Dauner-Lieb - Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Wirtschaftsrecht und ...
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Ersatzpflicht bei Verletzung einer Person; Geldrente/Kapitalabfindung §§ 842, 843<br />
vom Haftpflichtsicherer stammt. 226 Dazu kommt, dass sie nicht nur kompliziert ist, sondern mitunter auch<br />
nach Jahren über die Höhe des Anspruchs gestritten werden muss, wenn ein Versorgungsfall eintritt. 227<br />
Der BGH betont in seiner Leitentscheidung BGHZ 127, 391, 228 dass der Geschädigte wegen der Beweisnähe<br />
in jedem Fall die aus seiner Sphäre stammenden Umstände offenlegen muss. 229 Lange 230 weist aber zu <strong>Recht</strong><br />
darauf hin, dass es einen Unterschied macht, ob der Geschädigte sich mit der Offenlegung seiner Verhältnisse<br />
begnügen darf – so bei der Bruttolohntheorie – <strong>und</strong> es dann Sache des Ersatzpflichtigen, im Regelfall eines<br />
Haftpflichtversicherers, ist, darzutun, warum die Ersatzpflicht weniger ausmacht als der Bruttobetrag des<br />
Erwerbseinkommens ohne Verletzung, oder ob der Verletzte mit dem Risiko der vollständigen Erfassung<br />
dieser Unwägbarkeiten belastet sein soll – so bei der Nettolohntheorie. 231 Abgesehen davon, dass bei der<br />
Entgeltfortzahlung des Arbeitgebers allein die Bruttolohnmethode in Betracht kommt, 232 ist der Geschädigte<br />
generell bei der Bruttolohnmethode auf der sicheren Seite, während die Nettolohnmethode den Ersatzpflichtigen<br />
begünstigt. Besteht bei der Bruttolohntheorie die Gefahr, dass der Verletzte Geldbeträge in den eigenen<br />
Sack steckt, die er an den Fiskus oder Sozialversicherungsträger abführen hätte müssen, 233 besteht bei der<br />
Nettolohntheorie die Gefahr, dass der Geschädigte einen unzureichenden Ersatzbetrag erhält. 234 Darüber<br />
hinaus gibt es Konstellationen, bei denen beide Methoden angewendet werden müssen, weil nur bei deren<br />
Vergleich das richtige Ergebnis erzielt werden kann. Zu beachten ist, dass sowohl bei der Besteuerung des<br />
Schadensersatzbetrages als auch der Anrechnung der Ersparnis auf die Progressionsspitze, nicht aber auf<br />
Durchschnittssteuersätze abzustellen ist. 235 Wie so häufig steckt der Teufel im Detail, was anhand einiger<br />
ausgewählter Konstellationen dargelegt werden soll:<br />
d) Detailfragen. Hat der Geschädigte – etwa wegen eines ihn treffenden Mitverschuldens – einen gekürzten<br />
Schadensersatzanspruch, führen Brutto- <strong>und</strong> Nettolohntheorie zu einem unterschiedlichen Ergebnis: Nach der<br />
Bruttolohntheorie ist der ungekürzte Ersatzbetrag vom Bruttoeinkommen zu ermitteln <strong>und</strong> sodann der Schadensersatzanspruch<br />
um die Mitverschuldensquote zu kürzen. Nach der Nettolohntheorie ist hingegen vom<br />
Nettoeinkommen auszugehen, die Mitverschuldensquote abzuziehen <strong>und</strong> die auf diesen Betrag entfallende<br />
Einkommenssteuer dazu zu schlagen. Der sich nach der Bruttolohntheorie ergebende Betrag ist höher, weil<br />
der Einkommensteuertarif progressiv ausgestaltet ist. Der BGH hat nach kontroverser Diskussion in der Literatur<br />
236 entschieden, dass in diesem Fall Ersatz nach der Nettolohntheorie zu leisten ist, weil nicht auszumachen<br />
