Erbrecht - Marcel Küchler
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Prof. Dr. Bruno Huwiler SS 1999 (Update Juli 2003)<br />
<strong>Erbrecht</strong><br />
nereignis selbst ist noch nicht eingetreten. Das zeitliche Auseinanderfallen der Schadenersatzvoraussetzungen<br />
soll nach dieser Lehre unschädlich sein. 38<br />
c) Schadenersatz für Vermächtnisnehmer<br />
Da die Urkunde nicht im Eigentum eines Vermächtnisnehmers steht, können diese<br />
keine Widerrechtlichkeit nach Art. 41 I OR geltend machen. Wer aber bewusst eine<br />
solche Urkunde vernichtet, handelt zumindest auch eventualvorsätzlich, denn er nimmt<br />
die Schädigung der Erben bzw. Vermächtnisnehmer in Kauf, was einen Verstoss gegen<br />
die guten Sitten, d.h. die ungeschriebenen Grundsätze der Kodifikation (hier: neminem<br />
laedere) darstellt. In einem solchen Fall bedarf es keiner Widerrechtlichkeit, ein Vermächtnisnehmer<br />
kann sich auf Art. 41 II OR stützen.<br />
Wird die Urkunde bloss fahrlässig vernichtet, entfällt diese Möglichkeit, weshalb für<br />
die Begründung der Widerrechtlichkeit eine entsprechende Schutznorm gefunden werden<br />
muss. Eine solche findet sich in Art. 556 I ZGB, welche jedermann dazu verpflichtet,<br />
solche Urkunden einzuliefern, was auch Schutz der Urkunde vor Beeinträchtigung<br />
von jedermann schützen soll bzw. dazu dient, die Ansprüche von Erben und Vermächtnisnehmern<br />
zu schützen.<br />
20.2.3 Erneuerung eines durch Vernichtung widerrufenen<br />
Testaments<br />
[Rz. 55: BGE 101 II 211, 215 ff.] Wird ein in jeder Hinsicht wirksames Testament<br />
durch den Erblasser willentlich vernichtet, ist dies eine rechtswirksame Aufhebung des<br />
Testaments (Verfügung von Todes wegen, d.h. Wiedereinsetzung der gesetzlichen<br />
Erben [Art. 510 I ZGB]).<br />
Worum handelt es sich aber, wenn der Erblasser in einem weiteren formgültigen Testament<br />
das frühere (durch Vernichtung) widerrufene Testament (ohne weitere inhaltliche<br />
Anordnungen) wieder als wirksam erklärt?<br />
Hätte der Erblasser die Urkunde nicht vernichtet, sondern das Testament nur als widerrufen<br />
erklärt, dann könnte er durch eine weitere Verfügung von Todes wegen erneut das<br />
frühere Testament für wirksam erklären. Ebenso, wenn er ein Testament durch streichen,<br />
lochen usf. widerrufen hat. Im Falle der Vernichtung hält nun das Bundesgericht<br />
dafür, dass zu erstgenannten Fällen kein Unterschied gemacht werden sollte, sofern nur<br />
die widerrufene Verfügung gültig war und der Inhalt der vernichteten Urkunde rekonstruierbar<br />
sei, denn es handle sich insofern um eine reine Beweisfrage analog zu Art.<br />
510 II ZGB.<br />
Die Voraussetzungen, damit ein durch Vernichtung widerrufenes Testament wieder<br />
auflebt sind demnach:<br />
38 Ein Schaden kann erst lange Zeit nach einem schädigenden Ereignis eintreten, z.B. bei einem lecken<br />
Öltank (vgl. REY HEINZ, Ausservertragliches Haftpflichtrecht, Zürich 1998, Rz. 540 ff.). Zwar sieht<br />
das Gesetz für die Ausschlagung eine Verwirkungsfrist von drei Monaten vor (Art. 571 ZGB). Tritt<br />
aber ein Schaden aus einem Nachlass erst viele Jahre später ein, gibt es die Möglichkeit, dies Frist aus<br />
wichtigen Gründen zu restituieren (Art. 576 ZGB).<br />
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