… und Standespolitik wirkt doch, Kammerwahl 2020
Ausgabe 6/2020
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30<br />
Sonderthema<br />
Bericht aus einer Schwerpunktpraxis<br />
Verantwortung übernehmen, Versorgung<br />
aufrechterhalten<br />
Zahnschmerzen nehmen keine Rücksicht auf die Coronakrise. Auch<br />
Personen, die selbst an COVID-19 erkrankt sind, können zahnmedizinische<br />
Notfälle darstellen, die trotz bestehender Infektionsrisiken akut<br />
<strong>und</strong> dringend zahnärztlich behandelt werden müssen. Die Kassenzahnärztliche<br />
Vereinigung Baden-Württemberg (KZV BW) hat daher für<br />
die Notfallversorgung von COVID-19-Infizierten bzw. in Quarantäne befindlichen<br />
Patienten flächendeckend ein Netz von Klinikambulanzen <strong>und</strong><br />
Schwerpunktpraxen organisiert. Doch wie funktioniert die zahnärztliche<br />
Behandlung dieser Patient*innen in der Praxis <strong>und</strong> welche Erfahrungen<br />
gibt es bisher? Dr. Christian Pfau aus Rottweil gibt Auskunft darüber.<br />
Für die zahnärztliche Versorgung ist<br />
es eine doppelte Herausforderung:<br />
Einerseits schließt eine lückenlose<br />
Versorgung die Notfallbehandlung<br />
von an COVID-19 erkrankten<br />
bzw. in Quarantäne befindlichen<br />
Personen ein. Andererseits hat<br />
der ges<strong>und</strong>heitliche Schutz von<br />
Zahnärzt*innen, Zahnmedizinischen<br />
Fachangestellten sowie den<br />
anderen Patient*innen höchste Priorität.<br />
Dies soll mit dem Netz von<br />
Klinikambulanzen <strong>und</strong> Schwerpunktpraxen<br />
bestmöglich gewährleistet<br />
werden. Insgesamt stehen<br />
landesweit 20 Zahnarztpraxen für<br />
das Netzwerk der Schwerpunktpraxen<br />
zur Verfügung. Ergänzend dazu<br />
haben die Unikliniken Freiburg <strong>und</strong><br />
Tübingen sowie das Katharinenhospital<br />
in Stuttgart <strong>und</strong> das Städtische<br />
Klinikum Karlsruhe sogenannte<br />
Corona-Ambulanzen eingerichtet.<br />
Erfahrungen. Dr. Christian Pfau<br />
ist Inhaber der Praxis Rottweil<br />
Zahnärzte (MVZ) Dr. Pfau & Kollegen,<br />
die zu den Schwerpunktpraxen<br />
gehört. Seiner Auskunft nach<br />
halten sich die Fälle von Corona-infizierten<br />
Patient*innen bislang sehr<br />
in Grenzen, deren Versorgung läuft<br />
hingegen problemlos. Die Kontaktaufnahme<br />
funktioniere gut, bislang<br />
habe es keine Fälle gegeben, in denen<br />
betroffene Patient*innen unangekündigt<br />
in der Praxis aufgetaucht<br />
seien. Auch wenn das Netzwerk<br />
von Schwerpunktpraxen gr<strong>und</strong>sätzlich<br />
für bestätigte COVID-19-Fälle<br />
vorgesehen war, würden in diesem<br />
Rahmen auch Patienten ohne positives<br />
Testergebnis behandelt. „Wer<br />
Halsschmerzen oder andere Symptome<br />
bekommt, begibt sich vorsorglich<br />
in Quarantäne. Bei akuten<br />
Zahnschmerzen kann man aber oft<br />
nicht so lange warten, bis ein Testergebnis<br />
vorliegt“, erläutert Praxisinhaber<br />
Dr. Christian Pfau.<br />
Praxisalltag. Während sich die<br />
Praxis um die Versorgung dieser<br />
