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Dauner-Lieb - Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Wirtschaftsrecht und ...

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§§ 842, 843 Abschnitt 8 | Einzelne Schuldverhältnisse<br />

werden. 264 Andererseits ist seine Leistungsfähigkeit aber herabgesetzt. Prototypisch ist etwa, dass ein Hauptmann<br />

der B<strong>und</strong>eswehr nach seiner Verletzung halbtags in der Standortverwaltung eingesetzt wurde, was nicht<br />

als überobligationsgemäß angesehen wurde. 265 Eine 56-jährige Gr<strong>und</strong>schullehrerin, <strong>für</strong> die als Beamtin keine<br />

andere – sitzende – Tätigkeit zur Verfügung stand, ist zwar wie jeder normale Arbeitnehmer zur Verwertung<br />

der Restarbeitskraft verpflichtet; darlegungs- <strong>und</strong> beweispflichtig <strong>für</strong> eine solche ist freilich der Ersatzpflichtige;<br />

<strong>und</strong> ohne solches Vorbringen ist er zur Differenz zwischen Aktivbezug <strong>und</strong> Pension verpflichtet. 266 Nach<br />

dem Gr<strong>und</strong>satz, dass der Schädiger den Geschädigten so nehmen muss, wie er ist, ist der besondere beamtenrechtliche<br />

Bestandsschutz womöglich auch <strong>für</strong> das Schadensrecht beachtlich. Jedenfalls wirkt sich infolge<br />

des Quotenvorrechts des Beamten eine Kürzung des Ersatzanspruchs zunächst beim Regressanspruch des<br />

Dienstherrn aus. 267 Einem Bauingenieurstudenten ist nicht zumutbar, vor Ende der Begutachtungsfrist nachzufragen,<br />

ob die Diplomarbeit mindestens mit genügend bewertet werden kann, um dadurch schon früher<br />

Bewerbungen abgeben zu können. 268 Einem Medizinstudenten, der nach einer schweren Erkrankung keine<br />

Approbation zum praktischen Arzt erlangen kann, ist nicht zumutbar, seine medizinischen Kenntnisse anders<br />

als als Arzt zu verwerten; vielmehr muss ihm zugebilligt werden, ein Jura-Studium aufzunehmen, bei dem<br />

nach Abschluss im Rahmen des Berufes seine Behinderung weniger schwer ins Gewicht fällt. Jedenfalls kann<br />

er verlangen, in einem Beruf mit vergleichbarer Verantwortung <strong>und</strong> entsprechenden Verdienstmöglichkeiten<br />

tätig zu sein. 269 Einem Selbständigen kann zumutbar sein, eine seiner sozialen Stellung vergleichbare Tätigkeit<br />

als Arbeitnehmer auszuüben. 270 Eine im Sicherheitsgewerbe tätige Hilfskraft kann sich jedoch nicht darauf<br />

versteifen, wieder im Sicherheitsgewerbe tätig zu sein. 271<br />

Zu beobachten ist, dass eine Tendenz besteht, strengere Maßstäbe an die zumutbare Ersatzstelle zu formulieren.<br />

272 So hat etwa der BGH 273 ausgesprochen, dass der Verletzte eine vom Ersatzpflichtigen angebotene<br />

Stelle, <strong>für</strong> die er von seinem Wohnsitz drei St<strong>und</strong>en Fahrzeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln in Kauf nehmen<br />

müsste, dann nicht als unzumutbar ablehnen dürfe, wenn er in der Lage sei, ein eigenes Kraftfahrzeug anzuschaffen;<br />

274 es wurde ihm lediglich zugebilligt, die <strong>für</strong> die Fahrt mit dem privaten Pkw entstehenden Fahrtkosten<br />

vom anrechnungspflichtigen Einkommen in Abzug zu bringen. 275 Diese schärferen Anforderungen<br />

lassen sich damit erklären, dass einerseits die Mobilität insgesamt zunimmt <strong>und</strong> andererseits der Arbeitsmarkt<br />

seit längerer Zeit angespannt ist. 276 Letztlich ist es aber eine Frage des Einzelfalles, ob der Geschädigte gegen<br />

seine Schadensminderungspflicht verstößt, wenn er eine bestimmte Stelle nicht antritt. Folgende Gesichtspunkte<br />

spielen dabei eine Rolle: Ges<strong>und</strong>heitszustand, Alter, Persönlichkeit, soziale Lage, bisherige Tätigkeit,<br />

