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Dauner-Lieb - Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Wirtschaftsrecht und ...

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Immaterieller Schaden § 253<br />

tung verschiedensten Einschränkungen ausgesetzt ist, so etwa einem Verzicht auf Alkohol, Nikotin, Sex,<br />

Sport, 516 Tanz u.a., wobei darauf hinzuweisen ist, dass manche dieser nicht ausübbaren Lustbarkeiten Folge<br />

der Erkrankung <strong>und</strong> nicht allein des Krankenhausaufenthalts sind. Jaeger/Luckey schlagen vor, diese<br />

Beschwernis in einer Größenordnung abzugelten, wie sie <strong>für</strong> nutzlos aufgewendete Urlaubszeit beim Pauschalreisevertrag<br />

nach § 651 f Abs. 2 anerkannt ist. Dieser Ansatz würde gewiss zu einem dramatischen<br />

Ansteigen der Beträge führen, wobei dann zu fragen ist, ob diese Molesten in einem vertretbaren Verhältnis<br />

zu den anderen Unannehmlichkeiten stehen, die der Verletzte ebenfalls hinzunehmen hat.<br />

Von der Phase der Heilung ist das Ergebnis nach Abschluss des Prozesses zu unterscheiden. Nicht immer lässt<br />

sich der Zustand wie ohne schädigendes Ereignis wiederherstellen. 517 Wie bei einem reparierten Fahrzeug<br />

besteht die Gefahr, dass nicht alle Gebrechen entdeckt bzw die entdeckten nicht fachgerecht behoben worden<br />

sind. Während beim Kfz-Sachschaden da<strong>für</strong> ein merkantiler Minderwert gebührt, ist eine Berücksichtigung<br />

solcher Unwägbarkeiten bei Verletzung einer Person bloß im Weg des Schmerzensgeldes möglich. 518<br />

c) Verletzung eines paarigen Organs. Wird ein paariges Organ beeinträchtigt, ist die Funktionsfähigkeit<br />

der betreffenden Person idR nur in geringem Ausmaß beeinträchtigt. Bei der Bemessung ist freilich zu berücksichtigen,<br />

dass die eminente Gefahr besteht, dass bei Verletzung des anderen paarigen Organs die jeweilige<br />

Funktion völlig ausfällt. 519 Es gilt nicht der Satz: Unter Blinden ist der Einäugige König; vielmehr sind<br />

bestimmte Aufgaben, etwa die Tiefenschärfe beim Sehen, nur dann in vollem Umfang gegeben, wenn beide<br />

paarige Organe intakt sind. Bei vorhandener Vorschädigung eines paarigen Organs 520 oder Schädigung beider<br />

paariger Organe ist zu beachten, dass das Schmerzensgeld wesentlich höher ausfallen muss als der doppelte<br />

Betrag bei Schädigung eines paarigen Organs. 521 Denn der Verlust beider Arme oder die Erblindung auf beiden<br />

Augen ist eine ungleich weitergehende Beeinträchtigung als das Doppelte bei Verlust eines Armes bzw der<br />

Sehfähigkeit eines Auges.<br />

d) Beeinträchtigungen des Aussehens. Bei Entstellungen <strong>und</strong> Narben hat das Schmerzensgeld höher<br />

auszufallen. 522 Dabei ist zu berücksichtigen, dass es Verletzungen gibt, wie etwa eine Beinamputation, mit<br />

der notwendigerweise eine Narbe verb<strong>und</strong>en ist <strong>und</strong> bei der der Funktionsverlust so schwer wiegt, dass dieser<br />

Narbe keine maßgebliche zusätzliche Bedeutung mehr zukommt. 523 Darüber hinaus findet sich der Hinweis,<br />

dass eine Narbe oder Entstellung insbesondere bei Mädchen oder jungen Frauen ins Gewicht fällt, weil dadurch<br />

die Partnersuche erschwert wird. 524 Jaeger/Luckey 525 weisen demgegenüber darauf hin, dass jedermann bzw<br />

jedefrau unabhängig vom Alter das <strong>Recht</strong> habe, <strong>für</strong> derartige Entstellungen angemessen entschädigt zu werden.<br />

