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Dauner-Lieb - Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Wirtschaftsrecht und ...

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§§ 842, 843 Abschnitt 8 | Einzelne Schuldverhältnisse<br />

Wird bei den Kosten der Rehabilitation eine zeitabschnittsweise Berechnung vorgenommen, muss das auch<br />

<strong>für</strong> den Erwerbsschaden einer Person gelten, die vor Eintritt ins Erwerbsleben verletzt worden ist. 1066 Wurde<br />

die Ausbildung verzögert, kann die verletzte Person <strong>für</strong> diesen Zeitraum einen Erwerbsschaden geltend<br />

machen, etwa eine entgangene Ausbildungsvergütung bei einem Lehrling, 1067 während ein höheres Einkommen<br />

in einer späteren Phase damit nicht verrechenbar ist. 1068 Zumeist wird die Betrachtung in Bezug auf den<br />

durch die Verlängerung der Ausbildung resultierenden Erwerbsschaden in dem Zeitpunkt abgebrochen, in<br />

dem der Verletzte ins Erwerbsleben eingetreten ist. Es ist indes zu bedenken, dass es Konstellationen gibt, in<br />

denen sich der spätere Eintritt über die gesamte Erwerbsbiografie fortpflanzt. So ist das etwa bei einem Beamten,<br />

der alle zwei Jahre allein aufgr<strong>und</strong> des Umstands der zurückgelegten Arbeitszeit eine Gehaltssteigerung<br />

erzielt. Solche Treueprämien haben Entsprechungen auch in der Privatwirtschaft. Und selbst bei Berufsanfängern<br />

so mancher freier Berufe wirkt es sich in den ersten Jahren nach Einstieg in den Beruf auf die Höhe<br />

des Erwerbseinkommens aus, auf eine wie lange praktische berufliche Erfahrung eine Person verweisen kann.<br />

Die Verzögerung der Ausbildung <strong>und</strong> der verspätete Berufseintritt können sich bis zur Höhe der Altersrente<br />

auswirken, sofern nicht Rentenversicherungsbeiträge nach § 119 SGB X eingezogen worden sind. 1069 Von<br />

solchen greifbaren Vermögensnachteilen sind solche Nachteile abzugrenzen, die sich in einer späteren Phase<br />

der Erwerbsbiografie ergeben. Je länger sie vom Zeitpunkt der vom Schädiger zu verantwortenden Verletzung<br />

entfernt liegen <strong>und</strong> je weniger ein innerer Zusammenhang mit dem schädigenden Ereignis gegeben ist, umso<br />

eher wird eine Verwirklichung des allgemeinen Lebensrisikos gegeben sein, <strong>für</strong> das der Schädiger nicht einzustehen<br />

hat. Von der Ersatzpflicht – noch – erfasst sind jedoch Nachteile, die darauf beruhen, dass der<br />

Geschädigte verletzungsbedingt einen krisenanfälligen Beruf ergreifen musste. 1070 Auch diesbezüglich führt<br />

aber ein höheres Einkommen in einer Phase zu keiner Verrechnung mit dem geringeren oder fehlenden in der<br />

Folgezeit.<br />

c) Behinderung in der Haushaltsführung. Im Regelfall geht es um Beeinträchtigungen im beruflichen<br />

Erwerbsleben. Es stellt sich indes die Frage, ob auch Beeinträchtigungen der Arbeitskraft <strong>für</strong> die Familie, also<br />

im Haushalt <strong>und</strong> bei der Kindererziehung ebenfalls ersatzfähig sind. Wird eine Familie begründet, besteht ein<br />

Anspruch auf die Kosten einer Ersatzkraft. Je nachdem, ob eine solche eingestellt wird, sind die Brutto- oder<br />

Nettokosten geschuldet. Wird jedoch keine Familie gegründet, was vor allem bei schweren Verletzungen<br />

häufig der Fall sein wird, erwägt Medicus, 1071 die Ersatzkraftkosten <strong>für</strong> eine Durchschnittsfamilie zuzubilligen,<br />

wobei anzurechnen sein soll, was der Verletzte stattdessen im Rahmen einer beruflichen Erwerbsarbeit verdienen<br />

könnte. ME sprechen die besseren Gründe da<strong>für</strong>, einen solchen fiktiven Schadensposten zu versagen<br />