Vorbildung, bisherige Lebensstellung, Berufstätigkeit des Ehegatten, Versorgung minderjähriger Kinder. 277<br />

Tendenziell wird man den Wechsel des Wohnsitzes umso eher zumuten können, wenn es sich um einen<br />

jüngeren Verletzten handelt, sofern der Geschädigte in seinem derzeitigen Wohnbereich noch nicht allzu stark<br />

verwurzelt ist, 278 der Umzug nicht auf Dauer ist <strong>und</strong> dergleichen. Selbst die Aufnahme einer Tätigkeit im<br />

grenznahen Ausland kann jedenfalls ohne Erfordernis eines Wohnsitzwechsels zumutbar sein. 279 Verliert der<br />

Geschädigte die neue Arbeitsstelle, etwa wegen Insolvenz des Arbeitgebers, hätte er die frühere aber behalten,<br />

ist der Schädiger <strong>für</strong> diesen Nachteil einstandspflichtig. 280<br />

Je nach Bildungsgrad <strong>und</strong> bisher ausgeübter Tätigkeit wird man vom Verletzten ein unterschiedlich hohes<br />

Aktivitätsniveau verlangen können. Der Umstand, dass er eine Sozialrente bezieht, enthebt ihn nicht der Verpflichtung,<br />

sich um die Verwertung seiner Restarbeitskraft zu bemühen. Zumindest hat er dem Arbeitsamt<br />

bekannt zu geben, dass er eine Stelle sucht. 281 Bei Personen mit geringem Bildungsgrad, insbesondere bei<br />

solchen, die keine oder nur rudimentäre Deutschkenntnisse haben, wird man sich damit auch zufrieden geben<br />

müssen. 282 Wenn die verletzte Person den <strong>für</strong> sie einschlägigen Stellenanzeigenmarkt auswertet – <strong>und</strong> gleichwohl<br />

keine passende Stelle findet –, liegt kein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht vor. 283 Voraussetzung<br />

<strong>für</strong> eine Schadensminderungspflicht ist stets, dass eine zumutbare Ersatzstelle sich finden lässt. Das<br />

264 Diesen Aspekt betonend BGH NJW 1991, 1412; OLG<br />

Frankfurt/M. NZV 1991, 188; OLG Hamm r+s 1994,<br />

417; Soergel/Beater, § 843 Rn 12; Bamberger/Roth/<br />

Spindler (18. Edition), § 843 Rn 8.<br />

265 BGH NJW-RR 1992, 1050.<br />

266 OLG Schleswig VersR 2006, 938 = SVR 2005, 471<br />

(Schröder).<br />

267 Eggert, VA 2006, 116.<br />

268 KG NZV 2006, 207 = VRR 2006, 225 (Luckey) = zfs<br />

2006, 147 (Diehl).<br />

269 OLG Nürnberg VersR 2009, 1079 (L. Jaeger).<br />

270 OLG Köln VersR 2000, 237; Eggert, VA 2006, 116,<br />

119.<br />

271 OLG Düsseldorf NJW 2011, 1152.<br />

272 Van Bühren/Jahnke, Teil 4 Rn 419.<br />

273 BGH NJW 1998, 3706.<br />

4820 Huber<br />

274 Dazu MüKo/Wagner, §§ 842, 843 Rn 31.<br />

275 Weitergehend unter fälschlicher Berufung auf diese<br />

Entscheidung Küppersbusch, Rn 59, wonach der<br />

Ersatzpflichtige <strong>für</strong> die Anschaffungskosten des Kfz<br />

aufzukommen habe.<br />

276 MüKo/Wagner, §§ 842, 843 Rn 31.<br />

277 Van Bühren/Jahnke, Teil 4 Rn 419.<br />

278 BGHZ 91, 357 = NJW 1984, 2520.<br />

279 Eggert, VA 2006, 116, 119.<br />

280 Ernst, VA 2008, 132, 136; Luckey, VRR 2005, 364,<br />

366.<br />

281 BGH NJW 1979, 2142.<br />

282 BGH NJW 1991, 1413: türkische Gastarbeiterin, fünf<br />

Jahre Volksschule, keine Deutschkenntnisse.<br />

283 BGH NJW 1996, 652.

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