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Kradblatt Ausgabe Mai 2019

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30<br />

Recht<br />

& Gesetz<br />

Dieses Mal steht ein Thema an, das<br />

für Gerichtsverfahren von Motorradfahrern<br />

sehr interessant ist. Es geht um<br />

die Frage der Befangenheit von Richtern.<br />

Ein Richter muss grundsätzlich der zu<br />

beurteilenden Rechtssache und allen<br />

Beteiligten neutral gegenüberstehen.<br />

Dies gilt besonders im Strafverfahren,<br />

weil ein Richter, der sich schon vor<br />

einem Prozess sein Urteil überlegt hat,<br />

also vielleicht, dass er den Angeklagten<br />

verurteilen will und zu welcher Strafe, die<br />

Verhandlung nicht „frei“ und unabhängig<br />

führen kann. Die Vorschriften über die<br />

Befangenheit von Richtern sind deshalb<br />

sehr wichtig.<br />

Nach § 24 Strafprozessordnung kann<br />

ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit<br />

abgelehnt werden. Dem Gesetzgeber<br />

war dies so wichtig, dass das<br />

Mitwirken eines abgelehnten Richters<br />

am Urteil, gemäß § 338 Nr. 3 Strafprozessordnung,<br />

einen absoluten Revisionsgrund<br />

darstellt. Für die Aufhebung eines<br />

Urteils braucht es dann keiner weiteren<br />

Begründung, es ist schon aus diesem<br />

Grund allein „als auf einer Verletzung<br />

des Gesetzes anzusehen“ (so steht es<br />

im Gesetz). Die Befangenheit kann somit<br />

eine „schwere Keule“ sein.<br />

Aber was bedeutet die „Besorgnis der<br />

Befangenheit“? Zunächst ist zu beachten,<br />

dass der Richter nicht befangen sein<br />

muss, es genügt, wenn die „Besorgnis“<br />

besteht. Das meint, es muss nur ein<br />

Grund vorliegen, „der geeignet ist, Misstrauen<br />

gegen die Unparteilichkeit eines<br />

Richters zu rechtfertigen“ (und auch das<br />

steht so im Gesetz). Derjenige, der einen<br />

Richter ablehnen will, muss bei verständiger<br />

Würdigung des Sachverhalts Grund<br />

zu der Annahme haben, dass der Richter<br />

ihm gegenüber nicht unvoreingenommen<br />

ist. Ob der Richter tatsächlich befangen<br />

ist, muss nicht nachgewiesen werden,<br />

insoweit reicht ein begründeter Verdacht.<br />

Es muss nur der Eindruck bestehen, der<br />

Richter habe sich schon festgelegt.<br />

Aber was ist nun diese „Befangenheit“?<br />

Es gibt – und das gar nicht so<br />

selten – Fälle, in denen der Richter vor<br />

der Verhandlung aus Gründen der Organisation<br />

Gespräche mit einem Staatsanwalt<br />

Rechtstipp<br />

Auch so etwas gibt es: Befangene Richter<br />

Von Rechtsanwalt Jan Schweers, Bremen<br />

Telefon 0421 / 696 44 880 - www.janschweers.de<br />

oder einem Verteidiger führt (z. B. zu<br />

Terminabsprachen), bei denen er schon<br />

vorher zum Inhalt des Verfahrens seine<br />

Meinung sagt („Im Vertrauen, ich glaube<br />

ihrem Mandanten kein Wort!“) oder die<br />

Befragung eines Zeugen während der<br />

Verhandlung klar zeigt, dass er Antworten<br />

in einer bestimmten Richtung haben will<br />

(„Aber sagen Sie doch mal, ...“) . Hierbei<br />

sind vor allem Fälle bekannt, in denen in<br />

Verhandlungspausen Gespräche in der<br />

Kantine des Gerichts stattfanden.<br />

§<br />

In vielen Prozessen kennen sich die<br />

„professionellen“ Teilnehmer (Richter,<br />

