25.05.2020 Aufrufe

CRESCENDO 1/18 Januar-März 2018

CRESCENDO - das Magazin für klassische Musik und Lebensart. Interviews unter anderem mit Sonya Yoncheva, Paavo Järvi, Evelyn Glennie und Gauthier Capuçon.

CRESCENDO - das Magazin für klassische Musik und Lebensart.
Interviews unter anderem mit Sonya Yoncheva, Paavo Järvi, Evelyn Glennie und Gauthier Capuçon.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Konstantin Wecker<br />

Das Multitalent Konstantin Wecker ist nicht nur als – gerne politischer – Liedermacher berühmt, er komponierte auch<br />

die Musik zu zahllosen Filmen, etwa zu Michael Verhoevens DIE WEISSE ROSE, Margarethe von Trottas MIT FÜNFZIG<br />

KÜSSEN MÄNNER ANDERS oder Helmut Dietls SCHTONK!.<br />

Ihr aktuelles Projekt?<br />

Im Februar gibt es im Münchner<br />

Gärtnerplatztheater einen literarisch-musikalischen<br />

Abend<br />

„Der Klang der ungespielten<br />

Töne“ zu meinem gleichnamigen<br />

Roman. An einer Filmmusik<br />

arbeite ich momentan nicht.<br />

Was kann eine perfekte<br />

Filmmusik leisten?<br />

Sie kann und soll ein Gefühl miterzeugen.<br />

Musik ist wie die<br />

Poesie eine nonrationale Sprache.<br />

Sie kann bewirken, dass ein<br />

Thema noch mehr in die Herzen<br />

und Seelen der Menschen hineintransportiert wird. Ein großes<br />

Vorbild für mich ist Nino Rota, der mit Fellini in perfektem<br />

Zusammenklang von Bilderwelt und Musik Meisterwerke wie<br />

La Strada oder Casanova geschaffen hat.<br />

Das ist fast wie in der Oper!<br />

Was ist das Charakteristische an Ihrer Filmmusik?<br />

Ich bin Melodiker! Es gibt viele Regisseure, die eigentlich gar<br />

keine Melodie, sondern dramaturgische und rhythmische Effekte<br />

oder Clusterklänge wollen. Ich hingegen sitze schon beim ersten<br />

Sehen des Filmes im Beisein des Regisseurs am Klavier und spiele<br />

Melodien mit, die in fast allen Fällen dann auch in die weitere<br />

Bearbeitung einfließen.<br />

Highlights?<br />

Helmut Dietl habe ich schon sehr geschätzt. Als er mich fragte,<br />

ob ich die Filmmusik zu Kir Royal machen wolle, bin ich vor<br />

FOTO: THOMAS KARSTEN<br />

Freude hochgehüpft. Oft sagte<br />

er: „Das ist nicht witzig!“ Er<br />

meinte nicht, dass die Musik witzig,<br />

sondern der Zusammenklang<br />

von Bild und Musik spannend<br />

sein soll. Beim Film Schtonk! sieht<br />

man zum Beispiel den Führerbunker<br />

in Schwarz-Weiß-Aufnahmen.<br />

Ich habe mich sehr<br />

bemüht, etwas dafür zu finden.<br />

Am Ende hat er sich für Davon<br />

geht die Welt nicht unter von<br />

Zarah Leander entschieden.<br />

Ihr Alptraum?<br />

Bei ein paar Projekten, die ich<br />

nicht nennen will, habe ich mich schon gefragt: „Warum habe ich<br />

zu diesem komischen Film die Musik gemacht?“ Oft lag das<br />

nicht an den Regisseuren, sondern an dem Wahn, den öffentlichrechtliche<br />

Anstalten haben, unbedingt Quote machen zu müssen.<br />

Das ist der Tod jeder Kunst!<br />

Ihr persönlicher Lieblingsfilm?<br />

Schtonk!, das ist die beste Komödie nach dem Krieg.<br />

Was hören Sie abends zu einem Glas Wein?<br />

Durch meinen Vater, der Opernsänger war, bin ich mit Verdi,<br />

Puccini, Mozart, Schubert und Schumann groß geworden. Im<br />

Herzen bin ich der Klassik treu geblieben. Am meisten verehre<br />

ich Mozart. Wenn du traurig bist, macht er dich froh, wenn du<br />

froh bist, macht er dich noch froher – das ist für mich wie ein<br />

Wunder! Außerdem bin ich bekennender Puccinist: Tosca ist die<br />

beste Oper, die jemals geschrieben wurde.<br />

Enjott Schneider<br />

Enjott Schneider ist Komponist, Musikwissenschaftler und<br />

Hochschullehrer. Er schrieb die Musik zu über 500 Filmen, darunter<br />

HERBSTMILCH, STALINGRAD und SCHLAFES BRUDER<br />

und Serien wie MARIENHOF oder TATORT.<br />

Enjott Schneider ist gefeierter Filmkomponist.<br />

Doch aktuell schlägt er sich die Nächte lieber mit der<br />

Komposition seiner riesigen Chinaoper um die Ohren<br />

FOTO: PRIVAT<br />

Auf crescendo-Anfrage bekannte Enjott Schneider, dass Filmmusik für<br />

ihn in den Hintergrund getreten sei, weil „vom Niveau her längst<br />

langweilig und unterfordernd, das bisschen Elektronik mit Beat kann<br />

auch jeder Anfänger!“. 2017 schrieb Schneider keine, 2016 nur eine<br />

Filmmusik. Dafür brachte er überall in Europa und auf der ganzen<br />

Welt von Brasilien bis Novosibirsk, von Taiwan bis New York nahezu<br />

im Drei-Wochen-Rhythmus Aufführungen, Kompositionsaufträge<br />

und CD-Produktionen über die Bühne. Zusammen mit seinen<br />

Ämtern als GEMA-Vorsitzender und Präsident des Deutschen<br />

Komponistenverbands sei damit sein 20-Stunden-Tag komplett.<br />

Die Zukunft der klassischen Musik sieht Schneider in Bühnenproduktionen<br />

in China, Japan und Korea und nicht in „deutschen Sparproduktionen<br />

à 5.000 Euro je Film“. Am 1. <strong>Januar</strong> stellte Enjott<br />

Schneider die Instrumentierung zu seiner „Riesenoper“ Marco Polo<br />

mit 900 Partiturseiten für China fertig.<br />

65

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!