SPORTaktiv Februar 2019
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
BIS „ZUR LETZTEN SEKUNDE“<br />
WILL JOHANNES DÜRR UM<br />
EINE TEILNAHME BEI DER WM IN<br />
SEEFELD KÄMPFEN. WAS TREIBT<br />
IHN AN, OBWOHL ER EIGENTLICH<br />
KEINE CHANCE HAT?<br />
VON MARKUS GEISLER<br />
Es muss rund um Weihnachten gewesen<br />
sein, als Johannes Dürr tief<br />
in seinem Inneren langsam dräute,<br />
dass er sich von seinem großen Traum<br />
wohl verabschieden muss. Den Traum,<br />
bei der Heim-WM in Seefeld an den<br />
Start gehen und damit sein Image wieder<br />
etwas aufpolieren zu können. „Dort<br />
dabei zu sein, in meiner Heimatloipe,<br />
ist ein riesiger Ansporn. Auch, weil es<br />
realistisch gesehen die letzte Chance in<br />
meinem Leben ist, sportlich für Furore<br />
zu sorgen“, erzählt er im Gespräch mit<br />
<strong>SPORTaktiv</strong>. Zu Beginn lief das Projekt<br />
aus rein läuferischer Sicht auch recht<br />
gut, die Formkurve zeigte nach oben.<br />
Doch im November kam es zu einem<br />
für Dürr unerklärlichen Knick, von dem<br />
er sich lange nicht erholte. „Irgendwas<br />
ist schiefgelaufen. Ich konnte meinen<br />
Höchstpuls von 190 nicht mehr erreichen,<br />
lag immer 15 bis 20 Schläge<br />
darunter. Keine Ahnung, warum dieser<br />
irrsinnige Einbruch passiert ist.“<br />
Ein Einbruch, den man auch beim<br />
ÖSV registrierte. Dort hatte man ohnehin<br />
keine Freude damit, dass der bei<br />
Olympia 2014 des Dopings überführte<br />
Langläufer wieder mitmischen will, und<br />
nahm von jeglicher Unterstützung Abstand.<br />
„Über ihn mache ich mir keine<br />
Sekunde Gedanken, er ist meilenweit<br />
davon entfernt, sportlich eine Rolle zu<br />
spielen“, verriet Markus Gandler, beim<br />
Verband sportlicher Leiter für Langlauf<br />
und Biathlon. „Für uns ist die Heim-<br />
WM eine riesige Chance, uns in der Öffentlichkeit<br />
zu präsentieren. Dann gebe<br />
ich lieber einem jungen Athleten dort<br />
die Chance.“ Ob bei dieser ablehnenden<br />
Haltung auch die Dopingcausa eine Rolle<br />
spielt? Gandler: „Das kann ich nicht ausschließen,<br />
ist aber nicht meine Baustelle,<br />
sondern eine des Präsidiums.“ Und das<br />
hat sich in Person von Peter Schröcksnadel<br />
klar gegen Dürr deklariert.<br />
Dürr selbst, der „bis zur letzten Sekunde“<br />
um eine Teilnahme kämpfen<br />
will, kann die ablehnende Haltung des<br />
ÖSV sogar nachvollziehen – und musste<br />
in den vergangenen Monaten erkennen,<br />
wie hart das Leben eines Einzelkämpfers<br />
ist. „Früher habe ich sogar meine Zahnbürste<br />
vom Verband bekommen, konnte<br />
Zerknirscht?<br />
Kämpferisch?<br />
Dürr will<br />
zur WM.<br />
„IRGENDWAS IST<br />
SCHIEFGELAUFEN“<br />
mich nur aufs Sportliche fokussieren.<br />
Heute muss ich mich ums Material, um<br />
Trainingskurse und letztlich auch ums<br />
Geld kümmern, eine schwierige Herausforderung.“<br />
So wie nach der Dopingbombe<br />
von Sotschi, „als ich mein Leben<br />
komplett neu organisieren musste, um<br />
privat wie finanziell wieder ins Lot zu<br />
kommen.“ Dass er nebenbei ein Buch<br />
schrieb („Der Weg zurück“), das Ende<br />
Jänner auf den Markt kam, werfen ihm<br />
einige als PR-Gag vor. Doch mit Kritik<br />
umzugehen hat Johannes Dürr in den<br />
letzten Jahren gelernt.<br />
Foto: GEPA pictures<br />
210 <strong>SPORTaktiv</strong>