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Erbrecht - Marcel Küchler

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Prof. Dr. Bruno Huwiler SS 1999 (Update Juli 2003)<br />

<strong>Erbrecht</strong><br />

Die Verwaltungsbefugnis betrifft den Entscheid, wie das Vermögen verwaltet werden<br />

soll (Verkauf, Reparatur usf.). Die Vertretungsbefugnis ist die Befugnis, mit Wirkung<br />

für das vererbte Vermögen Rechtsgeschäfte abzuschliessen. Der Begriff der Vertretungsbefugnis<br />

ist hier allerdings nur in Analogie zu Art. 396 OR (Auftragsrecht) gebraucht,<br />

denn der Vorerbe ist ja (im Gegensatz zum Beauftragten) Eigentümer und<br />

braucht infolgedessen keine bestimmte Vertretungsvollmacht, da ihm die Vertretung<br />

ohnehin schon obliegt. Wo eine Verwaltungsbefugnis und -pflicht besteht, verfügt der<br />

Vorerbe auch über entsprechende Verfügungsmacht (volle Vertretungsmacht). Überträgt<br />

er beispielsweise sein Eigentum, erwirbt der Käufer kein resolutiv bedingtes, sondern<br />

unbelastetes und volles Eigentum. Der gute Glaube des Erwerbers ist dabei unerheblich.<br />

a) Ordentliche Verwaltung<br />

Dass der Vorerbe eine ordentliche Verwaltungsbefugnis und -pflicht besitzt (abgeleitet<br />

aus Art. 491 ZGB), ist unstreitig. Ordentliche Verwaltungshandlungen dienen der Substanzerhaltung.<br />

Der Vorerbe ist verpflichtet, den Wert der Erbschaft nicht zu vermindern; und er muss<br />

dafür sorgen, dass sie (soweit möglich) unversehrt in den Besitz des Nacherben übergeht<br />

[Rz. 73: BGE 100 II 92 (Pra 63 Nr. 279)].<br />

b) Ausserordentliche Verwaltung<br />

Gehen Verwaltungshandlungen über die blosse Substanzerhaltung hinaus, besteht die<br />

Vertretungsmacht nicht kraft Verwaltungsbefugnis des Vorerben, sondern nur kraft<br />

seines Eigentums; er veräussert also als resolutiv bedingter Eigentümer und kann nur<br />

belastetes Eigentum an Dritte übertragen (nemo plus iuris transferre potest quam ipse<br />

habet).<br />

Vgl. aber Art. 714 II und 933 ZGB: Der gute Glaube des Erbwerbers (keine Kenntnis<br />

der resolutiven Bedingtheit des Eigentums) kann heilende Wirkung haben, was dazu<br />

führt, dass er lastenfreies Eigentums erwirbt. Risiko des Nacherben gegenüber dem<br />

Vorerben! Der Schaden des Nacherben hält sich in einem solchen Fall allerdings in<br />

Grenzen; er erleidet nur eine ideelle Einbusse, denn wertmässig ist er nicht beeinträchtigt<br />

(anstelle der verkauften Sache tritt als Surrogat der Kaufpreis).<br />

Vor einem Gutglaubenserwerb durch Dritte kann sich der Nacherbe bei Liegenschaften<br />

schützen, indem er die Auslieferungspflicht im Grundbuch vormerken lässt, was eine<br />

absolute, verdinglichte Wirkung nach sich zieht.<br />

B) Im Verhältnis zum Nacherben<br />

Art. 488 I ZGB spricht von der Pflicht des Vorerben zur Auslieferung an den Nacherben.<br />

Bei Lichte besehen handelt es sich aber nicht um eine obligatorische Pflicht, sondern<br />

um die dem Nacherben zustehende Befugnis, die Erbschaftsklage (Vindikationsklage<br />

[Art. 598 ZGB]) gegen den Vorerben anzustrengen. Denn mit Eintritt des Nacherbenfalles<br />

tritt der Nacherbe in die Erbenstellung ein, sodass er über dieselben Rechtsbehelfe<br />

verfügt wie jeder andere Erbe auch. Der Vorerbe auf der andern Seite ist nicht<br />

mehr Erbe, sondern bloss noch Besitzer ohne gültigen Besitztitel.<br />

Erst mit Klageanhebung entsteht gegen den Vorerben der Anspruch auf Herausgabe der<br />

Sache (obligatorische Pflicht zu einem Tun), d.h. Herstellung der Besitzeslage (Ver-<br />

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