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Dauner-Lieb - Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Wirtschaftsrecht und ...

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Immaterieller Schaden § 253<br />

nach erstmaligem Zuspruch von Schmerzensgeld in einem weiteren Begehren einen Nachschlag begehrt, ist<br />

zu unterscheiden zwischen Hinderungsgründen eines Zuspruchs auf Ebene der Verjährung <strong>und</strong> der <strong>Recht</strong>skraft.<br />

2. Drei unterschiedliche Kategorien künftiger Schäden. Bei den künftigen Schäden sind drei Kategorien<br />

zu unterscheiden, nämlich mit ausreichender Wahrscheinlichkeit objektiv vorhersehbare, immerhin mögliche<br />

<strong>und</strong> nicht ausschließbare, sowie schließlich solche, an die ex ante in keiner Weise gedacht werden konnte, die<br />

sich aber ex post doch verwirklichen. Maßgeblich ist dabei weder die subjektive Erkennbarkeit <strong>für</strong> den<br />

Anspruchsteller noch die konkrete Geltendmachung im Prozess, sondern die Erkennbarkeit <strong>für</strong> einen einschlägigen<br />

Sachverständigen. 792 Diese Unterscheidung ist bedeutsam, weil sich daran unterschiedliche<br />

<strong>Recht</strong>sfolgen in Bezug auf Verjährung, Zulässigkeit bzw Begründetheit einer Feststellungsklage <strong>und</strong> <strong>Recht</strong>skraft<br />

ergeben. Abzustellen ist dabei auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung 1. Instanz. 793 Die<br />

sicher vorhersehbaren sind bei der Bemessung des Schmerzensgeldes zu berücksichtigen, 794 somit durch das<br />

Leistungsbegehren abgedeckt <strong>und</strong> spielen – jedenfalls im Regelfall – keine Rolle mehr. Die bloß möglichen<br />

künftigen Schäden werden typischerweise vom Leistungsbegehren nicht erfasst, was freilich klargestellt werden<br />

sollte. Insoweit ist eine Feststellungsklage zulässig, wo<strong>für</strong> ausreichend ist, dass künftige Schäden nicht<br />

auszuschließen sind. 795 In Bezug auf vorhersehbare künftige Schäden läuft die Verjährungsfrist ab Kenntnis<br />

von Schaden <strong>und</strong> Schädiger in Bezug auf den Primärschaden. Für die Zukunftsschäden, die von einem Sachverständigen<br />

ex ante nicht als möglich angesehen wurden, läuft keine Verjährungsfrist, solange ihr Eintritt<br />

nicht als möglich erkannt wird. Sie sind auch bei der Bemessung nicht berücksichtigt worden. 796 Ein diesbezügliches<br />

Feststellungsurteil ist auch in solchen Fällen bedeutsam, weil der Anspruch dem Gr<strong>und</strong>e nach<br />

rechtskräftig festgestellt worden ist.<br />

3. Verjährung. Wegen des Gr<strong>und</strong>satzes der Schadenseinheit läuft die Verjährungsfrist nach Eintritt eines<br />

Primärschadens auch <strong>für</strong> alle von einem Sachverständigen zu diesem Zeitpunkt als bloß möglich vorhergesehenen<br />

Zukunftsschäden. 797 Um die Verjährung eines Anspruchs <strong>für</strong> solche Schäden zu vermeiden, muss der<br />

Verletzte einen Feststellungsantrag nach § 256 ZPO stellen. 798 Die Zulässigkeit eines solchen ist immer dann<br />

gegeben, wenn ein künftiger Schadenseintritt nicht auszuschließen ist. 799 Das wird bei so gut wie jedem Dauerschaden<br />

gegeben sein. Ausgeschlossen ist das Feststellungsinteresse somit nur, wenn überhaupt kein vernünftiger<br />

Gr<strong>und</strong> gegeben ist, dass es zu Spätschäden kommen könnte. 800 Für objektiv nicht vorhersehbare<br />

Folgeschäden bedarf es zur Abwendung der Verjährung keiner Feststellungsklage, weil die diesbezügliche<br />

