SPORTaktiv Februar 2019
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DR. ELKE LUDEWIG<br />
Jahrgang 1987, geboren in München, Studium der Meteorologie<br />
in Hamburg, Leiterin der Neumayer-Station in der Antarktis, seit<br />
Mai 2016 Leiterin des Observatoriums am Sonnblick auf 3106 Meter<br />
Seehöhe (Ortsgebiet Rauris, S), Büro-Standort ZAMG<br />
Salzburg, Forschung: Strahlung (UV, Radioaktivität),<br />
Seismologie, Schadstoffe, Aerosole, Permafrost, Glaziologie,<br />
Wetterextreme, Niederschlag.<br />
www.zamg.at<br />
wenn sie dann an einer roten Ampel stehen.“<br />
Ludewig musste nur das eingangs<br />
erwähnte Kälteempfinden wieder an<br />
mitteleuropäische Verhältnisse anpassen.<br />
„In der Antarktis hatte es bis zu minus<br />
40 und minus 50 Grad. Minus 20<br />
kommt dir dann schon warm vor und<br />
du arbeitest ohne Handschuhe.“ Zurück<br />
in Europa dauerte es eineinhalb<br />
Jahre, bis ihr Kälte wieder kalt vorkam.<br />
„Skifahren bei null Grad? Da musste<br />
ich im T-Shirt fahren.“ Noch etwas<br />
blieb nach 14 Monaten Eiswüste: „Ich<br />
hatte fast vergessen, wie schön die Farbe<br />
Grün ist ...“<br />
In der Antarktis erfuhr Ludewig, dass<br />
eine Stelle beim Kindheitstraum Sonnblick<br />
ausgeschrieben ist, ein ähnlich ausgesetzter<br />
Arbeitsplatz. Seit Mai 2016 ist<br />
die Deutsch-Österreicherin nun dort die<br />
Leiterin des ZAMG-Observatoriums,<br />
das weltweit älteste in so hoher Lage.<br />
„Österreich kann stolz darauf sein. Dass<br />
Das Observatorium: Viel exponierter als am<br />
Sonnblick kann ein Arbeitsplatz nicht sein.<br />
Klimaforschung einmal so wichtig sein<br />
wird, konnte man 1886 aber natürlich<br />
nicht ahnen.“ Das Arbeitsumfeld in der<br />
Antarktis und am Sonnblick ist durchaus<br />
vergleichbar, sagt Ludewig, „ähnliche<br />
Messgeräte und Messnetzwerke, nur<br />
die Kälte ist oben am Berg viel feuchter<br />
und unangenehmer“. Im Schnitt arbeitet<br />
die 31-Jährige einmal pro Woche am<br />
Berg, den Rest verbringt sie in der Salzburger<br />
Zentrale oder bemüht sich um<br />
Forschungsgelder bei den Ministerien<br />
in Wien.<br />
Viele Aufgaben<br />
Ludewig ist Personalverantwortliche,<br />
wissenschaftliche Leiterin, nutzt ihre<br />
Netzwerke für internationale Zusammenarbeit<br />
und ist als „Hausmeisterin“<br />
für die Infrastruktur am Berg zuständig.<br />
Mit der neuen Gondelbahn, die die<br />
legendäre Materialseilbahn („Kisterl“)<br />
abgelöst hat, sind Personal und Forscher<br />
nun besser und sicherer an die<br />
Außenwelt angeschlossen. „Doch an<br />
so einem exponierten Standort kann<br />
immer etwas kaputtgehen. Dach, Heizung,<br />
demnächst wird die neue Strom-<br />
leitung samt neuer Trasse fällig.“ Nur<br />
mit vernünftigen Budgets bleibt der<br />
Standort gesichert, denn die Chefin hat<br />
auf „ihrem“ Sonnblick noch viel vor.<br />
„Wolkenmessungen und Wolkenforschung<br />
sind Potenziale, die gut genutzt<br />
werden sollten.“<br />
Der Klimawandel ist ein Thema, das<br />
sie beruflich und privat ständig beschäftigt.<br />
„Und man hat da immer ein<br />
schlechtes Gewissen, als Einzelperson<br />
nicht genug zu tun.“ Mit Verzicht auf<br />
Auto und Plastik und dem Nutzen von<br />
saisonalen und regionalen Erzeugnissen<br />
kann man einen bescheidenen Beitrag<br />
leisten, meint sie. Als Wissenschafterin<br />
wisse sie aber nur zu gut, wie komplex<br />
die Thematik ist. Was würde sie dem<br />
Klimaskeptiker und US-Präsidenten<br />
Donald Trump gerne ins Gesicht sagen?<br />
„Nichts. Das wäre wohl Zeitverschwendung.<br />
So jemanden kann man mit Argumenten<br />
nicht überzeugen.“ Die Forscherin<br />
kennt aber genug vernünftige Entscheidungsträger,<br />
auch in den USA, die<br />
die Bedrohungsszenarien sehr ernst nehmen.<br />
„Wir müssen als Allgemeinheit<br />
was schaffen.“<br />
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