speziellen Zielgruppe kümmert,<br />
wird nach dem Einbruch im April<br />
gleichzeitig auch der Normalbetrieb<br />
wieder hochgefahren – unter<br />
den Hygienebedingungen entsprechend<br />
der RKI-Empfehlungen.<br />
Die Patient*innen kommen langsam<br />
wieder zurück, so Dr. Pfau:<br />
„Wir haben gut zu tun <strong>und</strong> unsere<br />
eigenen Patienten sind sehr froh,<br />
dass wir für sie zur Verfügung<br />
stehen.“ Das Nebeneinander von<br />
Praxisalltag <strong>und</strong> dem Betrieb als<br />
Schwerpunktpraxis lässt sich gut<br />
organisieren. „Ich mache damit keine<br />
Werbung, aber jede*r Patient*in<br />
sollte mit akuten Schmerzen eine<br />
Anlaufstation haben“, betont Dr.<br />
Pfau. Einerseits übernehme die Praxis<br />
bewusst Verantwortung in einer<br />
schwierigen Zeit, damit nicht eine<br />
Gruppe durch das Netz der Versorgung<br />
fällt. Andererseits soll vermieden<br />
werden, dass die eigenen<br />
Patienten wegbleiben, weil sie sich<br />
unbegründet einem höheren Infektionsrisiko<br />
ausgesetzt sehen. Und<br />
wie sieht es mit dem Praxispersonal<br />
<strong>und</strong> deren Bereitschaft aus? „Ich<br />
habe das offen kommuniziert“, betont<br />
Dr. Pfau. Wer nicht in diesem<br />
Rahmen behandeln möchte, habe<br />
sich melden können <strong>und</strong> werde hier<br />
nicht eingesetzt. Alle Kolleg*innen<br />
in der Praxis <strong>und</strong> genügend Angestellte<br />
erklärten sich je<strong>doch</strong> sofort<br />
bereit, für diese Behandlungen zur<br />
Verfügung zu stehen.<br />
Schutzmaßnahmen. Dass die<br />
Sicherheit aller Beteiligten in dieser<br />
Praxis höchste Priorität hat, zeigt<br />
sich an dem Konzept der Praxisorganisation<br />
von Dr. Pfau & Kollegen.<br />
Reguläre Behandlungen <strong>und</strong><br />
die Versorgung der von Corona<br />
betroffenen Patient*innen erfolgen<br />
räumlich <strong>und</strong> zeitlich getrennt. Potenziell<br />
an COVID-19-Erkrankte<br />
werden nur abends an drei Tagen in<br />
der Woche behandelt. In dringenden<br />
Fällen kann an andere Schwerpunktpraxen<br />
vermittelt werden. Die<br />
konsequente Trennung der Patientengruppen<br />
sei wichtig, um die Abläufe<br />
zu vereinfachen <strong>und</strong> Risiken<br />
zu senken. Beispielsweise müsse<br />
man so nicht ständig die spezielle<br />
Schutzkleidung für die Behandlung<br />
von Risikopatienten aus- <strong>und</strong> wieder<br />
anziehen.<br />
Das Problem mangelnder Schutzausrüstung<br />
konnte ebenfalls gelöst<br />
werden. Die Bestände, die zu Beginn<br />
der Coronakrise noch vorrätig<br />
waren, seien angesichts der riesigen<br />
Nachfrage schnell sehr knapp<br />
geworden. Die Ausrüstung, die die<br />
Praxis zwischenzeitlich von der<br />
KZV erhalten habe, sei bei dem bisherigen<br />
Aufkommen an Patienten<br />
aber völlig ausreichend. Eine reguläre<br />
Behandlung ist also möglich,<br />
der Schutz der beteiligten Personen<br />
bleibt gewährleistet.<br />
Dr. Holger Simon-Denoix<br />
ZBW 6/<strong>2020</strong><br />
www.zahnaerzteblatt.de