ist, dass der Steuergesetzgeber dem Geschädigten durch die sich aufgr<strong>und</strong> der Steuerprogression ergebende<br />
geringere steuerliche Belastung einen Sondervorteil zukommen lassen wollte. Es hat deshalb bei der allgemeinen<br />
Regel zu bleiben, wonach eine geringere steuerliche Belastung dazu führt, dass sich die Ersatzpflicht<br />
des Schädigers reduziert. Ein solcher anrechnungspflichtiger Vorteil ist bei bloßer Anwendung der Bruttolohntheorie<br />
aber nicht auszumachen. 237 Er wird erst dann deutlich, wenn man das Ergebnis mit dem der Nettolohntheorie<br />
vergleicht.<br />
Anzuwenden ist auf die Ersatzleistung die Einkommensteuertabelle <strong>und</strong> nicht die Lohnsteuertabelle, auch<br />
wenn es sich um einen verletzten Arbeitnehmer handelt. 238 Das ist deshalb bedeutsam, weil der Geschädigte<br />
nach der Verletzung keine Einkünfte aus unselbständiger Beschäftigung bezieht, so dass er die Steuerabzugsposten,<br />
die ihm als Arbeitnehmer zustehen, nicht in Anspruch nehmen kann. Bei selbständigen Unternehmern<br />
ist zu beachten, dass manche von ihnen zwar bei ihrem Erwerbseinkommen Umsatz- <strong>und</strong> Gewerbesteuer<br />
abführen müssen, diese beiden Steuern aber bei Auszahlung der Schadensersatzrente nicht anfallen, was zur<br />
Folge hat, dass insoweit der Ersatzpflichtige entlastet wird. 239 Bedeutsam ist letztlich stets die Besteuerung<br />
des Jahreseinkommens; auch die Lohnsteuer ist bloß eine Vorauszahlung auf die jährlich geschuldete Einkommensteuer.<br />
240<br />
Komplikationen ergeben sich dann, wenn die verletzte Person verheiratet ist <strong>und</strong> der Ehepartner mehr – oder<br />
auch weniger – verdient als der Verletzte. In diesem Fall ist <strong>für</strong> die Ermittlung der vom Schädiger zu tragenden<br />
226 OLG München VersR 2005, 1150: Abschließende<br />
Regelung mit Verweis auf modifizierte Nettolohntheorie<br />
unter Ausklammerung der Rentenversicherungsbeiträge;<br />
keine Nachforderung der Beiträge zur Kranken-<br />
<strong>und</strong> Pflegeversicherung.<br />
227 Erman/Schiemann, § 842 Rn 5.<br />
228 = NJW 1995, 389 = LM § 249 (Ha) BGB Nr. 51 (Rüßmann)<br />
= JZ 1995, 403 (Lange); dazu Hofmann, NZV<br />
1995, 94.<br />
229 BGH NJW 1999, 3711; NJW 1987, 814 = JZ 1987, 574<br />
(Laumen); Küppersbusch, Rn 130; MüKo/Wagner,<br />
§§ 842, 843 Rn 34; van Bühren/Jahnke, Teil 4 Rn 302;<br />
Rüßmann, Anm. zu § 249 (Ha) BGB Nr. 51 spricht<br />
davon, dass der Geschädigte „die Hosen herunterlassen“<br />
müsse.<br />
230 Lange, JZ 1995, 407.<br />
231 AA Luckey, VRR 2005, 364, 369: Darlegungs- <strong>und</strong><br />
Beweislast nach beiden Auffassungen gleich.<br />
232 BGHZ 127, 391 = NJW 1995, 389; MüKo/Wagner,<br />
§§ 842, 843 Rn 35; Erman/Schiemann, § 842 Rn 5;<br />
Pardey, Rn 2260.<br />
233 Langenick, NZV 2009, 257, 318, 320 f: Plädoyer <strong>für</strong><br />
die alleinige Geltung der Nettolohnmethode.<br />
234 Lange, JZ 1995, 406, 407.<br />
235 Küppersbusch, Rn 131.<br />
236 Wie der BGH Hofmann, NZV 1993, 139, 140; aA<br />
Kullmann, VersR 1993, 385, 389.<br />
237 Hofmann, NZV 1995, 94.<br />
238 BGH NJW-RR 1988, 149; Küppersbusch, Rn 129.<br />
239 BGH NJW 1987, 1814.<br />
240 Pardey, Rn 2273.<br />
Huber 4817<br />
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