Jahresbericht 2007 - FGE - RWTH Aachen University
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DISSERTATIONEN<br />
1 Einleitung<br />
Die Netzbetreiber sind Monopolunternehmen aufgrund<br />
des natürlichen Monopols von elektrischen Netzen. Um<br />
dennoch eine wettbewerbsähnliche Situation zu erreichen,<br />
wurde 2005 in Deutschland die Bundesnetzagentur<br />
(BNetzA) etabliert [1]. Der BNetzA obliegt die Überwachung<br />
der Angemessenheit der Netznutzungsentgelte.<br />
Dabei ist zu erwarten, dass sich mit der Umsetzung<br />
des aktuell diskutierten Konzepts einer Anreizregulierung<br />
der Kostendruck auf die Netzbetreiber deutlich<br />
verstärken wird.<br />
Die Netzbetreiber sehen sich somit der Notwendigkeit<br />
ausgesetzt, ihre Kosten zu reduzieren. Hierzu stehen<br />
ihnen einerseits kurzfristige, d. h. betrieblich, und<br />
anderseits mittel- bis langfristige Maßnahmen zur<br />
Verfügung. Kurzfristige Maßnahmen, wie die Reduzierung<br />
des Aufwands für Netzbetrieb und Instandhaltung,<br />
ermöglichen schnelle Kostenabsenkungen. Langfristig<br />
bergen sie jedoch das Risiko einer Verkürzung der<br />
Nutzungsdauer und Verringerung der Zuverlässigkeit<br />
der Betriebsmittel und damit eines Absinkens der<br />
gebotenen Versorgungsqualität.<br />
Nur mittel- bis langfristig wirkende Maßnahmen, wie<br />
z. B. die Überprüfung der Effizienz der bestehenden<br />
Netzstrukturen und ggf. ihre Anpassung sowie die<br />
Überarbeitung der Planungsgrundsätze, können weitere<br />
Einsparpotenziale erschließen. Die Umsetzung erfordert<br />
jedoch Verbesserungen der Methoden zur Netzplanung.<br />
Deren hohe Systemkomplexität macht zu ihrer optimalen<br />
Durchführung den Einsatz rechnerbasierter Optimierungsverfahren<br />
notwendig. Im Mittelpunkt des Interesses<br />
stehen dabei als erster notwendiger Schritt Verfahren,<br />
die langfristig kostengünstige Netzstrukturen, so<br />
genannte Zielnetze, ermitteln.<br />
Während die Zielnetzplanung von Hochspannungs-(HS)-<br />
Netzen seit langem Gegenstand der wissenschaftlichen<br />
Forschung ist [3], betrachten bisher nur wenige Arbeiten<br />
die optimale Auslegung von Mittelspannungs-(MS)-<br />
Netzen. Vor dem Hintergrund der Anreizregulierung und<br />
sich damit ergebender neuer Anforderungen an MS-<br />
Netze erscheint eine Zielnetzplanung auch für diese<br />
Spannungsebene notwendig. Dies ist unter anderem<br />
durch folgende Aspekte begründet:<br />
• MS-Netze verursachen einen großen Anteil der<br />
gesamten Kosten der elektrischen Versorgungsnetze<br />
und sind daher entscheidend für deren Wirtschaftlichkeit.<br />
• MS-Netze haben einen dominierenden Einfluss auf<br />
die Versorgungszuverlässigkeit der Endkunden. So<br />
werden etwa 80% der Nichtverfügbarkeit eines<br />
Niederspannungskunden durch Fehler oder Ausfälle<br />
in MS-Netzen verursacht [2]. Um ein deutliches Absinken<br />
der Versorgungszuverlässigkeit nach Einführung<br />
der Anreizregulierung zu verhindern, wird das<br />
Konzept der Anreizregulierung auch eine Qualitätsregulierung<br />
beinhalten [1]. Diese Qualitätsregulierung<br />
wird insbesondere das MS-Netz betreffen.<br />
• Die politisch motivierte Förderung regenerativer<br />
Energiequellen führt zu einem starken Zuwachs von<br />
dezentralen Erzeugungsanlagen (DEA), die auch an<br />
MS-Netze angeschlossen werden. Damit sind die<br />
Planungsunsicherheiten in dieser Spannungsebene<br />
bereits in der Vergangenheit stark angestiegen. Ein<br />
weiterer Anstieg ist zu erwarten. Bei der Integration<br />
von DEA in bestehende MS-Netze müssen unterschiedliche<br />
technische Effekte beachtet werden.<br />
• MS-Netze wurden in der Vergangenheit in der<br />
Regel bedarfsgetrieben und schrittweise, d. h. ohne<br />
langfristige Zielorientierung, geplant. Daher zeigen<br />
diese Netze häufig eine für die aktuelle Versorgungsaufgabe<br />
überdimensionierte und komplizierte<br />
Netzstruktur. Angesichts der stabilen Lastentwicklung<br />
und des hohen durchschnittlichen Betriebsmittelalters<br />
in den bestehenden MS-Netzen erscheint<br />
deshalb heute eine grundlegende, auch langfristig<br />
auf Optimalität ausgerichtete Überarbeitung der<br />
Netzstrukturen sinnvoll und durchführbar.<br />
• In der MS-Ebene kommt eine Vielzahl von Netzformen<br />
zum Einsatz. Diese treten auch innerhalb eines<br />
Unternehmens häufig nebeneinander auf. Für eine<br />
nur manuell durchgeführte und ohne Zielorientierung<br />
betriebene Netzplanung ist deshalb die Entscheidung<br />
über die langfristig optimale Netzform<br />
quasi unmöglich.<br />
Viele bestehende rechnergestützte Verfahren zur<br />
Planung von MS-Netzen konzentrieren sich auf die<br />
Planungsstufe der Ausbauplanung [4], betrachten aber<br />
nicht die für eine langfristige Optimalität unbedingt<br />
notwendige Zielorientierung, die nur eine Grundsatzplanung<br />
liefern kann.<br />
Vor diesem Hintergrund erscheint die Entwicklung<br />
eines Verfahrens zur Bestimmung langfristig kostenoptimaler<br />
Netzstrukturen von MS-Netzen, entsprechend<br />
der Vorgehensweise einer Grundsatzplanung, für die<br />
optimale Durchführung der anstehenden Planungsaufgaben<br />
sinnvoll und notwendig. Ein solches Verfahren<br />
kann über den Anwendungsbereich der Netzplanung<br />
hinaus auch im regulatorischen Kontext eingesetzt<br />
werden, wo mit Hilfe der Referenznetzanalyse die<br />
Effizienz bestehender Netze durch Vergleich mit<br />
44 IAEW – <strong>FGE</strong> – JAHRESBERICHT <strong>2007</strong>