… und Standespolitik wirkt doch, Kammerwahl 2020
Ausgabe 6/2020
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Sonderthema 19<br />
häufig das Wochenende abgewartet haben <strong>und</strong> dann<br />
entschieden, ob sie Termine wahrnehmen. Wir haben<br />
versucht, uns auf dieses Verhalten möglichst gut einzustellen,<br />
was vom gesamten Team eine unheimliche<br />
Flexibilität verlangte.<br />
Im Gegensatz zu manchen anderen Praxen waren<br />
wir der Meinung, dass sämtliche notwendigen zahnärztlichen<br />
Behandlungen bei vermutet ges<strong>und</strong>en Patienten<br />
durchgeführt werden können. Dazu gehört bei<br />
uns auch die Professionelle Zahnreinigung als notwendige<br />
Behandlung. Diese Auffassung habe ich in enger<br />
Abstimmung mit Kolleginnen <strong>und</strong> Kollegen geteilt.<br />
Für an COVID-19 erkrankte Patienten wurden von<br />
der Kammer <strong>und</strong> der KZV Notfallzentren eingerichtet.<br />
Schon immer legen wir großen Wert darauf, dass wir<br />
„Fachärzte“ für Zahnheilk<strong>und</strong>e sind. Unser Beruf birgt<br />
wie auch viele andere Berufe, gewisse Risiken bei seiner<br />
Ausübung. Das war schon immer so. Vor Corona<br />
gab es HIV, Hepatitis, Grippe <strong>und</strong> viele andere Erreger.<br />
Ich bin sicher, dass die Zahnärzteschaft in den vergangenen<br />
Jahrzehnten ordentliche Hygienestrukturen<br />
in den Praxen aufgebaut hat. Diese Strukturen haben<br />
meiner Ansicht nach erfolgreich dafür gesorgt, dass<br />
unter zahnärztlichem Praxispersonal keine erhöhten<br />
Infektionszahlen, nicht nur bei Corona, vorlagen bzw.<br />
vorliegen. Aktuell fühle ich mich in unserer Praxis <strong>und</strong><br />
zu Hause am wohlsten. An diesen Orten weiß ich sehr<br />
genau, wie Hygiene betrieben wird.<br />
Den Ansatz, zum Beispiel die PZR während der<br />
Coronakrise als nicht notwendig <strong>und</strong> aufschiebbar<br />
zu bewerten oder gar deren Durchführung zu untersagen,<br />
halte ich im medizinischen Sinne als auch berufsethisch<br />
für sehr fragwürdig. Ich meine, auch die<br />
PZR gehört zu unserem Sicherstellungsauftrag, um die<br />
Entstehung parodontaler Erkrankungen zu verhindern<br />
oder bei bestehender bzw. bereits behandelter PAR<br />
eine Verschlechterung zu vermeiden.<br />
Wir haben gegenüber Politik <strong>und</strong> Kostenträgern jahrelang<br />
dafür gekämpft <strong>und</strong> werden das auch weiter tun<br />
müssen, dass die PZR eine medizinisch notwendige,<br />
wissenschaftlich f<strong>und</strong>ierte Leistung ist.<br />
Die im Bereich von Social Media vielleicht etwas<br />
vorschnell geposteten Forderungen nach behördlich<br />
verordneten Praxisschließungen wegen fehlender<br />
Schutzausrüstung, höchster Infektionsgefahr <strong>und</strong> fehlender<br />
Unterstützung durch wen auch immer, waren<br />
im Sinne der Zahnheilk<strong>und</strong>e sicher etwas kontraproduktiv.<br />
Wir werden diesen Posts in den kommenden<br />
Jahren, so glaube ich, immer mal wieder unangenehm<br />
begegnen, sei es in Vertragsverhandlungen oder bei<br />
der Positionierung der Zahnheilk<strong>und</strong>e als Fachdisziplin<br />
der Medizin.<br />
Ich glaube, dass diese Meinungsäußerungen ihren<br />
Beitrag zum unsäglichen § 6a der Corona-Verordnung<br />
der Landesregierung geleistet haben. Schlimm, dass<br />
die Politik vor dem Erlass dieser Verordnung keinen<br />
„zahnärztlichen Rat“ eingeholt hat. Schlimm auch,<br />
aber zu erwarten war, dass Sozialminister Manfred<br />
Lucha trotz intensiver Verhandlungen mit Dr. Ute Maier<br />
