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CRESCENDO 1/18 Januar-März 2018

CRESCENDO - das Magazin für klassische Musik und Lebensart. Interviews unter anderem mit Sonya Yoncheva, Paavo Järvi, Evelyn Glennie und Gauthier Capuçon.

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Interviews unter anderem mit Sonya Yoncheva, Paavo Järvi, Evelyn Glennie und Gauthier Capuçon.

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H Ö R E N & S E H E N<br />

Empfehlungen von Attila Csampai<br />

TOP-NACHWUCHS UND<br />

KLASSIKER GANZ NEU<br />

… bestimmen Attila Csampais Februar-Auswahl<br />

BEETHOVEN: KREUTZER SONATA;<br />

SCHUBERT: ARPEGGIONE SONATA<br />

Bruno Philippe, Tanguy de Williencourt<br />

(Harmonia Mundi)<br />

Track 6 auf der crescendo Abo-CD:<br />

Nacht und Träume D. 827 von Schubert<br />

Man glaubt es kaum, aber es gibt sie noch, die<br />

qualifizierte Nachwuchsförderung durch die Schallplattenindustrie.<br />

Ein französisches Independent-Label geht mutig voran und<br />

schickt zwei einheimische Top-Talente ins Rennen: Cellist Bruno<br />

Philippe und Pianist Tanguy de Williencourt kombinieren Beethovens<br />

virtuose Kreutzer-Sonate mit Schuberts lyrischer Arpeggione-Sonate<br />

und bestehen die Prüfung grandios. Die Cello-Version<br />

der Violinsonate Beethovens wurde erst 1990 in einem Antiquariat<br />

wiederentdeckt: Carl Czerny schuf <strong>18</strong>22 eine exzellente Transkription,<br />

die den dramatischen Furor des Werks fast noch besser<br />

umsetzt. So liefern sich die beiden technisch perfekten Solisten<br />

einen packenden, jugendlich-ungestümen Dialog auf Augenhöhe,<br />

denn das eine Oktave tiefer spielende Cello ist dem Klavier hier ein<br />

ebenbürtiger, dunkel-sonorer Kontrahent. Bei der Schubert-<br />

Sonate, die eigentlich für eine große, harfenähnliche Gitarre komponiert<br />

wurde, übt sich Philippe aber in nobler, fast zärtlicher<br />

Zurückhaltung und gibt so dem arg strapazierten Opus seinen<br />

ursprünglichen liedhaft-innigen Charakter zurück: Von diesem<br />

großartigen, hochmusikalischen Duo wird man bestimmt noch<br />

hören.<br />

NICCOLÒ PAGANINI: 24 CAPRICES<br />

Augustin Hadelich (Warner)<br />

In den Staaten ist Augustin Hadelich längst<br />

kein Unbekannter mehr. Der 1984 in Italien<br />

geborene Sohn deutscher Eltern begann als<br />

Geigen-Wunderkind, erlitt mit 15 bei einem<br />

Unfall schwerste Verbrennungen, kämpfte sich<br />

zurück und gewann mit 22 den Violin-Wettbewerb von Indianapolis.<br />

Danach eroberte er schnell die Konzertsäle der USA und<br />

zuletzt auch Europas. Für sein Debütalbum bei Warner hat er sich<br />

für Paganinis 24 Capricen op. 1 entschieden, dem wohl schwierigsten<br />

und bizarrsten Etüden-Zyklus für Violine solo, der auch viele<br />

Komponisten beeinflusst und angeregt hat. Gleichwohl ist die<br />

Anzahl der Komplettaufnahmen überschaubar geblieben, und es<br />

überwiegt das etüdenhafte Ringen mit der unspielbaren Materie,<br />

sodass auch das Zuhören zur Qual werden kann. Nichts davon in<br />

Hadelichs neuer, lupenreiner, beängstigend perfekter Interpretation:<br />

Ich kenne keine Aufnahme, in der jemand diese 24 Dämonen<br />

so mühelos, so beschwingt, so einfühlsam und so musikalisch<br />

zwingend „gezähmt“ hätte, sodass aller Schrecken, alle Anstrengung,<br />

alles Etüdenhafte sich in arienhafte Anmut, in Schönheit<br />

und sanfte Trauer verwandeln. So wird auch die ganz besondere<br />

Magie, die damals von ihrem Urheber ausging, hier auf verführerische<br />

Weise wiederbelebt: ein Album mit hohem Suchtfaktor und<br />

ein Geiger mit Riesenpotenzial.<br />

FRÉDÉRIC CHOPIN: „GHOSTS“<br />

Nino Gvetadze (Challenge Classics)<br />

Track 7 auf der crescendo Abo-CD:<br />

Walzer in A-Dur op. 34 Nr. 2<br />

„Ghosts“ nennt die aus Georgien stammende<br />

Pianistin Nino Gvetadze ihr neues Chopin-<br />

Album, in dessen Mittelpunkt ihre düsternachdenkliche<br />

Deutung der Préludes des polnischen Klavierrevolutionärs<br />

steht: Sie beschwört auf ihrem erstaunlich dunkel klingenden<br />

Steinway-D-Flügel die Geister der Vergangenheit und<br />

deutet diese 24 enigmatischen Miniaturen als Traumbilder der<br />

Nacht, als poetische Reflexionen über die unausweichliche Existenz<br />

des Todes. Damit entwirft die in Amsterdam lebende Pianistin<br />

die dunkle Gegenwelt etwa zu der jugendlich ungestümen,<br />

lebendig pulsierenden Referenzeinspielung Ivo Pogorelichs aus<br />

dem Jahr 1989, die entschieden allen Todesgedanken trotzte.<br />

Auch Gvetadze erzählt uns eine zusammenhängende Geschichte,<br />

setzt 24-mal die Schönheit des Gedankens und das Drama der<br />

Verzweiflung gegen das drohende Nichts. Doch sie entlockt diesen<br />

„Vorspielen“ eine tiefe spirituelle Kraft, die sofort auch den Hörer<br />

bannt und ihn die eigentliche tragische Größe dieser Nachtstücke<br />

erleben lässt. Ob Chopin damit schon früh ein schmerzliches<br />

Resümee seines kurzen Lebens ziehen wollte, wie sie im Booklet<br />

meint, ist dennoch fraglich: Dass diese Aphorismen aber die<br />

Essenz seines Schaffens und seiner musikalischen Weltsicht darstellen,<br />

das unterstreicht diese fesselnde Einspielung auf besondere<br />

Weise.<br />

ZEICHNUNG: STEFAN STEITZ<br />

30 w w w . c r e s c e n d o . d e — Februar – <strong>März</strong> 20<strong>18</strong>

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