SPORTaktiv Februar 2019
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FAKTOREN ZUR<br />
EINZELHANG-<br />
BEURTEILUNG !<br />
GELÄNDE<br />
Beim Skitourengelände sind die Neigung, die Himmelsrichtung<br />
(Exposition), die Höhenlage, die Geländeform und Geländefallen<br />
zur Einzelhangbeurteilung heranzuziehen. „Die Hangneigung<br />
kann man aus der Karte abschätzen und im Gelände messen<br />
bzw. auch schätzen. Hier weiß man, dass es unter 30 Grad nahezu<br />
keine Schneebrettauslösungen gibt, wobei man aber auf den<br />
Auslauf von Lawinen in den flacheren Bereich achten muss. Bei<br />
Nassschneelawinen gibt es jedoch keine definierte Untergrenze“,<br />
legt Schreilechner dar.<br />
Die Exposition eines Hanges, also die Ausrichtung nach der Himmelsrichtung,<br />
ist insofern von Interesse, als Sonneneinstrahlung<br />
und Windeinwirkung wesentliche Faktoren sind, die Lawinen bedingen<br />
können. Expertentipp: „Besonders bei Triebschneeproblemen<br />
ist auf die Himmelsrichtung zu achten.“<br />
In den verschiedenen Höhenstufen herrschen oft unterschiedliche<br />
Temperaturen, die positiv (etwa durch Setzungen der<br />
Schneedecke) oder auch negativ (beispielsweise wenn es auf<br />
die Schneedecke regnet) wirken können. Verschiedene Geländeformen<br />
wie Rinnen, Rücken, Plateaus, felsdurchsetztes Gelände<br />
und große freie Hänge fließen ebenfalls in die Einzelhangbeurteilung<br />
ein.<br />
Für die Einzelhangbeurteilung gehört letztlich auch das Erkennen<br />
von Geländefallen dazu. Das können etwa Gräben im Auslaufbereich<br />
von Hängen, Felsabbrüche, Gletscherspalten oder flache<br />
Böden am Fuß von Steilhängen sein.<br />
DR. MARCELLUS SCHREILECHNER<br />
ist staatl. gepr. Berg- und Skiführer, Alpinsachverständiger<br />
sowie Bundesreferent für Bergsport bei<br />
den Naturfreunden Österreich.<br />
www.alpinimpuls.at<br />
www.naturfreunde.at<br />
w3.naturfreunde.at<br />
SCHNEEDECKENAUFBAU<br />
Der Schneedeckenaufbau ist die Grundlage für die Lawinenbildung.<br />
„Für den Abgang eines Schneebretts braucht es gebundenen<br />
Schnee und darunter eine Schwachschicht. Ausgelöst<br />
werden Lawinen dann durch eine Zusatzbelastung“, sagt Schreilechner.<br />
Aber auch von flacheren Hängen und sogar Talböden<br />
aus können Schneebretter in benachbarten Steilhängen ausgelöst<br />
werden, indem sich ein Bruch fortsetzt („Fernauslösung“).<br />
Der Aufbau der Schneedecke wird durch den Witterungsverlauf<br />
der vorangegangenen Tage und teilweise auch Wochen geprägt.<br />
Generelle Informationen findet man im Lawinenlagebericht, die<br />
bei entsprechender Kenntnis durch Eigenbeobachtungen – konkret<br />
das Graben eines Schneeprofils und Schneedeckenuntersuchung<br />
– ergänzt werden können.<br />
WETTER<br />
Neben dem Witterungsverlauf der vorangegangenen Tage (siehe<br />
„Schneedeckenaufbau“) ist auch das Wetter während der<br />
Tour entscheidend. Einerseits deshalb, weil man den Einzelhang,<br />
mögliche Geländefallen usw. möglichst gut sehen sollte, um die<br />
Lage beurteilen zu können.<br />
Drohen Nassschneelawinen, ist andererseits der Temperaturverlauf<br />
über den Tag hinweg ein wesentlicher Faktor. Besonders<br />
bei Frühjahrsverhältnissen mit zunehmender Sonneneinstrahlung<br />
und Tageserwärmung ist Vorsicht geboten, mahnt Marcellus<br />
Schreilechner. Es gilt: „Zeitig aufbrechen und Touren früh<br />
beenden“.<br />
WINDZEICHEN<br />
„Der Wind ist der Baumeister der Lawinen“ – der alte Lehrsatz,<br />
der dem Lawinenforscher Wilhelm Paulcke (1873–1949) zugeschrieben<br />
wird, gilt unverändert. „Erkennen von Windzeichen<br />
heißt vor allem, zu erkennen, wo der Wind den Schnee hingetrieben<br />
hat, und ist unumgänglich für die Einzelhangbeurteilung“, erklärt<br />
der Experte. Zu den klassischen Windzeichen gehören z. B.<br />
Wechten, Windgangerl, Schneefahnen oder Schneedünen.<br />
ORIENTIERUNGSFÄHIGKEIT<br />
Gute Orientierungsfähigkeiten sind auch ein wesentlicher Bestandteil,<br />
um sich risikobewusst im Gelände bewegen zu können.<br />
Marcellus Schreilechner: „Sowohl in der Planung als auch während<br />
einer Tour ist man laufend mit Orientierungsaufgaben konfrontiert,<br />
die speziell im Winter dazu dienen, durch geschicktes<br />
Ausnützen des Geländes Risikobereiche zu minimieren oder das<br />
Risiko im Idealfall ganz auszuschalten.“<br />
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