… und Standespolitik wirkt doch, Kammerwahl 2020
Ausgabe 6/2020
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36<br />
Praxis<br />
Der GOZ-Ausschuss der LZK BW informiert<br />
Zweierlei Maß<br />
„Nach langer Durststrecke sollen Anwälte 10 Prozent mehr Geld<br />
bekommen“ titelt die FAZ am 15.04.<strong>2020</strong>.<br />
Die Präsidentin des Deutschen<br />
Anwaltvereins (DAV) Edith Kindermann<br />
verweist auf den langen<br />
Zeitraum von sieben Jahren seit<br />
der letzten Erhöhung, in der die<br />
Tariflöhne um fast 19 Prozent gestiegen<br />
seien, ohne dass sich bei<br />
der Anwaltsvergütung etwas getan<br />
hätte. Und weiter: „Die Fraktionen<br />
in B<strong>und</strong>- <strong>und</strong> Länderparlamenten<br />
signalisieren schon seit<br />
langer Zeit, dass sie eine Gebührenanpassung<br />
befürworten. Auch<br />
im B<strong>und</strong>esjustizministerium hält<br />
man die Forderungen der Anwälte<br />
für berechtigt“.<br />
Seit dem 14. Februar <strong>2020</strong> gilt<br />
auch die neue GO-Tierarzt. Für<br />
eine wirtschaftliche Praxisführung<br />
wird der 2-fache Satz angesehen.<br />
Die Extraktion eines<br />
Zahnes beim H<strong>und</strong> wird dann mit<br />
51,30 Euro bemessen.<br />
Zahnärztliche Realität. Davon<br />
können die Zahnärzte seit<br />
1988 nur träumen. Angesichts des<br />
Kostendrucks <strong>und</strong> der sich verändernden<br />
Nachfrage nach zahnärztlichen<br />
Leistungen in einer<br />
Zeit des wirtschaftlichen Wandels<br />
während <strong>und</strong> nach der Corona-<br />
Pandemie auf Anhebung des<br />
GOZ-Punktwerts zu warten, stellt<br />
für die zahnärztlichen Praxen auf<br />
absehbare Zeit immer noch keine<br />
Lösung dar.<br />
Novellierung der GOZ. Zuletzt<br />
war 2012 mit der Novellierung<br />
der GOZ ein Anlass gegeben,<br />
dem jahrelangen Drängen<br />
der Zahnärzte nachzugeben, <strong>und</strong><br />
den Punktwert anzuheben. Das<br />
Ges<strong>und</strong>heitsministerium richtete<br />
je<strong>doch</strong> sein Augenmerk nicht auf<br />
die Anpassung der Gebührenhöhe<br />
an die allgemeine Preisentwicklung,<br />
sondern auf die globalen<br />
Ausgaben der Kostenerstatter <strong>und</strong><br />
befand, dass das zahnärztliche<br />
Honorar auch ohne Anhebung des<br />
Punktwertes „durch Mengen- <strong>und</strong><br />
Struktureffekte“ gestiegen sei.<br />
Aus Sicht der Zahnärzte kommt<br />
der Verordnungsgeber schon lange<br />
nicht mehr seiner gesetzlichen<br />
Pflicht, einen fairen Ausgleich<br />
zwischen den Interessen von Ärzten<br />
<strong>und</strong> Patienten herbeizuführen,<br />
nach.<br />
Gerichtsverfahren. Bereits<br />
zur Jahrtausendwende klagten<br />
die Zahnärzte vor dem B<strong>und</strong>esverfassungsgericht<br />
gegen die<br />
fehlende Punktwertanpassung.<br />
Damals wurde die Verfassungsbeschwerde<br />
nicht zur Entscheidung<br />
angenommen <strong>und</strong> das Gericht<br />
beschied, „Eine Verletzung von<br />
