Dauner-Lieb - Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Wirtschaftsrecht und ...
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§ 253 Abschnitt 1 | Inhalt der Schuldverhältnisse<br />
verlangt hat, dessen Höhe er womöglich zusätzlich in das Ermessen des Gerichts gestellt hat. 683 Auch wenn<br />
der BGH 684 dazu nicht abschließend Stellung genommen hat, hat er seine Position deutlich zu erkennen gegeben,<br />
indem er ausgesprochen hat, „wo<strong>für</strong> viel spricht“, dass eine Schmerzensgeldrente einen diesbezüglichen<br />
Antrag voraussetzt, 685 was unter Bezugnahme auf § 308 ZPO begründet wird. 686 ME hat letztere Auffassung<br />
gute Gründe <strong>für</strong> sich, wobei erwägenswert wäre, das Gericht nach § 139 ZPO zu verpflichten, den Verletzten<br />
über die Wahlmöglichkeit aufzuklären.<br />
Nothoff 687 hat es unternommen, die bisherige Judikatur in Fallgruppen zusammenzufassen, bei denen der<br />
Zuspruch einer Schmerzensgeldrente erfolgte. Im Vordergr<strong>und</strong> stehen besonders schwere Dauerschäden, 688<br />
wie insbesondere der Verlust eines der fünf Sinne, 689 Verlust oder Lähmung von Gliedmaßen, 690 Hirnschädigungen,<br />
691 schwere Entstellungen, Harninkontinenz <strong>und</strong>/oder Impotenz. 692 Eine geringere Rolle spielen<br />
demgegenüber die Konstellationen der Nichtabsehbarkeit der Entwicklung von Dauerschäden 693 sowie<br />
schlechte wirtschaftliche Verhältnisse des Schädigers.<br />
Halm/Scheffler 694 haben demgegenüber herausgearbeitet, wann die Voraussetzungen <strong>für</strong> eine Schmerzensgeldrente<br />
gerade nicht gegeben sind: Neben der fehlenden Schwere der Verletzung soll es die fehlende<br />
Genugtuung bei empfindungsunfähigen Verletzten sein. 695 Das wird damit begründet, dass in solchen Fällen<br />
der Geschädigte seine Verletzung nicht immer wieder als schmerzlich empfinde. Diese häufig wiederkehrende<br />
Standardphrase 696 ist indes wenig überzeugend. Es handelt sich dabei mE deshalb um eine Leerformel, weil<br />
die stets aufs Neue schmerzliche Empfindung bei jedem Dauerschaden gegeben sein wird. Die allgemeine<br />
Be<strong>für</strong>chtung, dass bei einem minderjährigen Verletzten die Eltern das Schmerzensgeld nicht widmungsgemäß<br />
verwenden würden, 697 sowie die Gefahr einer Entwertung durch Inflation werden nicht als anerkennenswerte<br />
Gründe <strong>für</strong> die Zubilligung einer Schmerzensgeldrente anerkannt.<br />
In der Praxis haben sich bestimmte Eckpunkte herausgebildet, bei denen von der Zuerkennung einer Schmerzensgeldrente<br />
Abstand genommen wird. Wenn das Schmerzensgeld in Kapitalform weniger als 100.000 EUR<br />
beträgt bzw die allgemeine Erwerbsminderung weniger als 40 % ausmacht, sind das Indizien da<strong>für</strong>, dass kein<br />
schwerer Dauerschaden gegeben ist. 698 Desgleichen soll die monatliche Schmerzensgeldrente nicht weniger<br />
als 50 EUR 699 betragen, weil der Verletzte nur dann den Rentenbetrag <strong>für</strong> die Finanzierung von Annehmlichkeiten<br />
<strong>und</strong> Erleichterungen als ins Gewicht fallend empfinden kann. 700 Dies führt dazu, dass die Zubilligung<br />
einer Schmerzensgeldrente bei älteren Verletzten eher nicht in Betracht kommt. 701<br />
