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Dauner-Lieb - Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Wirtschaftsrecht und ...

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Ersatzpflicht bei Verletzung einer Person; Geldrente/Kapitalabfindung §§ 842, 843<br />

keitsfeld nicht einsetzen kann. Es ist sodann zu prüfen, ob es einen zu seinem bisherigen Beruf vergleichbaren<br />

Referenzberuf gibt. Ist das der Fall, gebühren die Umschulungskosten <strong>für</strong> diesen, 307 wenn auf Dauer ein<br />

höherer Verdienstausfall abgewendet wird 308 bzw eine krisenfestere berufliche Stellung erreicht wird. 309 Nur<br />

wenn das nicht der Fall ist <strong>und</strong> lediglich die Ausbildung <strong>für</strong> einen höherwertigen Beruf in Betracht kommt,<br />

sind auch diese Kosten geschuldet. 310 Der Verletzte hält sich nicht immer an diese engen Vorgaben. Vielmehr<br />

will er im Rahmen der Neuorientierung seine persönlichen Neigungen berücksichtigt wissen. Sosehr das im<br />

Sozialrecht angemessen ist, führt das im Schadensrecht dazu, dass die womöglich höheren Rehabilitationskosten<br />

nur in dem Maß ersatzfähig sind, wie sie bei der Umschulung zu dem Beruf angefallen wären, der die<br />

größtmögliche Ähnlichkeit zu dem hat, der verletzungsbedingt nicht mehr ausgeübt werden kann. 311<br />

Gibt es aber keinen gleichwertigen Ersatzberuf, ist auch nach Schadensrecht eine Umschulung zu einem<br />

höherwertigen Beruf geschuldet. Erzielt der Verletzte in diesem dann ein höheres Einkommen, stellt sich die<br />

Frage, ob die Kosten der Umschulung damit verrechenbar sind. Der BGH 312 hat das mit dem Argument abgelehnt,<br />

dass der Mehrverdienst des Verletzten darauf zurückzuführen ist, dass dieser eine Tätigkeit ausübt, die<br />

vom Markt höher honoriert wird. 313 Das ist aber nur ein Teil der Wahrheit. Die ganze Wahrheit ist, dass der<br />

Verletzte diese höher entlohnte Arbeit nur deshalb verrichtet, weil eine vom Ersatzpflichtigen finanzierte<br />

Investition in sein Arbeitskraftpotenzial vorgenommen worden ist. Es wäre daher mE angemessen, eine Aufteilung<br />

des Mehrverdienstes vorzunehmen, mangels anderer Anhaltspunkte – etwa eine geringere oder größere<br />

zeitliche Beanspruchung oder Anstrengung des Verletzten – im Verhältnis 50:50. Dagegen kann auch nicht<br />

ins Treffen geführt werden, dass das dazu führen würde, dass niemals <strong>Recht</strong>sfrieden einkehrt <strong>und</strong> der Verletzte<br />

lebenslang Tribut leisten muss. Vielmehr ist eine solche Rückzahlungspflicht in der Weise zu begrenzen, dass<br />

eine Verrechnung dann ihr Ende findet, wenn die Umschulungskosten unter Berücksichtigung der Abzinsung<br />

in dem geschuldeten Ausmaß – im Zweifel 50 % – abbezahlt sind. Dem Verletzten wird damit kein ungebührliches<br />

Risiko auferlegt, ist er doch nur dann zu einer solchen Verrechnung verpflichtet, wenn er tatsächlich<br />

einen Mehrverdienst gegenüber dem Zustand ohne Schädigung erzielt. 314 In der Praxis würden sich Auswirkungen<br />

zudem im Regelfall nur beim Regress des Trägers der Arbeitsmarktverwaltung ergeben, wenn im<br />

Sozialrecht keine solche Rückzahlungspflicht gegeben wäre. Zudem stellt sich das Problem der zeitlichen<br />

Kongruenz. Die „Großzügigkeit“ des Sozialrechts kann aber nicht <strong>für</strong> das Schadensrecht maßgeblich sein,<br />

weil insoweit in Nuancen eben doch andere Gr<strong>und</strong>sätze maßgeblich sind. Der Streit um den ähnlichsten Referenzberuf<br />

wäre damit entschärft, weil der „investierende“ Haftpflichtversicherer seine Aufwendungen zurückerhielte,<br />

wenn das Konzept der Rehabilitation aufgeht.<br />

Darüber hinaus ist zu bedenken, dass es auch im Schadensrecht nicht allein um pekuniäre Interessen geht. Die<br />

