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Dauner-Lieb - Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Wirtschaftsrecht und ...

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127<br />

128<br />

§ 253 Abschnitt 1 | Inhalt der Schuldverhältnisse<br />

verlangt hat, dessen Höhe er womöglich zusätzlich in das Ermessen des Gerichts gestellt hat. 683 Auch wenn<br />

der BGH 684 dazu nicht abschließend Stellung genommen hat, hat er seine Position deutlich zu erkennen gegeben,<br />

indem er ausgesprochen hat, „wo<strong>für</strong> viel spricht“, dass eine Schmerzensgeldrente einen diesbezüglichen<br />

Antrag voraussetzt, 685 was unter Bezugnahme auf § 308 ZPO begründet wird. 686 ME hat letztere Auffassung<br />

gute Gründe <strong>für</strong> sich, wobei erwägenswert wäre, das Gericht nach § 139 ZPO zu verpflichten, den Verletzten<br />

über die Wahlmöglichkeit aufzuklären.<br />

Nothoff 687 hat es unternommen, die bisherige Judikatur in Fallgruppen zusammenzufassen, bei denen der<br />

Zuspruch einer Schmerzensgeldrente erfolgte. Im Vordergr<strong>und</strong> stehen besonders schwere Dauerschäden, 688<br />

wie insbesondere der Verlust eines der fünf Sinne, 689 Verlust oder Lähmung von Gliedmaßen, 690 Hirnschädigungen,<br />

691 schwere Entstellungen, Harninkontinenz <strong>und</strong>/oder Impotenz. 692 Eine geringere Rolle spielen<br />

demgegenüber die Konstellationen der Nichtabsehbarkeit der Entwicklung von Dauerschäden 693 sowie<br />

schlechte wirtschaftliche Verhältnisse des Schädigers.<br />

Halm/Scheffler 694 haben demgegenüber herausgearbeitet, wann die Voraussetzungen <strong>für</strong> eine Schmerzensgeldrente<br />

gerade nicht gegeben sind: Neben der fehlenden Schwere der Verletzung soll es die fehlende<br />

Genugtuung bei empfindungsunfähigen Verletzten sein. 695 Das wird damit begründet, dass in solchen Fällen<br />

der Geschädigte seine Verletzung nicht immer wieder als schmerzlich empfinde. Diese häufig wiederkehrende<br />

Standardphrase 696 ist indes wenig überzeugend. Es handelt sich dabei mE deshalb um eine Leerformel, weil<br />

die stets aufs Neue schmerzliche Empfindung bei jedem Dauerschaden gegeben sein wird. Die allgemeine<br />

Be<strong>für</strong>chtung, dass bei einem minderjährigen Verletzten die Eltern das Schmerzensgeld nicht widmungsgemäß<br />

verwenden würden, 697 sowie die Gefahr einer Entwertung durch Inflation werden nicht als anerkennenswerte<br />

Gründe <strong>für</strong> die Zubilligung einer Schmerzensgeldrente anerkannt.<br />

In der Praxis haben sich bestimmte Eckpunkte herausgebildet, bei denen von der Zuerkennung einer Schmerzensgeldrente<br />

Abstand genommen wird. Wenn das Schmerzensgeld in Kapitalform weniger als 100.000 EUR<br />

beträgt bzw die allgemeine Erwerbsminderung weniger als 40 % ausmacht, sind das Indizien da<strong>für</strong>, dass kein<br />

schwerer Dauerschaden gegeben ist. 698 Desgleichen soll die monatliche Schmerzensgeldrente nicht weniger<br />

als 50 EUR 699 betragen, weil der Verletzte nur dann den Rentenbetrag <strong>für</strong> die Finanzierung von Annehmlichkeiten<br />

<strong>und</strong> Erleichterungen als ins Gewicht fallend empfinden kann. 700 Dies führt dazu, dass die Zubilligung<br />

einer Schmerzensgeldrente bei älteren Verletzten eher nicht in Betracht kommt. 701<br />

