Dauner-Lieb - Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Wirtschaftsrecht und ...
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§§ 842, 843 Abschnitt 8 | Einzelne Schuldverhältnisse<br />
Zudem hängt von der Sensibilität der Differenzierung die Ersatzfähigkeit ab. 1093 Das Verhältnis zum Schmerzensgeld<br />
ist deshalb zu klären, weil im Rahmen der vermehrten Bedürfnisse konkrete Aufwendungen – zumeist<br />
in vollem Umfang – ersatzfähig sind, während die ohne solche Deckung korrespondierenden Unlustgefühle<br />
im Pauschalbetrag des Schmerzensgeldes untergehen, was dazu führt, dass sie bloß zu einem Bruchteil oder<br />
gar nicht abgegolten werden. 1094 Kann durch einen Kapitalbetrag ein konkreter Bedarf gedeckt werden, wie<br />
beim Mehrbedarf von Fahrzeug oder Wohnsitz, gebührt unabhängig vom Vorliegen eines wichtigen Gr<strong>und</strong>es<br />
ein Kapitalbetrag <strong>und</strong> keine Rente. 1095<br />
Ausprägungen des Anspruchs wegen vermehrter Bedürfnisse<br />
Die vermehrten Bedürfnisse lassen sich drei großen Gruppen zuordnen, nämlich sachliche Hilfsmittel, Dienstleistungen<br />
<strong>und</strong> Vermögensfolgeschäden. 1096 Auch wenn eine abschließende Aufzählung an dieser Stelle<br />
unterbleibt, soll auf besonders wichtige Konstellationen hingewiesen werden:<br />
Bei den sachlichen Hilfsmitteln dominieren Aufwendungen zur behinderungsgerechten Ausgestaltung des<br />
Wohnsitzes bzw des Fahrzeugs. Darüber hinaus geht es um Kommunikationshilfen, vom Computer bis zum<br />
Blindenh<strong>und</strong> oder vermehrten Kleiderverschleiß, 1097 orthopädische <strong>und</strong> technische Hilfsmittel wie künstliche<br />
Gliedmaßen <strong>und</strong> Spezialschuhe sowie Mehrkosten <strong>für</strong> Diät. 1098 Im Krankenhaus fallen Mehrkosten wegen<br />
eines Fernsehers oder Telefons an. 1099 Zu betonen ist dabei, dass es stets nur um den Ersatz der Mehrkosten<br />
gegenüber dem Zustand ohne Verletzung geht. Wer ohnehin schon über eine Wohnung im Erdgeschoss verfügt<br />
bzw ein Fahrzeug, bei dem kann es bloß um die Kosten <strong>für</strong> die behindertengerechte Adaptierung gehen. Wer<br />
hingegen wegen der Behinderung einen neuen Wohnsitz benötigt, weil seine Wohnung sich im 5. Stock ohne<br />
Aufzug befand, oder ein Fahrzeug anschaffen muss, weil er bisher keines hatte <strong>und</strong> ohne Verletzung auch<br />
keines angeschafft hätte, bei dem sind auch diese Kosten, jedenfalls zum Teil, zu ersetzen. 1100 Bei der infolge<br />
einer Gewichtszunahme um 25 kg indizierten Anschaffung neuer Kleidung hat das OLG Düsseldorf1101 bloß<br />
10 % der Kosten <strong>für</strong> ersatzfähig angesehen, weil eine Ersatzbeschaffung früher oder später ohnehin erfolgt<br />
wäre <strong>und</strong> der Verletzte keine Angaben zum Alter seiner Kleidung gemacht hat. Bei entsprechender Darlegung<br />
hätte der Anspruch viel höher ausfallen müssen, entstehen doch Anschaffungskosten in erheblichem Maß,<br />
