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Dauner-Lieb - Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Wirtschaftsrecht und ...

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Ersatzpflicht bei Verletzung einer Person; Geldrente/Kapitalabfindung §§ 842, 843<br />

b) Keine übertrieben hohen Anforderungen an die Darlegungslast. Der Geschädigte muss <strong>für</strong> die<br />

Festsetzung der Rente möglichst konkrete Anknüpfungstatsachen vortragen. 369 Das Gericht hat aber sodann<br />

alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um daraus Anhaltspunkte <strong>für</strong> eine Rentenbemessung zu ermitteln. Ohne<br />

Vortrag solcher Tatsachen kommt es aber zur Abweisung des Begehrens. 370 Es ist aber festzustellen, dass der<br />

BGH dem Geschädigten stärker unter die Arme greift, als das früher der Fall war. Erkannt wird, dass es der<br />

Schädiger war, der den Geschädigten in die missliche Lage von Prognoseschwierigkeiten gebracht hat, so dass<br />

diese im Zweifel zulasten des Schädigers gehen müssen. 371 Wurde in der älteren Judikatur betont, dass auch<br />

eine Schätzung gem. § 287 ZPO nicht ins Blaue hinein erfolgen dürfe, 372 so wird der Tatrichter vom BGH<br />

nunmehr in vielen Fällen darauf hingewiesen, dass er den Sachvortrag nicht voll ausgeschöpft habe. 373 Zwar<br />

dürfe nicht die Zubilligung eines Mindestschadens ohne konkrete Anhaltspunkte erfolgen; an die Darlegung<br />

konkreter Anhaltspunkte dürfen aber auch keine zu hohen Anforderungen gestellt werden. 374 Wenn sich der<br />

Geschädigte in seinem Vortrag nur auf eine bestimmte Erwerbstätigkeit berufen habe, deren Ausübung der<br />

Tatrichter auch ohne Unfall <strong>für</strong> nicht ausreichend wahrscheinlich erachtet hatte, so müsse er auch ohne Parteienvortrag<br />

prüfen, ob nicht andere Erwerbsalternativen in Betracht gekommen wären. 375 Selbst bei einem<br />

lückenhaften Vortrag darf das Begehren solange nicht vollständig abgewiesen werden, solange greifbare<br />

Anhaltspunkte <strong>für</strong> eine Schätzung vorhanden sind. 376 Werde eine Person in einem frühen Stadium aus ihrer<br />

Erwerbsbiografie geworfen, dürfe sich der Tatrichter nicht vorschnell unter Hinweis auf die Unsicherheit<br />

möglicher Prognosen seiner Aufgabe entziehen <strong>und</strong> vom Misserfolg einer Tätigkeit ausgehen; vielmehr müsse<br />

er einen durchschnittlichen Erfolg zugr<strong>und</strong>e legen. 377 Immer noch bestehende Unsicherheiten könnten darüber<br />

hinaus durch Abschläge berücksichtigt werden. 378<br />

Der BGH betont zwar in solchen Fällen, dass ihm bei einer derartigen Schätzung nach § 287 ZPO nur eine<br />

eingeschränkte Überprüfungsmöglichkeit offenstehe <strong>und</strong> er diese nur wahrnehme, wenn <strong>Recht</strong>sgr<strong>und</strong>sätze der<br />

Schadensbemessung verkannt worden, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht geblieben oder der<br />

Schätzung unrichtige Maßstäbe zugr<strong>und</strong>e gelegt worden seien. 379 Bei dieser – zumindest rhetorisch – auferlegten<br />

Selbstbeschränkung ist es dann erstaunlich, in wie vielen Fällen in jüngerer Zeit der BGH den Untergerichten<br />

die Leviten gelesen hat <strong>und</strong> es zu einer Zurückverweisung gekommen ist. Wenn ein Tatrichter einen<br />

Erwerbsschaden ablehnt, ohne sich auf ein Sachverständigengutachten zu stützen 380 oder sich über ein solches<br />

ohne Ausweis eigener Sachk<strong>und</strong>e hinwegsetzt, 381 ist die Gefahr bzw Chance, dass ein solch abweisendes Urteil<br />

vor dem BGH keinen Bestand hat, besonders groß. 382<br />

c) Zwei besonders problemträchtige Fallgruppen. aa) Selbständig Erwerbstätiger, insbesondere<br />

kurz nach Beginn der unternehmerischen Tätigkeit. Bei selbständig Erwerbstätigen kommt es vor, dass<br />

diese nach der erlittenen Verletzung ins Bodenlose abstürzen <strong>und</strong> ihr Dasein von der Sozialhilfe bestreiten.<br />

