Dauner-Lieb - Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Wirtschaftsrecht und ...
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243b<br />
§§ 842, 843 Abschnitt 8 | Einzelne Schuldverhältnisse<br />
ein Schlussstrich gezogen werden kann, eine eher untergeordnete Rolle spielen. 1387 Nehls 1388 ergänzt das um<br />
den Fall von Anspruchstellern, die sozialversicherungsrechtlich nicht abgesichert sind.<br />
Letzteres ist freilich mE mit dem Instrumentarium des Familienrechts zu bewältigen. 1389 Es bedarf diesbezüglich<br />
keines Schadensmanagements eines Versicherers, der unter Berufung auf Thomas von Aquin <strong>und</strong><br />
Einbeziehung der Moraltheologie auch gleich eine kirchliche Bank per Schleichwerbung ins Spiel<br />
bringt; 1390 dass Gelder <strong>für</strong> den Minderjährigen langfristig zu sichern sind, lässt sich genuin juristisch aus dem<br />
Gedanken der treuhänderischen Vermögensverwaltung mit der Bindung an das Kindeswohl ableiten; Anleihen<br />
der Theologie sind insoweit durchaus entbehrlich, wenn nicht fehl am Platz. Die Verwendungsgeb<strong>und</strong>enheit<br />
eines Kapitalbetrags ist unterschiedlich, je nachdem, ob es sich um das Schmerzensgeld handelt, bei dem eine<br />
Partizipation der Angehörigen diskutabel erscheint, während bei Heilungskosten <strong>und</strong> Erwerbsschaden eine<br />
strengere Zweckbindung anzunehmen ist. Pflegen die Angehörigen den Verletzten, ist der Betrag an die Pflegepersonen<br />
durchzureichen. 1391 Wenn die überwiegende Meinung die Ansicht vertritt, dass beide Eltern<br />
berechtigt sind, ohne Einschaltung des Familiengerichts rechtswirksam <strong>für</strong> den Minderjährigen einen Abfindungsvergleich<br />
zu schließen, 1392 so begegnet das Bedenken. 1393 Die Disposition über sämtliche künftigen<br />
Ansprüche stellt bei einem Minderjährigen im Sinn der §§ 1643, 1822 Nr. 1 im Regelfall wohl im Wesentlichen<br />
sein Vermögen dar. 1394 Dann bedarf es aber der Einschaltung des Familiengerichts, das auch nach § 1667<br />
Abs. 2 <strong>und</strong> 3 Anordnungen treffen kann, in welcher Weise das Geld widmungsgemäß zu verwenden ist. 1395<br />
Diese Regelung ist mE wenig durchdacht, ist doch die Schutzwürdigkeit des Minderjährigen ähnlich groß,<br />
wenn er im Zeitpunkt des Unfalls Erbe eines nicht ganz unbeträchtlichen Vermögens ist, so dass insofern die<br />
§§ 1643, 1822 Nr. 1 nicht anwendbar sind; zudem sind die Auswirkungen aller anderen vom Familiengericht<br />
genehmigungsbedürftiger <strong>Recht</strong>sgeschäfte weniger weitreichend. 1396 Der vereinzelten Ansicht von<br />
Nehls, 1397 dass Vergleiche, bei denen kein wichtiger Gr<strong>und</strong> gegeben ist, allesamt nichtig seien, sofern sie nicht<br />
ein Sozialversicherungsträger aufgr<strong>und</strong> der Befugnis von § 116 Abs. 9 SGB X <strong>und</strong> § 119 Abs. 4 S 1 SGB X<br />
geschlossen hat, ist nicht zu folgen. Eine derart weitgehende Einschränkung der Privatautonomie wäre unverhältnismäßig<br />
<strong>und</strong> überschießend, 1398 weil andere Schutzmechanismen zur Verfügung stehen. Außer Streit<br />
steht, dass beide Eltern von der Vertretung ausgeschlossen sind <strong>und</strong> einen Ergänzungspfleger gem. §§ 1629<br />
