magazIn - Bergische Universität Wuppertal
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TEXT: HEINRICH WEID, FB D Architektur, seit 2005 Professor für Darstellen und Gestalten in der Architekturausbildung<br />
WAS HAT EIN KOCHSEMINAR IN DER<br />
ARCHITEKTURAUSBILDUNG ZU SUCHEN?<br />
Genderbezogene Lehraufträge:<br />
Die <strong>Bergische</strong> <strong>Universität</strong> möchte die Genderforschung/-lehre zielverein -<br />
barungsgemäß ausbauen. Sie hat daher einen zentralen Lehrauftragspool<br />
eingerichtet, aus dem 5 genderbezogene Lehraufträge über 2 Semester<br />
vergeben werden. Im Wintersemester 2009 und Sommersemester 2010<br />
wurde ein Lehrauftrag in der Architektur an den Künstler Arpad Dobriban<br />
vergeben. Seine Kunst ist das Kochen.<br />
Der Lehrstuhl Darstellen und Gestalten in der Architekturausbildung an der<br />
<strong>Bergische</strong>n <strong>Universität</strong> <strong>Wuppertal</strong> betont und untersucht die künstlerische<br />
Seite in der Architektur. Er möchte Designer schulen die eigenständig denken<br />
und sich besonders den plastischen Möglichkeiten, der Materialität von<br />
Architektur und ihrer gesellschaftlichen Bedeutung widmen. Dabei ist jede<br />
Möglichkeit, die klassischen Trampelpfade der Ausbildung zu verlassen, willkommen.<br />
Über einen genderbezogenen Lehrauftrag mit dem Düsseldorfer Künstler<br />
und Koch Arpad Dobriban für Studierende des 3. und 4. Semesters wurde der<br />
Versuch unternommen, Analogien in der Bedeutung der Materialität zwischen<br />
Kochen und Architektur zu beleuchten sowie die Geschlechterrollen beim Kochen<br />
zu thematisieren.<br />
Von Zutaten einer eher unmodern anmutenden Küche ausgehend: Milch-Eier-<br />
Mehl haben die grundlagenforschenden Studierenden unter der Leitung von<br />
Arpad Dobriban einfachste Gerichte gekocht, gebacken, gebraten und zusammen<br />
verzehrt.<br />
Die Frage nach den Geschlechterrollen bei der Zubereitung von Nahrung, der<br />
Faktor Zeit in unserer beschleunigten Welt, das Banale, Randläufige, Alltägliche<br />
unserer Essgewohnheiten wurde aufgegriffen und diskutiert.<br />
Grundlegend für das Verständnis unserer komplexen Welt im Allgemeinen und<br />
der komplexen Welt der Architektur im Besonderen ist das genaue Hinsehen,<br />
das Betasten, das direkte Formen mit den Händen. Die Wege zu unkonventionellen<br />
Formfindungen und Lösungsansätzen werden hier untersucht und<br />
erprobt. So versteht sich das Fachgebiet Darstellen und Gestalten gewissermaßen<br />
als »Labor für künstlerische Elementarteilchenforschung«.<br />
Es werden grundlegende plastische Erfahrungen mit unterschiedlichen Materialien<br />
vor unserem kulturellen Hintergrund gemacht. Dabei kann es für die<br />
Studierenden genauso aufschlussreich sein, mit Brot- oder Nudelteig zu arbeiten<br />
anstatt mit Ton oder Gips.<br />
Aus Grundsubstanzen entstehen durch entsprechende Umwandlungsprozesse<br />
in der Architektur Gebäude und beim Kochen Gerichte. Die Quellen der<br />
Inspiration sind unermesslich und die Fähigkeit, Analogien zwischen unterschiedlichsten<br />
Bereichen zu erkennen, ist für das Studium der Architektur von<br />
überragender Bedeutung.<br />
AN DEN HERD GEFESSELT<br />
»Die Arbeiten der Frauen im Hause setzen den<br />
Mann ohne Zweifel in den Stand, mehr an Werten<br />
zu produzieren, als es ihm sonst möglich sein<br />
würde, und in diesem Sinne sind die Frauen auch<br />
als wirtschaftliche Faktoren in unserem sozialen<br />
Leben zu betrachten. Aber das gleiche gilt z.B.<br />
auch von Pferden … ökonomisch unabhängig ist<br />
das Pferd darum nicht – und die Frau ist es ebenso<br />
wenig.«<br />
CHARLOTTE PERKINS GILMAN, Mann und Frau:<br />
Die wirtschaftlichen Beziehungen der Geschlechter<br />
als Hauptfaktoren der sozialen Entwicklung. Dresden;<br />
Leipzig: Minden, 1913<br />
26<br />
Am Ende des 3. Semesters wurden in einer gemeinsamen<br />
Ausstellung im Kunst- und Kulturverein<br />
»Hebebühne« in der <strong>Wuppertal</strong>er Nordstadt die<br />
Ergebnisse des Kochseminars an der <strong>Bergische</strong>n<br />
<strong>Universität</strong> mit skulpturalen Arbeiten anderer Seminargruppen<br />
in Beziehung gesetzt und einer interessierten<br />
Öffentlichkeit vorgestellt.<br />
Am Ende des 4. Semesters wurden in der Aula am<br />
Haspel vier verschiedene Kurse aus dem Lehrstuhl<br />
Darstellen und Gestalten präsentiert. Die<br />
Kochtruppe präsentierte sich mit einem selbst gedrehten<br />
und geschnittenen Film und selbst gebackenen<br />
Broten mit selbst hergestellten Anstrichen<br />
– nein! – natürlich Aufstrichen! L