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Dauner-Lieb - Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Wirtschaftsrecht und ...

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§§ 842, 843 Abschnitt 8 | Einzelne Schuldverhältnisse<br />

Folge ist, dass die Leistung des Ersatzpflichtigen an einen von ihnen schuldbefreiende Wirkung hat <strong>und</strong> der<br />

von einem geschlossene Abfindungsvergleich auch den anderen bindet. 495<br />

Nur ausnahmsweise findet nach § 116 SGB X erst zu einem späteren Zeitpunkt ein Anspruchsübergang statt.<br />

Das ist gegeben, wenn das Sozialversicherungsverhältnis nach der Verletzung begründet wird. Dann ist darauf<br />

abzustellen, ob zu diesem Zeitpunkt eine Leistungspflicht ernsthaft in Betracht zu ziehen ist. 496 Darüber hinaus<br />

ist der Anspruchsübergang hinausgeschoben, wenn es im Rahmen der Sozialversicherung zu einer Systemänderung<br />

kommt, wenn also zwar im Zeitpunkt der Leistungserbringung die sachliche <strong>und</strong> zeitliche Kongruenz<br />

der betreffenden Sozialleistung zu bejahen ist, ein solcher Anspruch im Zeitpunkt der Verletzung aber noch<br />

nicht bestanden hat. 497 Eine bloß quantitative Ausweitung der Sozialleistung ist nicht als Systemänderung<br />

anzusehen; vielmehr muss es sich um eine qualitativ neue Anspruchskategorie handeln. 498 Dann beginnt auch<br />

erst ab diesem Zeitpunkt die Verjährungsfrist zu laufen. 499<br />

Besteht zwischen dem Verletzten, der Sozialleistungen empfängt, <strong>und</strong> dem Sozialversicherungsträger, der<br />

diese erbringt, kein Versicherungsverhältnis, ergeben sich Besonderheiten in Bezug auf den Zeitpunkt des<br />

Anspruchsübergangs. Bei einem schwer verletzten Studenten, der im Zeitpunkt der Verletzung (während seines<br />

Studiums) nicht sozialversichert war, erbrachte die B<strong>und</strong>esanstalt <strong>für</strong> Arbeit Rehabilitationsleistungen. Es<br />

stellte sich die Frage, ob ein Rückgriffsanspruch <strong>für</strong> sachlich <strong>und</strong> zeitlich kongruente Leistungen durch einen<br />

davor abgeschlossenen Abfindungsvergleich, in dem der Verletzte ausdrücklich angegeben hatte, von der<br />

B<strong>und</strong>esanstalt <strong>für</strong> Arbeit keine Leistungen zu erwarten, vereitelt wurde. Der BGH 500 entschied zugunsten der<br />

B<strong>und</strong>esanstalt <strong>für</strong> Arbeit, weil nach § 116 SGB X ein Anspruchsübergang – unabhängig vom Bestehen einer<br />

Sozialversicherungspflicht – zu dem Zeitpunkt anzunehmen sei, zu dem aufgr<strong>und</strong> der Schwere der Verletzung<br />

mit derartigen Leistungen zu rechnen sei, was im konkreten Fall zu bejahen war. 501 Auch eine schuldbefreiende<br />

Leistung des Haftpflichtversicherers an den Verletzten, weil dieser in Unkenntnis des Forderungsübergangs<br />

schuldbefreiend nach §§ 407 Abs. 1, 412 geleistet habe, wurde abgelehnt.<br />

Zusätzliche Probleme ergeben sich bei der Frage des <strong>Recht</strong>sübergangs des Sozialhilfeträgers. Auch diesem<br />

steht ein Regressanspruch nach § 116 SGB X zu. Seine Schutzwürdigkeit gegenüber Verfügungen des Verletzten<br />

zu seinen Lasten spricht <strong>für</strong> einen frühen Zeitpunkt des Anspruchsübergangs. Entsprechend den allgemeinen<br />