683 Da<strong>für</strong> Wussow/Kürschner, Kap. 54 Rn 43; MüKo/<br />

Oetker, § 253 Rn 58.<br />

684 BGH NJW 1998, 3411.<br />

685 So ausdrücklich OLG Koblenz VersR 2010, 1452.<br />

686 OLG Schleswig VersR 1992, 462; Palandt/Grüneberg,<br />

§ 253 Rn 24; Bamberger/Roth/Spindler (18. Edition),<br />

§ 253 Rn 67; van Bühren/Jahnke, Teil 4 Rn 257;<br />

Geigel/Pardey, Kap. 7 Rn 19, 26.<br />

687 Nothoff, VersR 2003, 966, 968 f.<br />

688 BGH NJWE-VHR 1999, 141; NJW 1994, 1592; OLG<br />

Brandenburg DAR 2008, 520 = jurisPR-VerkR 4/2008<br />

Anm. 2 (Jahnke); Küppersbusch, Rn 298; Jaeger/<br />

Luckey, Rn 125; einschränkend OLG Düsseldorf SP<br />

2001, 200: Sofern sich der Verletzte nicht daran<br />

gewöhnt hat; zu <strong>Recht</strong> kritisch dazu Jaeger/Luckey,<br />

Rn 130.<br />

689 OLG Karlsruhe NJOZ 2008, 2031; OLG Frankfurt/M.<br />

SP 2008, 12; OLG Jena zfs 1999, 419; OLG Hamm<br />

VersR 1996, 756: Erblindung; OLG Köln VersR 1980,<br />

434: Taubwerden; BGH NJW 1976, 1147: Verlust des<br />

Geruchs- <strong>und</strong> Geschmackssinns; hingewiesen hat der<br />

BGH darauf, dass die im Unfallzeitpunkt 15-jährige<br />

Verletzte deshalb niemals eine perfekte Hausfrau werden<br />

könne, was man heutzutage wohl als weniger gravierend<br />

einstufen würde; kritisch dazu Jaeger/<br />

Luckey, Rn 126; auch wenn im Laufe der Entscheidung<br />

nur noch vom Geruchs- <strong>und</strong> Geschmackssinn die Rede<br />

ist, erlitt die Verletzte im konkreten Fall zusätzlich eine<br />

dauerhafte erhebliche Beeinträchtigung der Gehirnfunktion.<br />

690 OLG Köln VersR 1999, 624: Lähmung der Beine; OLG<br />

Frankfurt/M. VersR 1995, 505: Amputation beider<br />

Unterschenkel.<br />

210 Huber<br />

691 BGHZ 120, 1 = NJW 1993, 781 (Deutsch) = LM BGB<br />

§ 847 Nr. 89 (Schmidt-Salzer) = VersR 1993, 893<br />

(Gaisbauer) = JZ 1993, 516 (Giesen); OLG Hamm zfs<br />

2005, 122 (Diehl); OLG München VersR 1992, 508.<br />

692 OLG Hamm VersR 1988, 1181.<br />

693 OLG Hamburg: NJW 1990, 2322: Ansteckung mit<br />

HIV, noch kein Ausbruch der Krankheit, Unabsehbarkeit,<br />

wie lange ein Leben zwar in Furcht vor dem Ausbruch,<br />

aber ohne nennenswerte Beschwerden möglich<br />

sein wird; ebenso Bamberger/Roth/Spindler (18. Edition),<br />

§ 253 Rn 66; vgl auch OLG Hamm SP 2001, 267:<br />

Ablehnung einer Schmerzensgeldrente, weil die Verletzte<br />

im Unfallzeitpunkt bereits 70 Jahre alt <strong>und</strong> der<br />

Heilungsverlauf weitgehend abgeschlossen war.<br />

694 Halm/Scheffler, DAR 2004, 71, 73 f.<br />

695 OLG Bremen OLGR 1995, 50; MüKo/Oetker, § 253<br />

Rn 58.<br />

696 BGH NJWE-VHR 1996, 141; OLG Brandenburg r+s<br />

2006, 260; OLG Köln NJW-RR 2002, 1039; MüKo/<br />

Oetker, § 253 Rn 58.<br />

697 So aber Wussow/Kürschner, Kap. 54 Rn 41.<br />

698 Geigel/Pardey, Kap. 7 Rn 20.<br />

699 Vorsichtiger Heß/Burmann, NJW-Spezial 2005, 207:<br />

25–50 EUR; Diehl, zfs 2007, 10, 13. Deutlich mehr als<br />

50 EUR.<br />

700 Geigel/Pardey, Kap. 7 Rn 20; OLG Brandenburg r+s<br />

2006, 260; OLG Düsseldorf VersR 1997, 65; <strong>für</strong> eine<br />

Anhebung auf 100 EUR Jahnke, r+s 2006, 228, freilich<br />

ohne sachliche Begründung; maßgeblich ist, dass es<br />

um einen 3-stelligen Betrag gehe.<br />

701 OLG Thüringen zfs 1999, 419.

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