Verjährung erst mit dem Ende des Jahres zu laufen beginnt, in dem beim Verletzten die Kenntnis oder grob<br />

fahrlässiger Unkenntnis in Bezug auf die Anspruchsvoraussetzungen dieses Teils des Schmerzensgeldanspruchs<br />

gegeben ist. 801 Kommt es bei einem Sachverständigen erst nach Ablieferung seines Gutachtens zur<br />

Erkenntnis über das Bestehen eines Ursachenzusammenhangs zwischen dem schädigenden Ereignis <strong>und</strong> den<br />

Beschwerden, muss sich der Verletzte ein solches Wissen nicht zurechnen lasse, vielmehr ist der Zeitpunkt<br />

seiner Kenntniserlangung vom Ursachenzusammenhang maßgeblich. 802<br />

Wird ex ante ein Folgeschaden auch nicht als möglich angesehen, führt ein stattgebendes Feststellungsurteil<br />

doch dazu, dass bei unvorhergesehenem Eintritt eines solchen Schadens der Verletzte sich mit dem Schädiger<br />

dann nicht mehr herumstreiten muss, ob der Anspruch in vollem Umfang oder wegen eines Mitverschuldens<br />

nur in gekürztem Ausmaß besteht. Auf außergerichtlichem Weg kann das gleiche Ergebnis erzielt werden,<br />

indem der Ersatzpflichtige, häufig ein Haftpflichtversicherer, gegenüber dem Verletzten erklärt, dass er ein<br />

Anerkenntnis <strong>für</strong> künftige Schäden abgebe, das die gleichen <strong>Recht</strong>sfolgen wie ein Feststellungsurteil habe.<br />

Eine solche Klarstellung ist insoweit empfehlenswert, um sicherzustellen, dass damit nicht bloß ein Neubeginn<br />

792 BGH NJW-RR 2007, 712 = r+s 2006, 257 (Lemcke) =<br />

VRR 2006, 223 (Burkard); OLG Düsseldorf SP 2008,<br />

255.<br />

793 OLG Hamburg MDR 2005, 451; OLG Schleswig<br />

OLGR 2005, 131.<br />

794 BGH NJW-RR 2006, 712 = r+s 2006, 257 (Lemcke) =<br />

VRR 2006, 223 (Burkard); OLG Düsseldorf SP 2008,<br />

255; OLG Stuttgart NJOZ 2010, 1374; von Gerlach,<br />

VersR 2000, 525, 530.<br />

795 BGH NJW-RR 2007, 601 = SVR 2007, 294 (Benz); KG<br />

NZV 2006, 254: Zu den maßvollen Anforderungen im<br />

Rahmen der Darlegungslast sowie einer Pflicht des<br />

Gerichts zu einem Hinweis nach § 139 ZPO, wenn der<br />

Kläger diesen nicht genügt.<br />

796 OLG Köln VRR 2010, 187 (Luckey).<br />

797 Bussmann, MDR 2007, 446.<br />

798 Zum inneren Zusammenhang von Feststellungsinteresse<br />

<strong>und</strong> Verjährung G. Müller, VersR 1998, 129, 136.<br />

799 BGH NJW 2001, 3414; NJW 1998, 160; OLG Karlsruhe<br />

NJOZ 2008, 2031; OLG Brandenburg DAR 2008,<br />

520 = jurisPR-VerkR 4/2008 Anm. 2 (Jahnke); MüKo/<br />

Oetker, § 253 Rn 71; Geigel/Pardey, Kap. 7 Rn 27;<br />

Jaeger/Luckey, Rn 280, 1408; Heß/Burmann, NJW-<br />

Spezial 2005, 255, 256.<br />

800 BGH VersR 1991, 320; NZV 1989, 432; Wussow/<br />

Kürschner, Kap. 54 Rn 44; Bamberger/Roth/Spindler<br />

(18. Edition), § 253 Rn 68; Jaeger/Luckey, Rn 1414.<br />

801 BGH NJW 2000, 861; Terbille, VersR 2005, 37, 40.<br />

802 BGH NJW 1997, 2448.<br />

Huber 217<br />

146<br />

147<br />

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