Erbrecht - Marcel Küchler
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Prof. Dr. Bruno Huwiler SS 1999 (Update Juli 2003)<br />
<strong>Erbrecht</strong><br />
• Das widerrufene Testament muss die testamentarischen Formerfordernisse erfüllt<br />
haben, damit es durch einen einfachen Verweis wieder in Kraft gesetzt werden<br />
kann.<br />
• Die zerstörte Testamentsurkunde muss vollständig rekonstruiert werden können.<br />
20.3 Widerruf durch spätere Verfügung unter Lebenden<br />
Grundsätzlich bestimmt das Gesetz, dass eine letztwillige Verfügung über eine bestimmte<br />
Sache (meist ein Vermächtnis) dadurch aufgehoben wird, dass der Erblasser<br />
über die Sache eine Verfügung (unter Lebenden) trifft, die mit jener nicht vereinbar ist<br />
(Art. 511 II ZGB). 39 Eine zeitlich spätere Verfügung unter Lebenden, die einer früheren<br />
Verfügung von Todes wegen widerspricht, kann somit Trägerin eines erbrechtlich relevanten<br />
Widerrufswillens sein.<br />
Gleichzeitig sagt Art. 484 III ZGB, dass, wenn sich eine bestimmte Sache, die der Erblasser<br />
vermacht hat, im Nachlass nicht vorfindet und kein anderer Wille des Erblassers<br />
aus der Verfügung hervorgeht, der Beschwerte nicht verpflichtet ist.<br />
20.3.1 Gegenstand beim Tod des Erblassers im Nachlass<br />
vorhanden<br />
Findet sich im Nachlass des Erblassers (durch Umstände, die er nicht zu verantworten<br />
hat) ein Gegenstand wieder, den er zwar vermacht, über den er später jedoch in oben<br />
(20.3) beschriebener Weise 'verfügt' hat, ist die Verfügung von Todes wegen dennoch<br />
gültig widerrufen und der Gegenstand nicht mehr als Vermächtnis geschuldet. Für den<br />
formgültigen Widerruf des Vermächtnisses, der sich in diesem Fall in der 'Verfügung'<br />
unter Lebenden manifestiert, ist allein der Wille des Erblassers massgebend und nicht<br />
die tatsächlichen Verhältnisse (Art. 511 II ZGB). Diese können allenfalls beweisrechtlich<br />
von Bedeutung sein.<br />
Beispiel:<br />
Ein Erblasser (E) vermacht in seinem Testament ein Bild, welches er später aber einem<br />
Kunsthändler verkauft. Durch die traditio des Bildes geht das Eigentum auf den Kunsthändler<br />
über. Der Kunsthändler bezahlt jedoch den Kaufpreis nicht, weshalb E vom<br />
Kaufvertrag zurücktritt und den Vertrag rückabwickelt (Art. 107 ff. OR): Er lässt sich<br />
das Bild rückübereignen und beim Tod des E befindet sich das Bild demnach wieder in<br />
seinem Nachlass.<br />
Mit dem Verkauf des Bildes (Verfügung in einem weiten Sinne, vgl. Fn. 39) ist die ursprüngliche<br />
Verfügung von Todes wegen formgültig widerrufen. Die 'Rückkehr' des<br />
Bildes in den Nachlass des E kann diese nicht wieder aufleben lassen, da auch der<br />
39 Das Bundesgericht geht unzutreffenderweise vom allgemeinen zivilrechtlichen Verfügungsbegriff<br />
(Verfügung im technischen Sinne) aus [Rz. 60: BGE 67 II 88, 96 ff.]. Der Begriff der Verfügung in<br />
Art. 511 II ZGB sollte jedoch jegliche Art von Veräusserungsgeschäft umfassen, in welchem sich<br />
der Wille des Erblassers manifestieren kann, etwas dem Nachlass entziehen zu wollen. Fehlt es nur<br />
z.B. noch am Vollzug des Veräusserungsgeschäftes, liegt dennoch ein formgültiger Widerruf vor.<br />
Denn schon in einer Verpflichtung manifestiert sich der Widerrufswille; auch zeitigt das Geschäft bereits<br />
gewisse 'Wirkungen', z.B. entsteht die Verpflichtungslage, oder es geht – bei einem Kaufvertrag<br />
– Nutzen und Gefahr auf den Erwerber über.<br />
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