<strong>und</strong> diesen Nachteil im Rahmen des Schmerzensgeldes zu berücksichtigen. Fest steht, dass ein Haushaltsführungsschaden<br />

auch begehrt werden kann, wenn im Zeitpunkt der Verletzung, etwa bei Geburt, noch keine<br />

Beeinträchtigung bei der Haushaltsführung vorlag. 1072<br />

d) Einwendungen des Ersatzpflichtigen. Der Schädiger mag einwenden, dass der Geschädigte seine<br />

Ausbildung fortgesetzt hat, obwohl er die dabei erworbenen Kenntnisse <strong>für</strong> eine spätere berufliche Tätigkeit<br />

nicht verwerten kann, so in einem Sachverhalt, den das OLG Köln 1073 zu beurteilen hatte <strong>und</strong> bei dem es darum<br />

ging, dass eine Architektin ihren Beruf nicht ausüben konnte, weil sie wegen ihrer verletzungsbedingten<br />

Behinderung zur Bauaufsicht nicht mehr in der Lage war. Zu <strong>Recht</strong> hat sie sich damit verteidigt, dass sie vor<br />

Inangriffnahme des Studiums den Berufswunsch mit dem Arzt besprochen hatte, der dagegen keine Einwände<br />

erhoben hatte. Maßgeblich ist jeweils die Sicht ex ante <strong>und</strong> nicht ein besserer Kenntnisstand ex post. 1074<br />

Darüber hinaus gibt es Reserveursachen, die dazu geführt hätten, dass der Geschädigte unabhängig von der<br />

ihm vom Schädiger zugefügten Verletzung kein oder ein geringeres Einkommen erzielt hätte. Da<strong>für</strong> trägt<br />

freilich der Schädiger die Beweislast. Bei einer Krankheit wird dieser Beweis schwer zu erbringen sein, weil<br />

er darüber hinaus nachweisen muss, dass eine solche Krankheit in keinem Zusammenhang mit der von ihm<br />

zu verantwortenden Verletzung steht. 1075 Besser stehen die Chancen in Bezug auf den Einwand, dass die<br />

Widrigkeiten des Arbeitsmarktes dazu geführt hätten, dass der Geschädigte verletzungsunabhängig arbeitslos<br />

geworden wäre; 1076 der Geschädigte kann freilich den Gegenbeweis führen, dass er davon nicht betroffen<br />

gewesen wäre oder als Ges<strong>und</strong>er auf dem Arbeitsmarkt wieder alsbald eine Stelle gef<strong>und</strong>en hätte. Ohne weiteres<br />

ist jedoch – bis zum 1.3.2011, dem Zeitpunkt der Aussetzung der Wehrpflicht – der Nachweis durch den<br />

1066 Küppersbusch, Rn 170: Berechnung pro rata temporis.<br />

1067 Van Bühren/Jahnke, Teil 4 Rn 475.<br />

1068 OLG Hamm VersR 2000, 234.<br />

1069 Küppersbusch, Rn 169.<br />

1070 Küppersbusch, Rn 171.<br />

1071 Medicus, DAR 1994, 442, 450.<br />

1072 Pardey, DAR 2006, 671, 674 mit zutreffendem Verweis<br />

auf BGHZ 38, 55 = NJW 1962, 2248: Verletzung<br />

einer späteren Hausfrau vor der Eheschließung.<br />

4874 Huber<br />

1073 OLG Köln SP 2000, 229.<br />

1074 Vgl dazu OLG Hamm VersR 2000, 234: Verzicht auf<br />

naturwissenschaftliches Studium, weil sich der<br />

Geschädigte dazu verletzungsbedingt nicht in der<br />

Lage fühlte; dieses Gefühl wurde akzeptiert <strong>und</strong> nicht<br />

als Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht<br />

angesehen.<br />

1075 OLG Hamm BeckRS 2005, 02606 = SVR 2006, 67<br />

(Luckey); Medicus, DAR 1994, 442, 448.<br />

1076 Küppersbusch, Rn 178.

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