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Dauner-Lieb - Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Wirtschaftsrecht und ...

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Ersatzpflicht bei Verletzung einer Person; Geldrente/Kapitalabfindung §§ 842, 843<br />

Deckung eines zusätzlichen Bedarfs, aber kein Vermögenstransfer geschuldet ist. Zu bedenken gilt es, dass<br />

ein solcher Mehrbedarf bis zum Lebensende geschuldet ist, die Sonderausstattung des Fahrzeugs wie dieses<br />

selbst aber eine begrenzte betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer hat. Daraus folgt, dass bei der jeweiligen<br />

Reinvestition die Mehrkosten abermals zu ersetzen sind, was durch einen Feststellungsantrag gesichert werden<br />

sollte, um bei einem solch vorhersehbaren Schaden einer späteren Verjährungseinrede zu begegnen. 1134 Neben<br />

solchen Anschaffungskosten kommen noch Betriebsmehrkosten dazu, wenn der Geschädigte verletzungsbedingt<br />

anstelle eines Großeinkaufs mehrere kleinere Einkäufe im Rahmen der Haushaltsführung tätigt 1135 oder<br />

nunmehr stärker auf das Auto angewiesen ist als früher, wobei allfällige Ersparnisse zu berücksichtigen<br />

sind. 1136<br />

Neben den Kosten <strong>für</strong> die behindertengerechte Ausgestaltung eines Fahrzeugs hat der BGH 1137 – mE zu<br />

Unrecht – die Kosten <strong>für</strong> eine behindertengerechte Ausstattung eines Motorrads versagt, obwohl der nunmehr<br />

Querschnittgelähmte vorgetragen hat, dass er vor dem Unfall sowohl einen Pkw als auch ein Motorrad benutzt<br />

hatte. Der BGH begründete dies damit, dass dadurch kein Mobilitätsgewinn eintrete <strong>und</strong> die entgangene Freude<br />

am Motorradfahren schon durch das Schmerzensgeld abgegolten sei. Unter den Mitgliedern des VI. Senats<br />

befindet sich offenbar kein Easy Rider, so dass das Dahinbrausen mit einem Motorrad als besonderes Glückgefühl<br />

nicht nachvollziehbar war. Der Ansatz ist abgesehen von der falschen Einordnung der behindertengerechten<br />

Ausgestaltung eines Fahrzeugs, um zur Arbeitsstätte zu gelangen, zu den vermehrten Bedürfnissen,<br />

während es sich in Wahrheit um einen Erwerbsschaden handelt, zu funktionalistisch. Soweit ein Teil der<br />

früheren Lebensführung – infolge einer technischen Neuerung, nämlich der behindertengerechten Ausgestaltung<br />

eines Motorrads <strong>für</strong> einen Querschnittgelähmten – möglich ist, sind die diesbezüglichen Aufwendungen<br />

bis zur Grenze der Unwirtschaftlichkeit ersatzfähig; nur sofern eine solche Restitution unterbleibt oder nicht<br />

gänzlich gelingt, sind die restlichen Unlustgefühle durch das Schmerzensgeld abzudecken. Der darauf entfallende<br />

Anteil macht zumeist einen verschwindend geringen Bruchteil im Verhältnis zu den Aufwendungen zur<br />

Herstellung der privaten Lebenssphäre wie ohne den Unfall aus. Da das Schmerzensgeld hier bereits abschließend<br />

festgelegt worden ist, hätte der Verletzte womöglich anbieten müssen, diesen Bruchteil zurückzuerstatten.<br />

2. Wohnbedarf. a) Qualitative <strong>und</strong> quantitative Dimension. Ähnlich wie beim Fahrzeug ist zu konstatieren,<br />

dass jede Person unabhängig von der Verletzung ihren Wohnbedarf zu decken hat. Es kann somit<br />

lediglich um den verletzungsbedingten Mehrbedarf gehen. Bei diesem ist eine qualitative <strong>und</strong> eine quantitative<br />

Dimension zu unterscheiden: 1138 Bei manchen Verletzungen ist es erforderlich, den bestehenden Wohnraum<br />

so herzurichten, dass Staffeln bei den Türen beseitigt <strong>und</strong> die Türen verbreitert sowie die Nassräume <strong>und</strong> die<br />

