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SPORTaktiv Februar 2019

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Was hat sich im Laufe Ihrer Karriere<br />

im Training verändert?<br />

Früher stand die Quantität im Vordergrund.<br />

Ich habe sehr hart trainiert, einmal<br />

sah ich Andi Goldberger, wie er 260 Kilo<br />

mit der Beinpresse stemmte. Also legte ich<br />

mir 270 Kilo auf. Manchmal habe ich es<br />

auch übertrieben – oder sagen wir: unnötige<br />

Sachen gemacht. Hartes Training hat<br />

aber auch seinen Sinn, weil es dich mit<br />

dem Selbstvertrauen ausstattet, bereit zu<br />

sein. Mit meinem ersten finnischen Trainer,<br />

ich war schon 30 Jahre alt, habe ich<br />

auf qualitatives Training umgestellt, mehr<br />

nachgedacht, mehr an der Technik gefeilt.<br />

Spüren Sie heute, dass Sie längere<br />

Phasen der Regeneration benötigen?<br />

Nein. Mein Körper ist eigentlich super<br />

(lacht).<br />

Liegt das an der Ernährung? Achten<br />

Sie besonders darauf, was Sie essen?<br />

Vielleicht gibt es Körper, die sich länger<br />

gut halten. Ich habe wirklich keine besonderen<br />

Ernährungsgewohnheiten.<br />

Nicht anders als andere.<br />

Schlafen Sie viel?<br />

Auch nicht. Ich schlafe eher weniger als<br />

andere. Ist ja auch schade um die Zeit.<br />

Ich freue mich jeden Morgen, wenn ich<br />

aufstehen kann, um loszulegen.<br />

Aber was ist das Rezept, um mit 46<br />

Jahren noch im Weltcup zu springen?<br />

Spaß haben! Ab Ende 30 tendiert man<br />

zudem dazu, sich mehr Gedanken und<br />

Sorgen zu machen, nicht nur, was die<br />

Karriere anbelangt, auch im Leben allgemein.<br />

Das ist nicht hilfreich. Der Kopf<br />

darf nicht müde werden. Positives, freies<br />

Denken ist ungemein wichtig. Ich denke,<br />

es wirkt sich auf den Körper aus.<br />

Was war der beste Tipp, den Sie von<br />

einem Trainer erhalten haben?<br />

Ich hatte viele Trainer und von allen erhielt<br />

ich immer wieder gute Ratschläge.<br />

Wenn ich etwas hervorheben soll, dann<br />

vielleicht dies: „Nicht denken – einfach<br />

nach vorne!“ Das hat mir ein Trainer gesagt,<br />

als ich noch in der Grundschule<br />

war. Ich versuche bis heute, dies zu beherzigen.<br />

Fragen jüngere Sportler häufig um Rat<br />

bei Ihnen?<br />

Erstaunlich selten. Skispringer sind Sturköpfe.<br />

Aber klar, wenn mal einer fragt,<br />

versuche ich gerne, meine Erfahrung<br />

weiterzugeben.<br />

Gibt es eine lustige Anekdote, an die<br />

Sie sich erinnern?<br />

Ich erinnere mich daran: In Oslo saß ich<br />

als Führender nach dem ersten Durchgang<br />

oben auf dem Balken, direkt vor<br />

meinem Sprung. Plötzlich fliegt mir eine<br />

Taube ins Gesicht, und wir beide erschrecken<br />

uns. Die Taube hat dann etwas,<br />

na ja – liegenlassen. Mitten in der<br />

Spur. Ich wollte nicht starten, dachte, es<br />

würde meine Anlaufgeschwindigkeit beeinflussen.<br />

Ich habe gerufen und gewinkt,<br />

aber keiner hat verstanden, was<br />

der Noriaki für ein Problem hat. Der<br />

Trainer schwenkte auch schon die Flagge.<br />

Also musste ich da durch ...<br />

EINMAL SAH ICH<br />

ANDI GOLDBERGER,<br />

WIE ER 260 KILO<br />

MIT DER BEINPRESSE<br />

STEMMTE. ALSO<br />

LEGTE ICH MIR<br />

270 KILO AUF.<br />

Und?<br />

Ich habe gewonnen.<br />

Hat die Taube Glück gebracht?<br />

Wahrscheinlich. Bis zum Absprung hatte<br />

ich sie aber schon wieder vergessen.<br />

Wenn du auf den Schanzentisch zufährst,<br />

ist kein Platz für andere Gedanken.<br />

Sie haben 2017 in Vikersund im Alter<br />

von 44 Jahren mit 241,5 Metern noch<br />

einmal Ihren persönlichen Weitenrekord<br />

verbessert. Waren Sie selbst<br />

überrascht?<br />

Nicht unbedingt. Die Wettkampfleitung<br />

hatte direkt vor meinem Sprung sogar<br />

den Anlauf um zwei Lücken verkürzt,<br />

sonst wäre ich wahrscheinlich 250 Meter<br />

weit gesprungen. Das habe ich ehrlich<br />

gesagt noch vor.<br />

Um so etwas zu erreichen, ist Disziplin<br />

gefragt – seit drei Jahrzehnten. Was<br />

motiviert Sie Jahr für Jahr, den enthaltsamen<br />

Lebensstil eines Profisportlers<br />

beizubehalten?<br />

Ich lebe seit fast zwei Dritteln meines<br />

Lebens als Profi. Und mache es so gerne<br />

wie am ersten Tag. Ich vermisse nichts.<br />

Ich tue alles, was ich tun möchte. Ich<br />

liebe es, zu fliegen. Und daran möchte<br />

ich überhaupt nichts ändern.<br />

Sie sind seit 30 Jahren Weltspitze, der<br />

einzige Athlet, der achtmal an Olympischen<br />

Winterspielen teilgenommen<br />

hat. Ist das der große Erfolg des Noriaki<br />

Kasai? Oder geht es eher um die<br />

einzelnen Siege?<br />

Ich bin in der Tat sehr zufrieden mit<br />

meiner Karriere, könnte aber zufriedener<br />

sein. Das ist wichtig. Es sind die Ziele<br />

wie ein Olympiasieg, die mir die Motivation<br />

schenken, aktiv zu bleiben.<br />

Das nächste große Ziel sind die Olympischen<br />

Spiele 2022 in Peking?<br />

Richtig.<br />

Haben Sie sich trotzdem schon Gedanken<br />

gemacht, was nach Ihrer Karriere<br />

kommen soll? Möchten Sie als Trainer<br />

arbeiten?<br />

Ein Job als Trainer wäre reizvoll. Übrigens<br />

nicht nur in Japan, gerne auch für<br />

eine andere Nation.<br />

Das dürfte kein großes Problem sein,<br />

wer hat schon mehr weiterzugeben<br />

als Sie?<br />

Na ja ... (schmunzelt), ich möchte noch<br />

zehn Jahre springen. Hoffentlich bin ich<br />

nach meiner Karriere nicht schon zu alt<br />

für den Job des Trainers.<br />

Wären Sie gerne noch einmal jung?<br />

(Überlegt sehr, sehr lange) Ja. Ich wäre<br />

gerne noch einmal 16 Jahre alt. Dann<br />

könnte ich jetzt mit dem Skispringen<br />

beginnen – mit der Erfahrung, die ich<br />

heute habe.<br />

<strong>SPORTaktiv</strong><br />

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