Im Ausgangspunkt ist das zutreffend. Freilich werden die Auswirkungen unterschiedlich weitreichend sein,<br />

ob es sich um einen jüngeren Menschen handelt, der noch einen Partner <strong>für</strong> das Leben oder doch einen<br />

Lebensabschnitt sucht, oder eine ältere Person, die einen solchen schon gef<strong>und</strong>en hat oder nicht mehr sucht.<br />

Hinzu kommt, dass Entstellungen <strong>für</strong> viele auch <strong>für</strong> das berufliche Fortkommen hinderlich sind, was bei<br />

Personen, die nicht mehr im Berufsleben stehen, naturgemäß nicht den gleichen Stellenwert hat. Zutreffend<br />

ist freilich uneingeschränkt, dass <strong>für</strong> eine Beeinträchtigung des Aussehens eine Entschädigung unabhängig<br />

vom Geschlecht gebührt. 526 Eine Narbe wirkt sich in unterschiedlichem Ausmaß auf die Höhe des Schmerzensgeldes<br />

aus, je nach dem, ob sie in unbekleidetem Zustand sichtbar ist oder nicht. 527 Soweit Entstellungen<br />

bei – missglückten – kosmetischen Operationen zurückbleiben, war die <strong>Recht</strong>sprechung bei der Bemessung<br />

eines Schmerzensgeldes bisher zurückhaltend. 528<br />

e) Lebensalter, insbesondere bei einem Dauerschaden. Welche Bedeutung das Lebensalter <strong>für</strong> die<br />

Bemessung des Schmerzensgeldes bei einem Dauerschaden hat, wird völlig konträr beurteilt. Einerseits wird<br />

516 OLG Stuttgart NJOZ 2010, 1374: Joggen <strong>und</strong> Skifahren;<br />

OLG Brandenburg NJW-RR 2010, 538: Beeinträchtigung<br />

bei altersgerechter Sportausübung eines<br />

17-jährigen; OLG München OLGR Süd 47/2010<br />

Anm. 6: bei 46-Jähriger Vereitelung von Tennis spielen,<br />

Rad fahren, Reiten.<br />

517 OLG Oldenburg NJW-RR 2007, 1468: Sterilisation<br />

kann bei einer Frau nicht rückgängig gemacht werden.<br />

518 OLG Saarbrücken SVR 2006, 179 (Luckey); Steffen,<br />

in: FS Odersky (1996) S. 723.<br />

519 OLG Koblenz NJW-RR 2004, 1025: Verlust eines<br />

Auges; OLG Brandenburg MDR 2010, 1324: Funktionsuntüchtigkeit<br />

eines Hodens; OLG Frankfurt/M.<br />

NZV 2011, 39: Ausfall einer Niere.<br />

520 So in OLG Nürnberg NJOZ 2006, 1674: Verlust der<br />

Sehfähigkeit auf einem Auge ohne Verantwortlichkeit<br />

des Schädigers.<br />

521 OLG Karlsruhe NJOZ 2008, 2031: Verantwortlichkeit<br />

des Schädigers <strong>für</strong> Verlust der letzten 30 % der Sehkraft<br />

eines Auges nach Verlust der Sehkraft des anderen<br />

Auges.<br />

522 Jaeger/Luckey, Rn 1083 ff.<br />

523 Jaeger/Luckey, Rn 1086.<br />

524 OLG Frankfurt/M. DAR 1994, 119; KG VersR 1992,<br />

974; OLG Köln VersR 1990, 434; Küppersbusch,<br />

Rn 277; Bamberger/Roth/Spindler (18. Edition), § 253<br />

Rn 30.<br />

525 Jaeger/Luckey, Rn 1097.<br />

526 In diesem Sinn wohl auch MüKo/Oetker, § 253 Rn 40.<br />

527 OLG Saarbrücken SVR 2006, 179 (Luckey): Mittlerer<br />

bis oberer Rückenbereich, selbst im unbekleideten<br />

Zustand im Schwimmbad nicht besonders auffällig.<br />

528 Kritisch Jaeger, VersR 2006, 1509, 1510.<br />

Huber 199<br />

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