… und Standespolitik wirkt doch, Kammerwahl 2020
Ausgabe 6/2020
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Leitartikel 7<br />
<strong>…</strong> <strong>und</strong> <strong>Standespolitik</strong> <strong>wirkt</strong> <strong>doch</strong>,<br />
<strong>Kammerwahl</strong> <strong>2020</strong><br />
Dieses Jahr ist <strong>Kammerwahl</strong>. Die 17. Kammerperiode wird am 1. Januar 2021 beginnen. In<br />
den kommenden Wochen wählen die berufsständischen „Kammerparlamente“ auf Bezirks- <strong>und</strong><br />
Landesebene ihre Repräsentant*innen, die antreten, um die berufliche Zukunft der badenwürttembergischen<br />
Zahnärzteschaft für die nächsten vier Jahre zu gestalten. Warum ist <strong>und</strong><br />
bleibt <strong>Standespolitik</strong> so wichtig? Kann <strong>Standespolitik</strong> in Corona-Zeiten <strong>und</strong> darüber hinaus<br />
überhaupt etwas bewirken? Eine Gr<strong>und</strong>voraussetzung dazu ist: Wählen <strong>und</strong> entscheiden Sie<br />
aktiv mit Ihrer Stimme – für eine starke berufliche Selbstverwaltung!<br />
In diesen schweren Wochen der Corona-Pandemie erreichen<br />
die Kammer <strong>und</strong> auch mich täglich Mails <strong>und</strong> Briefe<br />
aus der verunsicherten <strong>und</strong> besorgten Kollegenschaft<br />
mit vielen offenen, teils existenziellen Fragen. Auch verärgerte<br />
bis hin zu teils wütenden Kommentaren, die der<br />
<strong>Standespolitik</strong> eine „unerträgliche Ohnmacht <strong>und</strong> Sprachlosigkeit“<br />
gegenüber der aktuellen politischen Situation<br />
attestieren, fanden unsere Aufmerksamkeit.<br />
Die letzten Wochen waren standespolitisch betrachtet<br />
außergewöhnlich nervenzehrend <strong>und</strong> aufreibend. Im gemeinsamen<br />
Schulterschluss haben die verantwortlichen<br />
Ehrenamtsträger*innen <strong>und</strong> Vorstände von Kammer <strong>und</strong><br />
KZV in persönlichen Gesprächen <strong>und</strong> mittels zahlreicher<br />
Briefe an die ministerielle Ebene in B<strong>und</strong> <strong>und</strong> Land alles<br />
getan, um die Politik auf die prekäre berufliche Situation<br />
der Kollegenschaft gezielt hinzuweisen <strong>und</strong> zügige Maßnahmen<br />
zur Verbesserung der unbefriedigenden Situation<br />
einzufordern.<br />
Die Zuspitzung der beruflichen Situation erfolgte am<br />
Gründonnerstag um 22 Uhr. Die Landesregierung erließ den<br />
§ 6a der vierten Corona-Verordnung unabgesprochen über<br />
Nacht (!), welche de facto einem Berufsverbot gleichkam.<br />
Durch die schnelle Reaktion der standespolitischen Entscheidungsträger<br />
wurden aber die über Ostern auf den Weg<br />
gebrachten Auslegungshinweise zur medizinisch notwendigen<br />
Behandlung ermöglicht. Mit der stringenten Forderung<br />
an die Landesregierung, diesen Paragrafen zurückzuziehen,<br />
trug die standespolitische Arbeit der zahnärztlichen Körperschaften<br />
nach mehreren Interventionen Früchte: Die Landesregierung<br />
nahm zum 4. Mai <strong>2020</strong> den umstrittenen § 6a<br />
aus der neuen Corona-Verordnung heraus.<br />
Zudem haben wir die aus unserer Sicht legitime, aber<br />
aus Landessicht nicht vorhandene Zugehörigkeit zur sogenannten<br />
systemrelevanten „kritischen Infrastruktur“<br />
gefordert <strong>und</strong> eine finanzielle Unterstützung angemahnt.<br />
Parallel dazu wurde die dringende Auslieferung von medizinischen<br />
Schutzmasken in Krisensitzungen mit der<br />
Landesregierung immer wieder ins Gespräch gebracht,<br />
welche von dieser je<strong>doch</strong> nicht in ausreichender Menge<br />
zur Verfügung gestellt werden konnten, sodass Masken<br />
durch die LZK <strong>und</strong> die KZV für die Kollegenschaft selbst<br />
organisiert <strong>und</strong> finanziert worden sind!<br />
Diese Beispiele zeigen, wie bedeutsam <strong>Standespolitik</strong><br />
gerade in der aktuellen Corona-Krise ist, um der Kollegenschaft<br />
gezielte Hilfestellungen <strong>und</strong> Orientierung zu<br />
geben. Die zahnärztlichen Körperschaften dienen somit<br />
als wirkungsvolles Sprachrohr für die zahlenmäßig relativ<br />
kleine Berufsgruppe mit r<strong>und</strong> 12.000 Kammermitgliedern<br />
im Land. Der Berufsstand sendet damit nach außen<br />
ein starkes Signal an die Gesellschaft. Die Zahnärzt*innen<br />
erfüllen flächendeckend ihren gesellschaftlichen Auftrag,<br />
für die Patienten*innen auch in Krisensituationen verantwortungsvoll<br />
da zu sein.<br />
Besonders in der Post-Corona-Phase werden zahlreiche<br />
standespolitische Herausforderungen auf die Kammer<br />
zukommen. Die Nachwehen der Krise werden Themen<br />
wie zum Beispiel steigende Hygienekosten, geringere<br />
Einnahmen oder die delirierenden Informationen des<br />
RKI aufbringen. Des Weiteren werden für die Zukunft<br />
der zahnärztlichen Profession <strong>und</strong> die Arbeit der berufspolitischen<br />
Selbstverwaltung gesellschaftliche Entwicklungen<br />
wie die fortschreitende Kommerzialisierung der<br />
Medizin, die Chancen <strong>und</strong> Risiken der Digitalisierung<br />
oder der steigende Einfluss Europas eine zunehmend bedeutende<br />
Rolle spielen. Für eine starke Selbstverwaltung<br />
ist ebenso eine hohe Wahlbeteiligung unabdingbar, weil<br />
dadurch eine hohe Legitimationsbasis für die späteren<br />
Entscheidungen in den zu wählenden Kammerorganen<br />
<strong>und</strong> Gremien erreicht wird. Gleichzeitig wird nach außen<br />
signalisiert, dass die Kammer eine gut funktionierende<br />
berufsständische Selbstverwaltung darstellt, die nicht nur<br />
den gesamten Berufsstand vertritt, sondern auch wichtige<br />
hoheitliche Aufgaben für den Staat <strong>und</strong> die Bevölkerung<br />
übernimmt. Damit zeigt sich, dass gelebte Freiberuflichkeit<br />
auch einen hohen Nutzen für die Gesellschaft hat.<br />
Deshalb rufe ich alle auf, von ihrem Wahlrecht aktiv<br />
Gebrauch zu machen <strong>und</strong> damit ihrer Verantwortung für<br />
einen selbst zu gestaltenden Berufsstand gerecht zu werden.<br />
Denken Sie daran: Es geht auch um Ihre berufliche<br />
Zukunft!<br />
Dr. Torsten Tomppert,<br />
Präsident der Landeszahnärztekammer<br />
Baden-Württemberg<br />
www.zahnaerzteblatt.de<br />
ZBW 6/<strong>2020</strong>