Abs. 2, 1795 bestellen müssen, wenn einer von ihnen Schädiger ist; 1399 das kommt vor allem bei Unfällen vor,<br />
bei denen das Kind Insasse ist.<br />
Keine Abänderung bei wesentlicher Änderung gem. § 323 ZPO<br />
Bei einer Rente muss zwar der Tatrichter versuchen, bei seiner Schätzung gem. § 287 ZPO die zukünftige<br />
Entwicklung möglichst präzise zu erfassen; beiden Parteien bleibt aber das Korrektiv, dass sie bei wesentlicher<br />
Änderung der Verhältnisse eine Abänderung der Rente <strong>für</strong> die Zukunft verlangen können. Bei einer Kapitalabfindung<br />
wird eine analoge Anwendung des § 323 ZPO vom BGH1400 <strong>und</strong> einem Teil der Literatur1401 freilich<br />
abgelehnt, weil eine solche vergleichsähnliche Züge aufweise <strong>und</strong> <strong>für</strong> beide Parteien eine abschließende<br />
Streitbereinigung bewirken soll. Vom anderen Teil der Literatur1402 III.<br />
244<br />
wird dagegen das Argument ins Treffen<br />
geführt, dass bei Versagung einer Anpassungsmöglichkeit der Tatrichter auf den Weg der Spekulation <strong>und</strong><br />
Scharlatanerie verwiesen werde. Zuzugeben ist, dass eine künftige Prognose mit großen Unwägbarkeiten<br />
verb<strong>und</strong>en ist. Freilich gilt es zu bedenken, dass der Geschädigte sich auf ein solches Wagnis niemals einlassen<br />
muss, weil gem. § 843 Abs. 3 nur ihm ein solches Wahlrecht zusteht; <strong>und</strong> da in der Praxis ein wichtiger Gr<strong>und</strong><br />
kaum jemals gegeben ist, kommt es zu einer Kapitalabfindung nur dann, wenn beide Parteien sie wollen. Eine<br />
1387 AA Hoffmann/Schwab/Tolksdorf, DAR 2006, 666,<br />
668.<br />
1388 Nehls, SVR 2005, 161, 167.<br />
1389 Zu einem diesbezüglichen Gesetzesvorschlag<br />
Schwab, PVR 2003, 2 f.<br />
1390 So Hoffmann/Schwab/Tolksdorf, DAR 2006, 666 ff.<br />
1391 Motzer, FamRZ 1996, 844, 847 ff.<br />
1392 Nehls, DAR 2007, 444, 450; ders., SVR 2005, 161,<br />
167; Hoffmann/Schwab/Tolksdorf, DAR 2006, 666;<br />
Heß/Burmann, NJW-Spezial 2004, 207.<br />
1393 So auch Euler, SVR 2005, 10, 13: nicht ganz zweifelsfrei.<br />
1394 Euler, SVR 2005, 10, 13; Motzer, FamRZ 1996, 844,<br />
845.<br />
1395 Motzer, FamRZ 1996, 844, 846.<br />
1396 Motzer, FamRZ 1996, 844, 845.<br />
1397 Nehls, DAR 2007, 444, 450; ders., SVR 2005, 161,<br />
168.<br />
4896 Huber<br />
1398 Zutreffend Schwab, DAR 2007, 669, 670.<br />
1399 Nugel, zfs 2006, 190, 192; Motzer, FamRZ 1996, 844.<br />
1400 BGH NZV 2002, 268; BGHZ 105, 243 = NJW 1989,<br />
286; BGH NJW 1984, 115; BGHZ 79, 187 = NJW<br />
1981, 818 = LM § 843 BGB Nr. 28 (Weber) = VersR<br />
1981, 283 (Nehls).<br />
1401 Ernst, VA 2010, 149; Engelbrecht, DAR 2009, 447 f;<br />
Nehls, DAR 2007, 444, 446; Schulze/Staudinger,<br />
§ 843 Rn 11; Soergel/Beater, § 843 Rn 41; MüKo/<br />
Wagner, §§ 842, 843 Rn 78; Bamberger/Roth/Spindler<br />
(18. Edition), § 843 Rn 42; Pardey, Rn 1353;<br />
Nehls, VersR 1981, 286; ders., zfs 2004, 193, 197;<br />
Weber, Anm. zu BGH LM § 843 BGB Nr. 28;<br />
Schl<strong>und</strong>, BB 1993, 2025, 2030.<br />
1402 Erman/Schiemann, § 843 Rn 19; Stürner, JZ 1984,<br />
461, 468; Zöller/Vollkommer, ZPO, § 323 Rn 28;<br />
Baumbach/Hartmann, ZPO, § 323 Rn 79.