Gr<strong>und</strong>rechten <strong>und</strong> gr<strong>und</strong>rechtsgleichen<br />
Rechten ist nicht ersichtlich,<br />
solange der Beschwerdeführer<br />
von den Gestaltungsmöglichkeiten,<br />
die ihm die GOZ<br />
eröffnet, keinen Gebrauch macht“<br />
(BVerfG, 1 BvR 2311/00 vom<br />
13.2.2001).<br />
Die Richter legten den Finger<br />
in die W<strong>und</strong>e: Die Mehrzahl der<br />
Zahnärzte scheut den Konflikt<br />
mit ihren Patienten, denn nicht<br />
allein die Anhebung des Punktwertes,<br />
auch die Wahl des Steigerungsfaktors<br />
<strong>und</strong> die abweichende<br />
Vereinbarung des zahnärztlichen<br />
Honorars nach § 2 Abs. 1 <strong>und</strong> 2<br />
sind Stellschrauben zum Erzielen<br />
gerechter Honorare. Allerdings<br />
bergen die beiden letzteren ein<br />
erhebliches Konfliktpotenzial gegenüber<br />
der Anhebung des Punktwerts<br />
bei der Rechnungslegung,<br />
<strong>und</strong> selbst heute noch liegt der<br />
durchschnittliche Steigerungsfaktor<br />
über alle Leistungen bei knapp<br />
2,5.<br />
Nach dem Willen des Verordnungsgebers<br />
bildet „der 2,3fache<br />
Gebührensatz die nach Schwierigkeit<br />
<strong>und</strong> Zeitaufwand durchschnittliche<br />
Leistung ab“ <strong>und</strong> für<br />
ihre Bemessung mittels der im<br />
§ 5 Absatz 2 GOZ genannten Kriterien<br />
sind enge Grenze gezogen.<br />
Mit Steigerungsfaktoren unter 3,6<br />
fällt es den Zahnärzten heute immer<br />
schwerer, noch ein gerechtes<br />
Honorar zu generieren.<br />
Entscheidung. Das sehen<br />
auch die Richter in Karlsruhe.<br />
In der letzten Entscheidung hierzu<br />
(BVerfG, 1 BvR 1437/02 vom<br />
25.10.2004) räumen sie ein, „dass<br />
die Gebührenmarge bei Zahnärzten<br />
besonders schmal ist“. Für<br />
überdurchschnittliche Fälle stehe<br />
nur der Rahmen zwischen 2,4<br />
<strong>und</strong> 3,5 zur Verfügung, „weil ein<br />
Absinken unter die Honorierung,<br />
die auch die gesetzliche Krankenversicherung<br />
zur Verfügung stellt,<br />
wohl kaum noch als angemessen<br />
zu bezeichnen ist“.<br />
Letztlich sei diese „schmale<br />
Marge“ je<strong>doch</strong> unbeachtlich, weil<br />
der Zahnarzt eine abweichende<br />
Vereinbarung treffen kann, die<br />
nur den Formalia des § 2 entsprechen<br />
muss. Ausdrücklich bekräftigen<br />
sie, dass das Gr<strong>und</strong>recht aus<br />
Artikel 12 Absatz 1 Gr<strong>und</strong>gesetz<br />
auch die Freiheit umfasst, „das<br />
Entgelt für berufliche Leistungen<br />
selbst festzusetzen oder mit<br />
denen, die an diesen Leistungen<br />
interessiert sind, auszuhandeln“.<br />
Fazit. Vor diesem Hintergr<strong>und</strong><br />
sollten die Zahnärzte keine Mühe<br />
scheuen, von ihrem verfassungsrechtlich<br />
garantierten Recht auf<br />
eine gerechte Bezahlung für ihre<br />
Leistungen Gebrauch zu machen!<br />
Autorenteam des<br />
GOZ-Ausschusses der<br />
Landeszahnärztekammer<br />
Baden-Württemberg<br />
ZBW 6/<strong>2020</strong><br />
www.zahnaerzteblatt.de