Gerade weil der Erfolg ihres Unternehmens in besonders hohem Maße vom Arbeitskrafteinsatz des Betreibers<br />

abhängig ist, führt die Verletzung des Unternehmensinhabers nicht selten zur Insolvenz. 383 Wenn ein solcher<br />

369 BGH NJW 2011, 1145 = VRR 2011, 142 (Luckey) =<br />

JurisPR-BGHZivilR 2011/3 Anm. 2 (Ebert) mit<br />

Besprechungsaufsatz Ch. Huber, HAVE 2011, 253 ff<br />

sowie Stellungnahme zur VorE des OLG Frankfurt/M.<br />

BeckRS 2010, 20201; Langenick, NZV 2009, 257 ff;<br />

318 ff; NJW 2010, 1532 = jurisPR-VerkR 14/2010<br />

Anm. 2 (H. Lang) = SVR 2010, 462 (J. Lang); NJW<br />

1998, 1633; OLG München BeckRS 2010, 10686 =<br />

jurisPR-VerkR 2010/13 Anm. 3 (H. Lang).<br />

370 BGHZ 173, 169 = r+s 2007, 478 = zfs 2007, 681<br />

(Diehl) = VRR 2007, 466 (Zorn): Abweisung des<br />

Regressanspruchs eines Sozialversicherungsträgers<br />

nach § 179 Abs. 1 a SGB VI, der § 116 SGB X nachgebildet<br />

ist, nachdem bei Beschäftigung einer schwer<br />

verletzten 19-jährigen in einer Behindertenwerkstätte<br />

nicht einmal Mindesttatsachen vorgetragen worden<br />

sind. Offenbar ging es um die Frage, ob ein originärer<br />

Anspruch des Sozialversicherungsträgers gegeben ist<br />

oder ein solcher des Verletzten, der im Weg der Legalzession<br />

auf den Sozialversicherungsträger übergeleitet<br />

wird.<br />

371 Staudinger/Vieweg, § 842 Rn 22.<br />

372 BGH NJW-RR 1991, 470; NJW 1988, 3016; NJW-RR<br />

1988, 534.<br />

373 BGH NJW-RR 1992, 852.<br />

374 BGH NZV 2002, 268; NJW 1995, 2227; NJW 1993,<br />

2673; Bamberger/Roth/Spindler (18. Edition), § 842<br />

Rn 3; MüKo/Wagner, §§ 842, 843 Rn 20.<br />

375 BGH NJW 2011, 1148 (Schiemann) = SVR 2011, 64<br />

(Luckey) mit Besprechungsaufsatz Ch. Huber, HAVE<br />

2011, 253 ff; BGH NJW 1997, 938; NJW 1995, 1023.<br />

376 BGH NJW 2002, 292.<br />

377 BGH NJW 2011, 1148 (Schiemann) = SVR 2011, 64<br />

(Luckey) mit Besprechungsaufsatz Ch. Huber, HAVE<br />

2011, 253 ff; BGH NJW 2000, 3287; NJW 1998, 1633.<br />

378 BGH NJW 2011, 1148 (Schiemann) = SVR 2011, 64<br />

(Luckey) mit Besprechungsaufsatz Ch. Huber, HAVE<br />

2011, 253 ff; BGH NJW 2011, 1148 (Schiemann) =<br />

SVR 2011, 64 (Luckey) mit Besprechungsaufsatz Ch.<br />

Huber, HAVE 2011, 253 ff: 20 % wegen des Arbeitsplatzrisikos<br />

eines Kommunikationstechnikers; NJW<br />

1999, 136; NJW 1998, 1634.<br />

379 BGH NJW 2011, 1145 = VRR 2011, 142 (Luckey) =<br />

JurisPR-BGHZivilR 2011/3 Anm. 2 (Ebert); NJW<br />

2011, 1148 (Schiemann) = SVR 2011, 64 (Luckey);<br />

jeweils mit Besprechungsaufsatz Ch. Huber, HAVE<br />

2011, 253 ff; NJW 1995, 2227; BGHZ 102, 322 = NJW<br />

1988, 1935; BGHZ 92, 85 = NJW 1984, 2282.<br />

380 BGH NJW-RR 1988, 534.<br />

381 BGH NJW 1988, 3016.<br />

382 BGH NJW 2011, 1145 = VRR 2011, 142 (Luckey) =<br />

JurisPR-BGHZivilR 2011/3 Anm. 2 (Ebert) mit<br />

Besprechungsaufsatz Ch. Huber, HAVE 2011, 253 ff.<br />

383 BGH NJW 1993, 2673.<br />

Huber 4827<br />

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