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BS 10-2020

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WaSSErStraSSEN | HÄ FEN<br />

Ein Bild von Schiffern auf ihren<br />

Schleppkähnen, vermutlich aus der<br />

Zeit um 1920. Bildautor unbekannt<br />

Berlin, aus dem Kahn gebaut<br />

Die Hauptstadt hätte in diesem Jahr ein Jubiläum feiern können. Vor <strong>10</strong>0 Jahren wurde<br />

Groß-Berlin gegründet. Wir erinnern daran, dass die Baustoffe für die Expansion<br />

der Stadt übers Wasser kamen<br />

In der Corona-Hektik dieses Jahres ist buchstäblich untergegangen,<br />

dass vor genau <strong>10</strong>0 Jahren das Berliner Stadtgebiet von<br />

66 km² auf 878 km² ausgeweitet wurde. Und vergessen wird auch<br />

manchmal, dass der ausbau zu Groß-Berlin ohne die Wasserstraßen<br />

und die Schifffahrt nicht möglich gewesen wäre.<br />

Die Städte Spandau und Berlin besaßen bereits im Mittelalter<br />

am Zusammenfluss von Havel und Spree gute Bedingungen für<br />

die Flussschifffahrt. Die Straßen in der Mark Brandenburg waren<br />

weitgehend unbefestigte Feldwege, manchmal mit Feldsteinen<br />

gepflastert. Mit der Ertüchtigung der Wasserwege ab dem<br />

17. Jahrhundert konnte die Binnenschifffahrt ihre leistungen für<br />

die Entwicklung Berlins bedeutend steigern. Um die wachsende<br />

Stadt mit Baustoffen zu versorgen, entstanden in der umliegenden<br />

Mark Brandenburg zahlreiche Ziegeleien. 1850 erhielt Berlin<br />

1,6 Mio.t Massengüter aus dem Umland: Ziegelsteine, Holz,<br />

Sand und Kies. 1873 lieferte die Industrie insgesamt 575 Mio. Ziegelsteine<br />

nach Berlin. Damals galten Finowmaß-Schiffe (40 m x<br />

4,60 m) und Berliner Maßkähne (46 m x 6,50 m) als Standardfahrzeuge<br />

für die transporte. 19<strong>10</strong> waren es bereits 625 Mio. Ziegel.<br />

Nach dem deutsch-französischen Krieg von 1870/71 entwickelte<br />

sich ein Bauboom sondergleichen. Berlin hatte 1905 einen Güterumschlag<br />

aus dem Binnenschiff von <strong>10</strong>,9 Mio t und erreichte<br />

1928 die Höchstzahl von 11,1 Mio. t. Im hundertsten Jahr seit<br />

der Gründung von Groß-Berlin sind es übrigens nicht einmal<br />

mehr 2 Mio. t.<br />

Schon seit 1820 soll darüber diskutiert worden sein, das Berliner<br />

Stadtgebiet durch die Eingemeindung von Dörfern und<br />

Städten im Umfeld zu vergrößern. Doch den reichen Ortschaften<br />

wären die Berlin-Steuern zu hoch gewesen, das Berliner abgeordnetenhaus<br />

wollte die arbeitervororte Wedding und Moabit<br />

wiederum nicht haben, weil deren Steuerzahlungen zu niedrig<br />

waren. Erst der heute noch verehrte Oberbürgermeister arthur<br />

Johnson Hobrecht schlug 1875 vor, aus den Städten Berlin, Charlottenburg-Spandau<br />

und Köpenick sowie den landkreisen teltow<br />

und Niederbarnim eine neue »Provinz Berlin« zu gründen. Zunächst<br />

hatte die preußische regierung kein Interesse daran, die<br />

Hauptstadtregion aus ihrer Kernprovinz Brandenburg zu entlassen.<br />

aber 1920 war es dann soweit. Berlin war damals bereits die<br />

drittgrößte Hauptstadt der Welt und musste sich und das Umland<br />

effektiver verwalten.<br />

Inzwischen war die Eisenbahn für die Binnenschifffahrt in der<br />

zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zum ernstzunehmenden Konkurrenten<br />

geworden, und im 20. Jahrhundert kam noch der lkw<br />

hinzu, die transporte übers Wasser nahmen ab. Die losung »Berlin<br />

ist aus dem Kahn gebaut« wird aber bis heute gepflegt, unter anderem<br />

vom Förderverein Historischer Hafen Berlin und der Berlin-Brandenburger<br />

Schifffahrtsgesellschaft e.V. Bemühungen, den<br />

Schiffspark gegenüber dem Osthafen zu verlegen und museal auszubauen,<br />

konnten bislang nicht umgesetzt werden, trotz bewilligter<br />

Fördermittel des Berliner Senats. Es hat sich ausgebaut. ck<br />

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Binnenschifffahrt <strong>10</strong> | <strong>2020</strong>

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