BS 10-2020
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EDItOrIal<br />
Krischan Förster<br />
Chefredakteur<br />
Allerhöchste Eisenbahn<br />
Geht es nach Sigrid Nikutta, dann<br />
mischt die DB Cargo künftig den Verkehrssektor<br />
kräftig auf. Die neue Chefin<br />
der Gütersparte will das bisherige<br />
Sorgenkind des Staatskonzerns auf<br />
Effzienz und Kundenfreundlichkeit<br />
trimmen, die angebote ausweiten und<br />
den Marktanteil steigern.<br />
Das ist mal eine Kampfansage der<br />
von den Berliner Verkehrsbetrieben<br />
abgeworbenen Bahn-Managerin. Sie<br />
kann dabei auf einen starken politischen<br />
rückenwind setzen, wenn es darum<br />
geht, transporte von der Straße<br />
zu holen. Die DB Cargo wird sich aber<br />
garantiert nicht scheuen, auch bei der<br />
Binnenschifffahrt zu wildern, wenn es<br />
hilft, ihre Güterzüge auszulasten.<br />
Die angekündigten Verbindungen<br />
in die Westhäfen rotterdam und antwerpen<br />
sind nur ein erstes Beispiel. Die<br />
Bahn tritt damit in Konkurrenz zum<br />
lkw, aber eben auch zur rheinschifffahrt.<br />
Wie schnell Kunden abwandern,<br />
hat sich nach dem Niedrigwasser von<br />
2018 gezeigt. So verweist die ZKr in<br />
ihrem aktuellen Jahresbericht darauf,<br />
dass es nicht gelungen sei, das damals<br />
vom Wasser auf die Schiene umgeleitete<br />
Volumen komplett wieder aufs Schiff<br />
zurückzuholen. Jetzt droht weitere ladung<br />
verloren zu gehen.<br />
Doch Nikutta geht es um mehr als<br />
nur den ausbau des Streckennetzes<br />
zwischen Ballungsräumen wie Hamburg<br />
und Köln und um ein dichter<br />
geknüpftes Netz von KV-terminals.<br />
Nachdem die Bahn über Jahrzehnte<br />
immer mehr Gleisanschlüsse zu den<br />
Kunden, unter anderem in die Binnenhäfen,<br />
gekappt hat, will sie künftig<br />
die ladung direkt beim Kunden<br />
abholen oder zu ihm bringen, insgesamt<br />
ihre logistikketten verbessern. So<br />
könnten die transportmengen auf der<br />
Schiene um 30% gegenüber 2018 gesteigert<br />
werden, bescheinigten Gutachter<br />
der Bahn. allerdings seien auch weitere<br />
760 Mio. € für die »unumgängliche«<br />
Modernisierung nötig.<br />
Wer nur an die durch Staus chronisch<br />
überlasteten Straßen denkt, wird<br />
dagegen kaum Einwände haben. auch,<br />
dass die Bahn mit Blick auf die gravierenden<br />
Klimaprobleme die bessere alternative<br />
zum lkw ist, kann niemand<br />
bestreiten. Wenn aber die vom Staat<br />
mit Milliarden alimentierte Bahn im<br />
Kampf um Gütermengen und Marktanteile<br />
die nicht weniger umweltfreundliche<br />
Binnenschifffahrt attackieren<br />
sollte, wäre dies fatal.<br />
Die Ware sucht sich ihren Weg, heißt<br />
es so schön. Der Kunde wird im regelfall<br />
das für ihn – in jeder Hinsicht –<br />
günstigste angebot wählen. Das sind<br />
die Gesetze des Marktes. Dennoch gilt<br />
es zu verhindern, dass die Bahn das<br />
Binnenschiff »kannibalisiert«.<br />
aufgabe der Verkehrspolitiker ist es,<br />
auch ohne dirigistische Eingriffe, für<br />
Chancengleichheit zu sorgen. Das betriff<br />
verlässliche Investitionen in die<br />
Infrastruktur ebenso wie eine ausreichende<br />
Förderung von technischen<br />
und logistischen Innovationen. Was<br />
dafür gebraucht wird, ist bereits seit<br />
anderthalb Jahren im »Masterplan<br />
Binnenschifffahrt« hinterlegt. Doch<br />
andere Sektoren bekommen, wie so<br />
oft, den Vorzug. Dabei ist Eile geboten.<br />
Oder mit den Worten des Berliner Humoristen<br />
adolf Glaßbrenner gesprochen:<br />
»Es ist allerhöchste Eisenbahn.«<br />
Viel Spaß beim lesen wünscht<br />
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