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Erbrecht - Marcel Küchler

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Prof. Dr. Bruno Huwiler SS 1999 (Update Juli 2003)<br />

<strong>Erbrecht</strong><br />

oder ein Wohnrecht), handelt es sich um einen Innominatvertrag 18 (i.w.S.): Auf der<br />

einen Seite steht der Erbvertrag – Erbeinsetzung und Bindung – (Verfügung von Todes<br />

wegen) und auf der andern das Leistungsversprechen des Vertragspartners (Rechtsgeschäft<br />

unter Lebenden). 19 Es handelt sich also um zwei Verträge, die an sich unabhängig<br />

voneinander existieren könnten. Jedoch werden die beiden Verträge je um des andern<br />

Vertrages willen eingegangen (sog. zusammengesetzter Vertrag, Kombinationsvertrag<br />

20 ). Der Vertragspartner verspricht nur, weil der Erblasser seinerseits die Erbeinsetzung<br />

verspricht.<br />

Das BGer wendet auf solche zusammengesetzte Verträge analog die Regeln über das<br />

Synallagma an [Rz. 43: BGE 97 II 390, 395]:<br />

a) Genetisches Synallagma (Art. 20 I OR)<br />

• Ist eine Leistung von Anfang an unmöglich, entfällt der ganze Vertrag und damit<br />

auch die Gegenleistung (obwohl möglich).<br />

Ist die Leistung unter Lebenden von Anfang an unmöglich bzw. rechts- oder sittenwidrig<br />

21 , kommt das Rechtsgeschäft unter Lebenden gar nicht zustande (direkte Anwendung<br />

von Art. 20 I OR) [Rz. 42: BGE 44 II 343, 345]. Ist eine Leistung nichtig, dann ist<br />

es auch die andere: bezüglich des Erbvertrages wird jedoch Art. 20 I OR nur sinngemäss<br />

angewendet, d.h. der Erbvertrag wird – gemäss der erbrechtlichen Regel, dass<br />

auch Nichtigkeitsgründe nur zur Anfechtbarkeit führen – anfechtbar, und zwar aufgrund<br />

eines Willensmangels (Art. 469 ZGB), weil ja der Erblasser den Erbvertrag nur abgeschlossen<br />

hat, weil der Vertragspartner ihm die Gegenleistung versprochen hat.<br />

Ist der Erbvertrag selbst recht- oder sittenwidrig, ist dies ein Anfechtungsgrund nach<br />

Art. 519 ZGB. Bei erfolgreicher Anfechtung (Unwirksamkeit ex tunc) wird auf das<br />

Rechtsgeschäft unter Lebenden Art. 20 I OR direkt angewandt, d.h. dieser fällt mit dem<br />

Erbvertrag ex tunc dahin.<br />

b) Funktionelles Synallagma (Art. 82 OR)<br />

Vgl. oben 17.2.2B).<br />

18 Vgl. zum Innominatvertrag OR-SCHLUEP/AMSTUTZ, Einleitung vor Art. 184 OR, N. 1 ff.<br />

19 Jeder Vertrag der eine Zuwendung (Verschaffung eines Vermögensvorteils) bezweckt, bedarf einer<br />

causa (donandi, credendi, solvendi, mortis). Der Zuwendung des Erblassers (Verschaffung einer Anwartschaft<br />

[Handgeschäft]) unterliegt die causa mortis, dem Versprechen des Vertragspartners (Dauerschuldverhältnis<br />

[Stammrecht und periodische Ansprüche]) hingegen die causa credendi, er verspricht<br />

nur, weil ihm der Erblasser die Erbeinsetzung verspricht.<br />

20 Etwa vergleichbar den bekannten Bierlieferungsverträgen (vgl. z.B. BGE 114 II 159).<br />

21 Zur Sittenwidrigkeit im Allgemeinen vgl. BK-Bucher zu Art. 27 ZGB. Massgebend soll nicht mehr<br />

„die Anschauung aller billig und gerecht denkenden Volksgenossen, gemessen an einem durchschnittlichen<br />

Massstab“ sein, sondern die der Kodifikation stillschweigend zugrunde gelegten ethischen<br />

(sittlichen) Wertmassstäbe bzw. Wertvorstellungen. Die Sittenwidrigkeit wird so zum Unterfall der<br />

Rechtswidrigkeit. Damit soll – laut HUWILER – das Risiko umgangen werden, dass unter gewissen<br />

Bedingungen alle „gerecht und billig Denkenden“ keine gerechten und billigen Anschauungen mehr<br />

haben könnten (z.B. wie zur Zeit des Dritten Reiches in Deutschland). Erlaubt sei kritisch anzumerken,<br />

dass zum einen diese durch den historischen Gesetzgeber zugrunde gelegten Wertmassstäbe vielleicht<br />

nicht mehr zeitgemäss sein könnten – oder aber sie müssten derart allgemein angenommen<br />

werden, dass sie zur konkreten Beurteilung von Verträgen wenig taugliche Mittel abgeben und der<br />

Richter wiederum auf seine bzw. die allgemeine Anschauung angewiesen ist.<br />

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