn der BGH<br />
in seiner gr<strong>und</strong>legenden Entscheidung im Jahr 1981 1428 auch ausgesprochen hat, dass eine mechanistische<br />
Extrapolation in die Zukunft nicht möglich sei, frei nach der Devise „Die fetten Jahre sind vorbei. Man muss<br />
froh sein, wenn es nicht schlechter wird“ haben die letzten Jahrzehnte gezeigt, dass die Aufwärtsentwicklung<br />
zwar nicht mehr so stürmisch erfolgt wie in den ersten Nachkriegsjahren, ein mäßiges Wirtschaftswachstum<br />
aber noch immer die wahrscheinlichste Variante ist; <strong>und</strong> darauf kommt es an. Durch Einbeziehung von Sachverständigen<br />
kann das Prognoserisiko abgemildert, aber nicht beseitigt werden. 1429<br />
Entsprechend den Vorgaben der konkreten Schadensberechnung wird auch zwischen den jeweiligen Schadenskategorien<br />
zu unterscheiden sein. Der Erwerbsschaden ist an den Einkommenszuwächsen der betreffenden<br />
Berufsgruppe zu orientieren; bei den vermehrten Bedürfnissen ist auf die Steigerung der Kosten beim<br />
jeweiligen Mehrbedarf abzustellen. 1430 Da etwa bei Pflegedienstleistungen bei gleich bleibender Qualität kaum<br />
Rationalisierungspotenziale bestehen, werden die Kosten da<strong>für</strong> stärker steigen als der allgemeine Verbraucherpreisindex,<br />
1431 bei dem sich dämpfend auswirkt, dass darin auch Dienstleistungen <strong>und</strong> Waren enthalten<br />
sind, die infolge des technischen Fortschritts billiger werden, sei es nun das Telefonieren oder die Anschaffung<br />
eines Computers. 1432 Häufig wird nur an die berufliche Erwerbstätigkeit gedacht; im Regelfall wäre aber auch<br />
ein Einsatz der Arbeitskraft im Rahmen der Hauswirtschaft erfolgt, was es zusätzlich zu berücksichtigen<br />
gilt. 1433<br />
3. Leibrente bzw Verbindungsrente, nicht Zeitrente. 1434 Außer Streit stehen sollte, dass es bei der Kapitalisierung<br />
von Personenschäden um Leibrenten <strong>und</strong> nicht um Zeitrenten 1435 geht, also das Vorversterblichkeitsrisiko<br />
vor der errechneten voraussichtlichen Lebenserwartung zu beachten ist, so dass der Kapitalisierungsfaktor<br />
geringer ist als bei Zeitrenten. 1436 Zu unterscheiden ist zwischen solchen, die lebenslang gebühren,<br />
so bei vermehrten Bedürfnissen oder auch dem Haushaltsführerschaden sowie solchen mit temporärer Befristung,<br />
wie das beim Erwerbsschaden der Fall ist, 1437 wobei hinzukommen kann, dass sie erst später beginnen,<br />
weil erst beim Eintritt ins Erwerbsleben ein Erwerbsschaden gegeben ist (aufgeschobene Leibrente). 1438 Bei<br />
Unterhaltsrenten nach § 844 Abs. 2 sind im Rahmen einer Verbindungsrente zusätzlich Risiken aus der Sphäre<br />
der Anspruchsteller zu beachten. 1439 Maßgeblich ist somit die Anwendung der passenden Sterbetafel. 1440<br />
1425 BGHZ 79, 187 = NJW 1981, 818 = LM § 843 BGB<br />
Nr. 28 (Weber) = VersR 1981, 283 (Nehls); kritisch<br />
gegenüber solchen Unwägbarkeiten R. Schneider, r+s<br />
2004, 177, 179: „Lesen aus dem Kaffeesatz, wenn<br />
auch manchmal auf vermeintlich hochwissenschaftlichem<br />
Niveau.“.<br />
1426 BGHZ 79, 187 = NJW 1981, 818 = LM § 843 BGB<br />
Nr. 28 (Weber) = VersR 1981, 283 (Nehls); Nehls,<br />
SVR 2005, 161, 163; ders., zfs 2004, 193, 195; das<br />
Wort Karrieresprung suggeriert außerordentliche<br />
Aufstiege; es geht aber um das ganz normale Vorwärtskommen,<br />
wie das etwa in einer Beamtenlaufbahn<br />
anhand der – noch – zweijährigen Gehaltserhöhungen<br />
bis zu einem bestimmten Lebensalter ohne<br />
weiteres fassbar ist. Ebenso H. Lang, VersR 2005,<br />
894, 897.<br />
1427 Nehls, zfs 2004, 193, 195.<br />
1428 BGHZ 79, 187 = NJW 1981, 818 = LM § 843 BGB<br />
Nr. 28 (Weber) = VersR 1981, 283 (Nehls).<br />
1429 L. Jaeger, VersR 2006, 597, 600.<br />
1430 BGHZ 97, 52 = NJW-RR 1986, 650.<br />
1431 Nehls, DAR 2007, 444, 449: im Ges<strong>und</strong>heitswesen<br />
jährliche Steigerung um 3,3 %.<br />
1432 So auch die Einschätzung von LG Stuttgart DAR<br />
2007, 467 = SVR 2005, 186 (Nehls).<br />
4898 Huber<br />
1433 Nehls, zfs 2004, 193, 195.<br />
1434 Zur Terminologie Langenick/Vatter, NZV 2005, 10 ff.<br />
1435 So aber der Vorwurf von H. Lang, VersR 2005, 894,<br />
900; R. Schneider/S. Schneider, zfs 2004, 541, 543 f<br />
an Nehls.<br />
1436 L. Jaeger, VersR 2006, 597; Langenick/Vatter, NZV<br />
2005, 10, 11.<br />
1437 L. Jaeger, VersR 2006, 1328: Hinweis auf einen entsprechenden<br />
Fehler von Nehls, zfs 2004, 193 ff, der<br />
bei einem Erwerbsschaden eine lebenslange Rente<br />
zugr<strong>und</strong>e gelegt hat.<br />
1438 L. Jaeger, VersR 2006, 597, 600.<br />
1439 Zutreffend LG Nürnberg-Fürth mit Hinweisbeschl.<br />
OLG Nürnberg NZV 2008, 349 (Küppersbusch)<br />
sowie NZV 2008, 634 (L. Jaeger); R. Schneider/S.<br />
Dietz-Schneider, VersR 2006, 1325: neben dem<br />
Risiko, vorher zu versterben auch die Wiederverheiratungswahrscheinlichkeit.<br />
1440 Zum Vorwurf von Langenick/Vatter, NZV 2005, 10,<br />
12 Nehls, zfs 2004, 193 ff habe nicht die zutreffende<br />
Sterbetafel angewendet, L. Jaeger, VersR 2006, 597,<br />
601: Diesbezüglich Vorwurf unbegründet, weil<br />
Risiko des Vorversterbens nicht doppelt berücksichtigt<br />
werden dürfe.