Jahresbericht 2007 - FGE - RWTH Aachen University
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1 Aktuelle Entwicklungen<br />
Im Zuge der Liberalisierung der Strommärkte, die vor<br />
allem zu verstärktem Wettbewerb zwischen Stromerzeugungsunternehmen<br />
geführt hat, haben sich in<br />
Europa börsliche Handelsplätze auch für elektrische<br />
Energie gebildet. Neben den etablierten Spot- und<br />
Terminmärkten bestehen in einigen europäischen<br />
Ländern bereits Intradaymärkte, an denen nach Abschluss<br />
der Handelsgeschäfte am Spotmarkt, der<br />
üblicherweise am Vortag der Erfüllung stattfindet,<br />
kurzfristig im Stundenbereich elektrische Energie<br />
beschafft und abgesetzt werden kann.<br />
Den Vorgaben des zweiten Gesetzes zur Neuregelung<br />
des Energiewirtschaftsrechtes [1] und der damit<br />
verbundenen Verordnung über den Zugang zu Elektrizitätsversorgungsnetzen<br />
[2] folgend, wurde im September<br />
2006 von der European Energy Exchange (EEX) in<br />
Leipzig eine elektronische Intradayhandelsplattform<br />
eingerichtet [3]. Durch diese Handelsplattform wird<br />
mittelfristig der Stromhandel von Viertelstundenlieferungen<br />
bis 45 Minuten vor Lieferbeginn ermöglicht.<br />
Hierdurch wird den Erzeugungsgesellschaften neben<br />
den bereits etablierten Strommärkten eine weitere<br />
Vermarktungsalternative geboten.<br />
Eine Absatzalternative bietet sich den Kraftwerksbetreibern<br />
auch an den Handelsplätzen für Reserve, an<br />
denen die Übertragungsnetzbetreiber ihren gesamten<br />
Reservebedarf öffentlich ausschreiben. Insbesondere<br />
durch den in Deutschland weiterhin starken Ausbau von<br />
Windenergieanlagen ist ein steigender Bedarf an<br />
Reserveleistung und damit verbunden eine steigende<br />
Anforderung von Reservearbeit durch die Übertragungsnetzbetreiber<br />
zu erwarten.<br />
Die Aufgaben eines Kraftwerksbetreibers im untertäglichen<br />
Zeitbereich sind die Lieferung der dem Übertragungsnetzbetreiber<br />
am Vortag gemeldeten Fahrplanenergie,<br />
die Vorhaltung der vermarkteten Reserveleistung<br />
sowie die Erbringung der im Bedarfsfall vom<br />
Übertragungsnetzbetreiber angeforderten Reservearbeit.<br />
Hierbei besteht der Freiheitsgrad, die Aufteilung<br />
der Fahrplanenergie kurzfristig und ohne Einschränkungen<br />
vorzunehmen, während die Aufteilung der angeforderten<br />
Reservearbeit und der vorzuhaltenden Reserveleistung<br />
hinsichtlich der einzelnen Reservequalitäten<br />
unterschieden werden müssen [4]. Dies stellt insbesondere<br />
bei wachsendem Reservebedarf eine zunehmend<br />
komplexere Planungsaufgabe dar.<br />
Ziel der Arbeit ist daher die Entwicklung eines neuen<br />
Rechenverfahrens, mit dem der untertägliche Kraftwerksbetrieb<br />
zur Erfüllung dieser Planungsaufgabe<br />
optimiert werden kann. Dabei werden die durch die<br />
DISSERTATIONEN<br />
Strukturveränderungen entstandenen neuen Absatzalternativen<br />
mit ihren jeweiligen Planungsunsicherheiten<br />
berücksichtigt, um vorhandenes Optimierungspotenzial<br />
zu nutzen und die damit verbundenen Risiken zu<br />
bewerten.<br />
2 Analyse und Modellbildung<br />
2.1 Abgrenzung des Betrachtungsbereiches<br />
Für die Optimierung des untertäglichen Kraftwerksbetriebs<br />
kann in der Regel ein Zeithorizont von einem Tag<br />
angesetzt werden. Dies bedeutet, dass Ergebnisgrößen<br />
einer mittelfristigen Planung, z. B. Handelsempfehlungen<br />
für den Terminmarkt, als exogene Eingangsgrößen<br />
für die untertägliche Planung vorgegeben<br />
werden müssen. Da Kraftwerksbetreiber die Fahrpläne<br />
dem jeweiligen ÜNB im Viertelstundenraster melden<br />
müssen und die Minutenreserve (MR) jeweils als<br />
Fahrplanlieferung zur vollen Viertelstunde eingesetzt<br />
wird sowie innerhalb von 15 Minuten vollständig<br />
aktivierbar sein muss, wird als Zeitraster die Viertelstunde<br />
gewählt.<br />
Das für die Optimierung resultierende System ist in<br />
Bild 1 skizziert. Ein Unternehmen kann einen Erzeugungspark<br />
bestehend aus thermischen und hydraulischen<br />
Kraftwerken besitzen. Dem Unternehmen stehen<br />
weiterhin Vermarktungsmöglichkeiten an Märkten für<br />
elektrische Energie und Reserve zur Verfügung, die in<br />
Abhängigkeit des Zeitpunktes der Optimierung berücksichtigt<br />
werden müssen [4]. Die bereits getätigten<br />
Geschäfte finden sich in der Komponente „abgeschlossene<br />
Geschäfte“ wieder.<br />
Ausfälle RA<br />
thermische<br />
Kraftwerke<br />
∼∼∼<br />
hydraulische<br />
Kraftwerke<br />
Spotmarkt Markt<br />
für MR<br />
Unsicherheiten<br />
∼∼∼<br />
abgeschl.<br />
Geschäfte<br />
Intradaymarkt<br />
Preise Preise RA Preise<br />
Bild 1: Systemabgrenzung<br />
RA: Reservearbeit<br />
IAEW – <strong>FGE</strong> – JAHRESBERICHT <strong>2007</strong> 31