Regeln wäre das der Zeitpunkt, zu dem mit einer Leistungspflicht des Sozialhilfeträgers zu rechnen<br />

ist. 502 Allerdings ist der Gr<strong>und</strong>satz der Subsidiarität der Sozialhilfe gem. § 2 SGB XII zu beachten. 503 Danach<br />

ist ein Anspruch auf Sozialhilfe erst dann gegeben, wenn der Verletzte sich nicht selbst helfen kann. Das ist<br />

dann zu verneinen, wenn der Verletzte einen durchsetzbaren Anspruch gegen einen Dritten hat <strong>und</strong> der Dritte<br />

die Bereitschaft zur Regulierung erkennen lässt. 504 Insoweit könnte erst auf den Zeitpunkt abzustellen sein,<br />

zu dem der Sozialhilfeträger Leistungen tatsächlich erbringt.<br />

Der BGH 505 laviert zwischen diesen unterschiedlichen Zielsetzungen <strong>und</strong> trifft eine salomonische Mittellösung:<br />

Er nimmt einen Anspruchsübergang auf den Sozialhilfeträger gem. § 116 SGB X bereits in dem Zeitpunkt<br />

an, zu dem eine Inanspruchnahme der Sozialhilfe nicht ganz unwahrscheinlich ist, räumt dem Verletzten<br />

aber eine Einzugsermächtigung ein. Der Geschädigte kann den Anspruch im Wege der Prozessstandschaft<br />

einklagen. 506 Das bedeutet im Klartext, dass der Verletzte befugt ist, die Teile des Schadensersatzanspruchs<br />

einzuziehen, die ohne eine solche Maßnahme auf den Sozialversicherungsträger übergehen würden. Hat er<br />

bereits Sozialhilfe erhalten, kann er nur noch Leistung an den Sozialhilfeträger verlangen, ansonsten an sich<br />

selbst. 507 Von dieser Einziehungsermächtigung ist allerdings nicht gedeckt, dass der Verletzte auf diese<br />

Ansprüche verzichtet oder darüber einen Vergleich schließt.<br />

Der Ersatzpflichtige könnte von seiner Schadensersatzpflicht freilich trotzdem befreit sein, wenn er in<br />

Unkenntnis des Anspruchsübergangs gem. §§ 407 Abs. 1, 412 schuldbefreiend an den Verletzten geleistet hat.<br />

An eine solche Kenntnis stellt der BGH durchaus maßvolle Anforderungen. 508 Wenn der Ersatzpflichtige<br />

davon ausgehen musste, dass es infolge der Schwere der Verletzungen zu einer Inanspruchnahme des Sozi-<br />

495 H. Lang, jurisPR-VerkR 2009/17 Anm. 2.<br />

496 BGH NJW-RR 2009, 1534 = jurisPR-VerkR 17/2009<br />

Anm. 2 (H. Lang); BGH NJW 2008, 1162; BGHZ 133,<br />

129 = NJW 1996, 2508; BGHZ 127, 120 = NJW 1994,<br />

3097; Staudinger/Vieweg, § 843 Rn 91; Küppersbusch,<br />

Rn 590.<br />

497 BGH r+s 1999, 281; BGHZ 134, 381 = NJW 1997,<br />

1783; BGH VersR 1990, 1028; Küppersbusch, Rn 590;<br />

Staudinger/Vieweg, § 843 Rn 90.<br />

498 BGH BeckRS 2011, 09443 = VersR 2011, 775; BGH<br />

NJW 2006, 3565 = SVR 2007, 58 (J. Lang): Einführung<br />

des Anspruchs auf häusliche Pflege durch<br />

§§ 53 ff SGB V aF; Küppersbusch, Rn 591.<br />

499 BGH NJW 2008, 2776; NJW 2003, 1455.<br />

4836 Huber<br />

500 BGHZ 127, 120 = NJW 1994, 3097.<br />

501 Küppersbusch, Rn 709.<br />

502 BGH NJW 2006, 3565 = SVR 2007, 58 (J. Lang).<br />

503 Van Bühren/Jahnke, Teil 4 Rn 375; BGH VersR 1998,<br />

772.<br />

504 Küppersbusch, Rn 714.<br />

505 BGHZ 131, 274 = NJW 1996, 726 = LM § 116 SGB X<br />

Nr. 14 (Stolleis/Gorny) = JR 1997, 14 (Steinmeyer/<br />

Müller); bestätigt durch BGH NJW 2002, 1877.<br />

506 Staudinger/Vieweg, § 843 Rn 94.<br />

507 BGH NJW 2006, 3565 = SVR 2007, 58 (J. Lang);<br />

Küppersbusch, Rn 716.<br />

508 Van Bühren/Jahnke, Teil 4 Rn 376.

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