Küche behindertengerecht ausgestaltet werden 1139 <strong>und</strong> die Garage beheizt bzw ein Treppenlift 1140 eingebaut<br />

wird. Darüber hinaus kann es erforderlich sein, dass wegen der Verletzung zusätzlicher Wohnraum erforderlich<br />

ist, insbesondere dann, wenn ein Therapieraum oder ein Schwimmbad 1141 benötigt wird. 1142 Bei Kindern wird<br />

häufig ein zusätzlicher Raum angebaut oder gemietet; deren Kosten werden dann ersetzt verlangt. Dabei ist<br />

zu berücksichtigen, dass der Wohnbedarf typischerweise aus dem Erwerbseinkommen bezahlt wird. Eine<br />

Doppelliquidation über vermehrte Bedürfnisse <strong>und</strong> Erwerbsschaden ist insoweit zu vermeiden, als die<br />

Deckung des Wohnbedarfs bei den vermehrten Bedürfnissen nur insoweit in Betracht kommt, als dieser Bedarf<br />

beim Erwerbsschaden als Ersparnis berücksichtigt wird, freilich nur in dem Ausmaß, in dem tatsächlich eine<br />

Deckung des Wohnbedarfs erfolgt. 1143 Wird der Verletzte in einem Raum gepflegt, hätte er sich ohne Verletzung<br />

aus seinem Erwerbseinkommen aber eine 5-Zimmer-Wohnung geleistet, dürfen nur die Kosten <strong>für</strong> das<br />

eine Zimmer – zuzüglich der Kosten <strong>für</strong> die anteilige Nutzung von Küche <strong>und</strong> Nassräumen – als Ersparnis<br />

angerechnet werden. Das ist sowohl bei einer Rente als auch Kapitalabfindung zu berücksichtigen.<br />

b) Bedarfsdeckung, nicht Vermögenstransfer. Bei sämtlichen sachlichen Mehraufwendungen geht es<br />

bloß um die Deckung des Bedarfs, nicht aber um einen Vermögenstransfer. 1144 Auch bei künstlichen Gliedmaßen<br />

oder Krücken schuldet der Ersatzpflichtige nicht die Anschaffungskosten, sondern bloß die Bereitstellung<br />

des Gebrauchs. Während solche Utensilien aber relativ geringwertig sind, geht es bei der Schaffung<br />

1134 Ch. Huber, NZV 2005, 620.<br />

1135 BGH NJW-RR 1992, 792.<br />

1136 Pardey, Rn 1832, 1881 f; Staudinger/Vieweg, § 843<br />

Rn 23.<br />

1137 BGH NJW-RR 2004, 671 mit Besprechungsaufsatz<br />

Ch. Huber, NZV 2005, 620 ff.<br />

1138 OLG Stuttgart VersR 1998, 366; Pardey, Rn 1967.<br />

1139 OLG Stuttgart VersR 1998, 366.<br />

1140 OLG Frankfurt/M. DAR 1990, 181.<br />

1141 Für die Ersatzfähigkeit OLG Nürnberg VersR 1971,<br />

260; aA OGH VersR 1992, 259 mit Besprechungsaufsatz<br />

Ch. Huber, VersR 1992, 545 ff.<br />

1142 OLG Stuttgart VersR 1998, 366; ablehnend jedoch<br />

OLG Zweibrücken NJW-RR 2008, 620 mit Besprechungsaufsatz<br />

Ch. Huber, MedR 2008, 712 ff: Begehren<br />

Differenz zwischen 25 m 2 <strong>für</strong> normale Studentin<br />

<strong>und</strong> 60 m 2 <strong>für</strong> 19-Jährige mit schwerer Hirnschädigung;<br />

kein Erfahrungssatz, dass sonstige Studentin<br />

oder Schülerin nicht über eine Wohnfläche von<br />

60 m 2 verfüge. Statistisch ist das wohl anzuzweifeln!<br />

1143 Ch. Huber, r+s Sonderheft 2011, 34, 39.<br />

1144 Deshalb kritisch in Bezug auf die Kosten <strong>für</strong> ein<br />

Schwimmbad Pardey, Rn 1975.<br />

Huber 4879<br />

212a<br />

213<br />

214

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