Staatsanwalt und Verteidiger) schon länger,<br />

haben vielleicht zusammen studiert<br />

und schon mehrere Verfahren miteinander<br />

gehabt. Es kann dann immer wieder<br />

vorkommen, dass der Richter recht<br />

unvorsichtig über den Prozess „plaudert“<br />

und schon vorab seine Meinung zu der<br />

Sache preisgibt. Sei es Gedankenlosigkeit<br />

oder etwa Überforderung, jedenfalls<br />

kann hierdurch eine Befangenheit angenommen<br />

werden mit den beschriebenen<br />

möglichen Folgen der Aufhebung einer<br />

Verurteilung deswegen.<br />

Das Oberlandesgericht Hamm (Urteil<br />

vom 11.10.2018, Aktenzeichen 3 Rvs<br />

32/18) hatte einen recht interessanten<br />

Fall zu entscheiden. Der Angeklagte war<br />

wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu<br />

einer Freiheitsstrafe von drei Monaten<br />

auf Bewährung verurteilt worden. Die<br />

Berufung gegen dieses Urteil ist darauf<br />

verworfen worden. Die Vorsitzende der<br />

Berufungskammer hatte mit dem Verteidiger<br />

mehrfach telefoniert, was an sich<br />

nicht verboten ist. Bei diesen Telefonaten<br />

hatte die Richterin aber den Eindruck<br />

erweckt, sie wolle den Angeklagten zur<br />

Zurücknahme der Berufung drängen. Es<br />

wird zwar durchaus für zulässig gehalten,<br />

wenn ein Berufungsrichter einem Verteidiger<br />

rät, die Berufung wegen geringer<br />

Erfolgsaussichten zurückzunehmen.<br />

Allerdings war hier die Vorsitzende Richterin<br />

wohl zu weit gegangen und hatte<br />

sich so ausgedrückt, dass ihre Äußerung<br />

als „Warnung“ aufgefasst werden musste<br />

bzw. konnte. Sie hatte angekündigt, dass<br />

sie im Urteil erwähnen würde, dass das<br />

Berufungsgericht keine Sperrfrist verhängen<br />

könne und dieses Urteil dann von<br />

der Straßenverkehrsbehörde gelesen<br />

werden könnte.<br />

Das Oberlandesgericht Hamm<br />

befand, dass diese Mitteilung nicht auf<br />

die Erfolgsaussichten bezogen sei, sondern<br />

dem Angeklagten nach einem Urteil<br />

Schwierigkeiten bei der Wiedererlangung<br />

einer Fahrerlaubnis drohen würden. Das<br />

Gleiche wurde für die möglicherweise<br />

in Aussicht gestellte Verlängerung der<br />

Bewährungszeit und die Änderung der<br />

Bewährungsauflagen gesagt. Das Oberlandesgericht<br />

Hamm sieht hier keinen<br />

Zusammenhang mit einer sachlichen Förderung<br />

des Verfahrens. Die Vorsitzende<br />

hatte außerdem mit der Möglichkeit der<br />

Einleitung eines weiteren Verfahrens<br />

„gedroht“. Es wird vom Oberlandesgericht<br />

Hamm darauf hingewiesen, dass<br />

man zwar über die Erfolgsaussichten<br />

sprechen, dabei aber auf keinen Fall<br />

Druck ausüben dürfe.<br />

Die „Besorgnis der Befangenheit“ ist<br />

also ein recht scharfes Schwert, das ein<br />

Strafurteil ohne weiteres kippen kann.<br />

Für einen Verteidiger kann es sich also<br />

lohnen, mit dem Richter auch außerhalb<br />

der Verhandlung zu sprechen, wobei das<br />

jetzt nicht heißen soll, dass wir unsere<br />

Anwälte in diese Richtung drängen sollten.<br />

Man sollte grundsätzlich davon ausgehen,<br />

dass die Richter neutral sind. Aber wenn in<br />

einem Verfahren ein Verdacht aufkommt,<br />

dass ein Richter voreingenommen ist,<br />

sollte entsprechend reagiert werden.

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