Ausübung einer beruflichen Erwerbstätigkeit dient nicht nur dazu, Geld zu verdienen, sondern ist auch ein<br />

Hauptbetätigungsfeld des Menschen, in dem er Umgang mit anderen Menschen hat <strong>und</strong> durch seine Beschäftigung<br />

Erfüllung <strong>und</strong> Zufriedenheit findet. 315 Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> hat der Ersatzpflichtige im Rahmen der<br />

Verhältnismäßigkeit (§ 251 Abs. 2) auch <strong>für</strong> Aufwendungen einer solchen Umschulung aufzukommen, die<br />

womöglich mehr kostet als sie bringt, der Ersatzpflichtige per Saldo mit höheren Aufwendungen belastet ist,<br />

als der Verletzte dadurch an Einnahmen erzielt. Abzustellen ist somit nicht allein auf die Einkommensdifferenz<br />

zwischen dem ohne <strong>und</strong> mit Verletzung ausgeübten Beruf, sondern es sind zusätzliche Gesichtspunkte zu<br />

berücksichtigen, etwa, ob dem Geschädigten ein sozial gleichwertiger Beruf oder eine vollwertige berufliche<br />

Betätigung wie ohne Verletzung möglich ist, es sich um eine krisenfeste Stelle oder einen sozial gleichwertigen<br />

Beruf handelt, 316 ob er als ungelernte Kraft eingesetzt wird oder als solche mit einer Ausbildung. 317 Steht<br />

typischerweise bei der Finanzierung von Kosten der beruflichen Rehabilitation die Verminderung der finanziellen<br />

Belastung des Ersatzpflichtigen im Vordergr<strong>und</strong>, geht es insoweit auch um ideelle Interessen, die<br />

freilich im Rahmen der Naturalrestitution durchaus berücksichtigungswürdig sind. Insoweit spielen Aspekte<br />

der Beschäftigungstherapie 318 eine Rolle, die <strong>für</strong> die vermehrten Bedürfnisse kennzeichnend sind. Je größer<br />

der zeitliche Abstand zwischen dem ges<strong>und</strong>heitlich erreichbaren Endzustand <strong>und</strong> der Inangriffnahme einer<br />

Umschulung ist, umso schwerer ist die Ersatzfähigkeit im Schadensrecht zu begründen, wenngleich sie auch<br />

307 OLG Schleswig VersR 1991, 355; Küppersbusch,<br />

Rn 68; Pardey, Rn 2180; van Bühren/Jahnke, Teil 4<br />

Rn 426.<br />

308 BGH NJW 1982, 1638.<br />

309 BGH NJW-RR 1991, 854.<br />

310 BGH NJW 1982, 1638: Montageschlosser zu Nachrichtengerätetechniker;<br />

ebenso Soergel/Beater, § 842<br />

Rn 18.<br />

311 BGH NJW 1987, 2741: verletzter Kfz-Mechaniker<br />

wird umgeschult zum Zahntechniker, größere Ähnlichkeit<br />

wäre gegeben bei Radio- <strong>und</strong> Fernsehtechniker.<br />

312 BGH NJW 1987, 2741.<br />

313 Diese Entscheidung bloß referierend Staudinger/Vieweg,<br />

§ 842 Rn 25; Palandt/Sprau, § 842 Rn 5; Bamberger/Roth/Spindler<br />

(18. Edition),§ 842 Rn 11; Pardey,<br />

Rn 2180; van Bühren/Jahnke, Teil 4 Rn 427.<br />

314 So zu <strong>Recht</strong> OLG Nürnberg VersR 1991, 1256 mit dem<br />

Hinweis, dass keine Verrechnung mit einem bloß möglichen<br />

Mehrverdienst vorgenommen werden darf.<br />

315 Pardey, Rn 2178.<br />

316 BGH NJW-RR 1991, 854.<br />

317 BGH NJW 1982, 2321.<br />

318 Vgl dazu BGH NJW 1994, 131.<br />

Huber 4823<br />

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