683 Da<strong>für</strong> Wussow/Kürschner, Kap. 54 Rn 43; MüKo/<br />
Oetker, § 253 Rn 58.<br />
684 BGH NJW 1998, 3411.<br />
685 So ausdrücklich OLG Koblenz VersR 2010, 1452.<br />
686 OLG Schleswig VersR 1992, 462; Palandt/Grüneberg,<br />
§ 253 Rn 24; Bamberger/Roth/Spindler (18. Edition),<br />
§ 253 Rn 67; van Bühren/Jahnke, Teil 4 Rn 257;<br />
Geigel/Pardey, Kap. 7 Rn 19, 26.<br />
687 Nothoff, VersR 2003, 966, 968 f.<br />
688 BGH NJWE-VHR 1999, 141; NJW 1994, 1592; OLG<br />
Brandenburg DAR 2008, 520 = jurisPR-VerkR 4/2008<br />
Anm. 2 (Jahnke); Küppersbusch, Rn 298; Jaeger/<br />
Luckey, Rn 125; einschränkend OLG Düsseldorf SP<br />
2001, 200: Sofern sich der Verletzte nicht daran<br />
gewöhnt hat; zu <strong>Recht</strong> kritisch dazu Jaeger/Luckey,<br />
Rn 130.<br />
689 OLG Karlsruhe NJOZ 2008, 2031; OLG Frankfurt/M.<br />
SP 2008, 12; OLG Jena zfs 1999, 419; OLG Hamm<br />
VersR 1996, 756: Erblindung; OLG Köln VersR 1980,<br />
434: Taubwerden; BGH NJW 1976, 1147: Verlust des<br />
Geruchs- <strong>und</strong> Geschmackssinns; hingewiesen hat der<br />
BGH darauf, dass die im Unfallzeitpunkt 15-jährige<br />
Verletzte deshalb niemals eine perfekte Hausfrau werden<br />
könne, was man heutzutage wohl als weniger gravierend<br />
einstufen würde; kritisch dazu Jaeger/<br />
Luckey, Rn 126; auch wenn im Laufe der Entscheidung<br />
nur noch vom Geruchs- <strong>und</strong> Geschmackssinn die Rede<br />
ist, erlitt die Verletzte im konkreten Fall zusätzlich eine<br />
dauerhafte erhebliche Beeinträchtigung der Gehirnfunktion.<br />
690 OLG Köln VersR 1999, 624: Lähmung der Beine; OLG<br />
Frankfurt/M. VersR 1995, 505: Amputation beider<br />
Unterschenkel.<br />
210 Huber<br />
691 BGHZ 120, 1 = NJW 1993, 781 (Deutsch) = LM BGB<br />
§ 847 Nr. 89 (Schmidt-Salzer) = VersR 1993, 893<br />
(Gaisbauer) = JZ 1993, 516 (Giesen); OLG Hamm zfs<br />
2005, 122 (Diehl); OLG München VersR 1992, 508.<br />
692 OLG Hamm VersR 1988, 1181.<br />
693 OLG Hamburg: NJW 1990, 2322: Ansteckung mit<br />
HIV, noch kein Ausbruch der Krankheit, Unabsehbarkeit,<br />
wie lange ein Leben zwar in Furcht vor dem Ausbruch,<br />
aber ohne nennenswerte Beschwerden möglich<br />
sein wird; ebenso Bamberger/Roth/Spindler (18. Edition),<br />
§ 253 Rn 66; vgl auch OLG Hamm SP 2001, 267:<br />
Ablehnung einer Schmerzensgeldrente, weil die Verletzte<br />
im Unfallzeitpunkt bereits 70 Jahre alt <strong>und</strong> der<br />
Heilungsverlauf weitgehend abgeschlossen war.<br />
694 Halm/Scheffler, DAR 2004, 71, 73 f.<br />
695 OLG Bremen OLGR 1995, 50; MüKo/Oetker, § 253<br />
Rn 58.<br />
696 BGH NJWE-VHR 1996, 141; OLG Brandenburg r+s<br />
2006, 260; OLG Köln NJW-RR 2002, 1039; MüKo/<br />
Oetker, § 253 Rn 58.<br />
697 So aber Wussow/Kürschner, Kap. 54 Rn 41.<br />
698 Geigel/Pardey, Kap. 7 Rn 20.<br />
699 Vorsichtiger Heß/Burmann, NJW-Spezial 2005, 207:<br />
25–50 EUR; Diehl, zfs 2007, 10, 13. Deutlich mehr als<br />
50 EUR.<br />
700 Geigel/Pardey, Kap. 7 Rn 20; OLG Brandenburg r+s<br />
2006, 260; OLG Düsseldorf VersR 1997, 65; <strong>für</strong> eine<br />
Anhebung auf 100 EUR Jahnke, r+s 2006, 228, freilich<br />
ohne sachliche Begründung; maßgeblich ist, dass es<br />
um einen 3-stelligen Betrag gehe.<br />
701 OLG Thüringen zfs 1999, 419.