während der Veräußerungserlös der bisherigen Kleidung gegen Null konvergieren wird. Das OLG Zweibrücken1102<br />
hat ca 45 % der Anschaffungskosten einer rollstuhlgerechten Kleidung zuerkannt <strong>und</strong> dabei den<br />
höheren Verschleiß solcher Kleidung berücksichtigt.<br />
Bei den Dienstleistungen geht es nach hM zunächst einmal um die Führung des eigenen Haushalts unter<br />
Einschluss der Kosten <strong>für</strong> die Wagenpflege <strong>und</strong> dessen Reparaturen. 1103 Darüber hinaus zählen dazu jene<br />
Pflegedienstleistungen, die den Verletzten in die Lage versetzen, diejenigen Tätigkeiten auszuüben, <strong>für</strong> die<br />
ein Ges<strong>und</strong>er niemals eine Hilfsperson in Anspruch nehmen würde. Es geht dabei um das An- <strong>und</strong> Auskleiden,<br />
das Einnehmen der Nahrung, Hilfen beim Stoffwechsel, die Körperpflege <strong>und</strong> dergleichen: auch Maßnahmen<br />
zur Fithaltung des Körpers wie Massagen, Krankengymnastik, Mehrkosten <strong>für</strong> den Besuch eines Schwimmbades1104<br />
bis hin zu Kuren zählen dazu. Über den rein körperlichen Bereich hinaus geht es um die Kontaktnahme<br />
zur Öffentlichkeit sowie die Wahrnehmung von <strong>Recht</strong>s- <strong>und</strong> Vermögensangelegenheiten. Jeweils hat<br />
der Ersatzpflichtige den Geschädigten so zu nehmen, wie er ist, mag die Belastung auch höher sein, weil der<br />
Verletzte schadensunabhängig übergewichtig ist. 1105<br />
III.<br />
204<br />
205<br />
206<br />
1093 BGHZ 163, 351 = NJW 2006, 1271 mit Besprechungsaufsatz<br />
Ch. Huber, NZV 2005, 620 ff: Bei<br />
Abstellen auf die Beseitigung des Mobilitätsdefizits<br />
kein Ersatz <strong>für</strong> behindertengerechte Ausgestaltung<br />
des Motorrades bei behindertengerechtem Erstfahrzeug;<br />
anders bei Abstellen auf die Lust am Motorradfahren<br />
wie bisher.<br />
1094 BGHZ 163, 351 = NJW 2006, 1271 mit Besprechungsaufsatz<br />
Ch. Huber, NZV 2005, 620 ff: Versagung<br />
der Kosten <strong>für</strong> die behindertengerechte Ausstattung<br />
eines Motorrades wegen des vorangehenden<br />
Zuspruchs von Schmerzensgeld.<br />
1095 Ch. Huber, NZV 2005, 620.<br />
1096 Vgl die Aufzählung bei Staudinger/Vieweg, § 843<br />
Rn 23; Greger, § 29 Rn 40 ff; van Bühren/Jahnke,<br />
Teil 4 Rn 136; Pardey, Rn 1830.<br />
4876 Huber<br />
1097 BGH NJW-RR 1992, 792.<br />
1098 BGH NJW-RR 1992, 792; MüKo/Wagner, §§ 842,<br />
843 Rn 64.<br />
1099 H. Lang, jurisPR-VerkR 2/2009 Anm. 2.<br />
1100 OLG Schleswig BeckRS 2009, 16407: Ersatz der<br />
Kosten an einen schwer verletzten Studenten, der<br />
sonst in dieser Phase kein Fahrzeug angeschafft hätte.<br />
1101 OLG Düsseldorf NJW-RR 2006, 816.<br />
1102 OLG Zweibrücken NJW-RR 2008, 620 mit Besprechungsaufsatz<br />
Ch. Huber, MedR 2008, 712 ff.<br />
1103 BGH NJW-RR 1992, 792.<br />
1104 OLG Hamm VersR 2000, 234.<br />
1105 OLG Düsseldorf NJW-RR 2006, 816; OLG Oldenburg<br />
VersR 1998, 1380.