<strong>und</strong> Dr. Torsten Tomppert über die Osterfeiertage<br />
den § 6a nicht gestrichen hat.<br />
Die nachgeschobene gemeinsame Presseerklärung<br />
hat von unseren Patienten niemand gelesen.<br />
Nach dem Osterwochenende gab es unter den Patienten<br />
eine große Unsicherheit. Wir bekamen Anfragen,<br />
ob es denn strafbar sei, zur Behandlung z. B.<br />
dem Legen einer Füllung, in der Praxis zu erscheinen.<br />
Glücklicherweise hat sich diese Situation mit Wirkung<br />
vom 4. Mai durch Streichung des § 6a wieder geklärt.<br />
Wie die meisten Menschen <strong>und</strong> Branchen trifft auch<br />
uns die Coronakrise in jeglicher Hinsicht sehr hart.<br />
Ohne finanzielle Einbußen geht das natürlich nicht.<br />
Umsätze gingen verloren. Teilweise werden wir diese<br />
sicher nachholen können. Die notwendige prothetische<br />
Versorgung, die Erneuerung der insuffizienten<br />
Füllung oder die Entfernung des teilretinierten 8ers<br />
müssen „abgearbeitet“ werden. Vermutlich werden<br />
wir unsere Urlaubspläne für dieses Jahr – nicht nur<br />
wegen Corona – ändern müssen. Schön, wenn man<br />
besonders in bisher ungekannten Krisenzeiten, ein<br />
motiviertes <strong>und</strong> loyales Team hat!<br />
Vonseiten unserer Standesvertretung auf Landes<strong>und</strong><br />
Bezirksebene, der Landeszahnärztekammer <strong>und</strong><br />
dem Vorstand der Kassenzahnärztlichen Vereinigung<br />
Baden-Württemberg, haben sich mein Team <strong>und</strong> ich<br />
jederzeit gut informiert <strong>und</strong> unterstützt gefühlt. Es<br />
ist mir vollkommen klar, dass auch eine Landeszahnärztekammer<br />
Baden-Württemberg keine Möglichkeiten<br />
hat, auf dem leergefegten Weltmarkt Schutzausrüstungen<br />
zu bekommen. Das Päckchen mit 20<br />
M<strong>und</strong>schutzen war sicher eine symbolische Geste<br />
der Unterstützung. Aber nachdem wir unser „Schulchinesisch“<br />
aufgefrischt haben, konnten wir auch die<br />
Gebrauchsanweisung lesen. – Das soll aber ein Witz<br />
sein.<br />
In solchen Zeiten ist auch Kollegialität gefragt. Ein<br />
schönes Beispiel hierfür ist eine Heilbronner kieferorthopädische<br />
Praxis, die ganz spontan ihre 3D-Drucker<br />
zur Produktion von einfachen Gesichtsvisieren verwendet.<br />
Eine kostenlose Gr<strong>und</strong>ausstattung wurde an<br />
die Kollegenschaft versandt. Auf Nachfrage gibt es<br />
weitere Exemplare auf Spendenbasis.<br />
Der Informationsfluss über Kammer KOMPAKT<br />
klappt sehr gut. Die Website gibt einen schnellen<br />
Überblick über die Lage. Informationen zu Verordnungen,<br />
Maßnahmen <strong>und</strong> mögliche Unterstützungen<br />
können sehr einfach <strong>und</strong> schnell abgerufen werden.<br />
Ich finde, unsere Standesvertretung macht einen sehr<br />
guten Job! Ich bin sehr gespannt, welche (finanzielle)<br />
Unterstützungen tatsächlich zum Tragen kommen.<br />
Am Montag, den 4. Mai, nach Streichung des § 6a,<br />
wurde in vielen Medien berichtet, dass nun auch<br />
Zahnärzte wieder alle Leistungen anbieten dürfen.<br />
Das war meiner Ansicht eine etwas unglückliche Formulierung,<br />
erweckte sie <strong>doch</strong> den Anschein, dass alle<br />
Praxen, die während der Gültigkeit von § 6a geöffnet<br />
hatten, sich im Bereich einer Grauzone bewegten.<br />
Sei´s drum. Unter veränderten Bedingungen geht<br />
es, so glaube ich, hin zu einer neuen „Normalität“ in<br />
der Gesellschaft <strong>und</strong> auch in unseren Praxen.<br />
Ich habe aber keine Zweifel, daran, dass die Zahnärzteschaft<br />
gut aufgestellt ist.<br />
www.zahnaerzteblatt.de<br />
ZBW 6/<strong>2020</strong>