Wirtschaftsstandort Region Hannover Regionalreport 2002 - NIW
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NEUE STÄDTEBAULICHE QUALITÄTEN<br />
Neue Mitte Garbsen<br />
Auch außerhalb der Landeshauptstadt wird in städtebaulicher<br />
Sicht viel bewegt. Ein besonders interessantes<br />
Beispiel ist die Entwicklung der neuen Stadtmitte in Garbsen.<br />
Unter dem Stichwort „Innovativer Städtebau“ darf<br />
daher an dieser Stelle ein Blick auf die Stadt vor den<br />
Toren <strong>Hannover</strong>s und ihre ambitionierten Pläne zur<br />
Gestaltung eines neues Zentrums nicht fehlen.<br />
Der Stadtteil Garbsen Mitte<br />
Garbsen heute<br />
Die Stadt Garbsen ist mit 63.000 Einwohnern nach <strong>Hannover</strong><br />
die zweitgrößte Stadt in der <strong>Region</strong>. Sie wurde<br />
1974 durch den Zusammenschluss mehrerer ehemals<br />
selbstständiger Gemeinden gebildet und besteht heute aus<br />
dreizehn Stadtteilen in einer Größe von 630 bis 14.500<br />
Einwohnern. Etwa zwei Drittel von ihnen leben im städtisch<br />
geprägten Hauptsiedlungsbereich. Die hervorragende<br />
Verkehrslage, eine abwechslungsreiche Landschaft und<br />
die sehr gute wohnortnahe, soziale Infrastruktur machen<br />
Garbsen zum beliebten Wohnstandort. Dafür sorgen<br />
außerdem eine breite Palette kultureller Veranstaltungen,<br />
die das ganze Jahr über in den verschiedenen Stadtteilen<br />
angeboten werden. Auch Sport und Vereinsaktivitäten<br />
werden groß geschrieben, in den Garbsener Vereinen<br />
sind insgesamt über 15.000 Mitglieder aktiv.<br />
Die dynamische Arbeitsplatzentwicklung der letzten<br />
Jahre belegt die zunehmende Bedeutung Garbsens als<br />
wichtiges gewerbliches Zentrum im Nordwesten der<br />
<strong>Region</strong> <strong>Hannover</strong>. Mit Radio 21 ging ein erfolgreicher<br />
Hörfunksender im ehemaligen Garbsener Rathaus auf<br />
Sendung. Parallel dazu gewinnen die Bereiche Forschung,<br />
Hightech und Entwicklung von Jahr zu Jahr an<br />
Bedeutung. So wird sicherlich die Ansiedlung des PZH<br />
(Produktionstechnisches Zentrum <strong>Hannover</strong> Deutsches<br />
Kompetenzzentrum) der Universität <strong>Hannover</strong> die Standortentwicklung<br />
nachhaltig positiv beeinflussen. Für den<br />
Spätsommer <strong>2002</strong> ist die Grundsteinlegung geplant und<br />
ab 2004 können dann namhafte Unternehmen verschiedener<br />
Branchen und die Wissenschaftler des Fachbereichs<br />
Maschinenbau der Universität im Produktionstechnischen<br />
Zentrum in Garbsen neue Wege der Zusammenarbeit<br />
gehen. Ehemals sechs einzelne Institute werden<br />
unter einem Dach vereinigt, mit dem Ziel gemeinsamer<br />
Forschung und enger Kooperation zwischen Wirtschaft<br />
und Wissenschaft. Neben den vierhundert Wissenschaftlern<br />
und Technikern in der Einrichtung entstehen durch<br />
das PZH 250 neue Arbeitsplätze. Ein weiterer Teil der<br />
universitären Forschungseinrichtungen wurde mit dem<br />
Zentrum der Biomedizintechnik in Garbsen eingerichtet.<br />
Als Bestandteil der Innovationsoffensive des Landes Niedersachsen<br />
und der niedersächsischen Hochschulen soll<br />
das Zentrum dazu beitragen, bestehende Forschungsaktivitäten<br />
zu bündeln und neue fokussiert zu platzieren.<br />
Zu den wichtigsten Aufgaben der nächsten Jahre zählt<br />
man in Garbsen den Erhalt der bestehenden Infrastruktur<br />
in den einzelnen Stadtteilen und zugleich die Weiterentwicklung<br />
des Zentrums für alle Garbsener – gemeint ist<br />
der Bereich zwischen Autobahn, B6 und den Stadtteilen<br />
Garbsen und Berenbostel. Die bisherige Entwicklung<br />
des Stadtteils Garbsen Mitte folgte mit dem Leitbild der<br />
„Grünen Mitte“ bereits einem landschaftsbezogenen<br />
Ansatz. Die vorhandenen Seen und Teiche – Abbaugruben<br />
ehemaliger Ziegeleien – sind Ausgangspunkt der<br />
städtebaulichen Konzeption und machen den Stadtteil zu<br />
einem beliebten Wohnstandort: Hier gibt es neben den<br />
attraktiven Naherholungsmöglichkeiten alle bedeutenden<br />
Infrastruktureinrichtungen wie Schulen, Kindergärten<br />
sowie Einkaufs- und Freizeitmöglichkeiten.<br />
Der Stadtteil Garbsen Mitte<br />
Das neue Rathaus, 1997 fertiggestellt, setzte neue Maßstäbe<br />
für die gesamte Stadtentwicklung und das<br />
Stadtzentrum. Hier wurde mehr als ein architektonisch<br />
interessantes, ökologisches und energieeffizientes Bauwerk<br />
geschaffen, es wurde ein zentrales Haus der<br />
Dienstleistung, Information und Kommunikation, ein<br />
Haus der Bürgernähe und Kundenorientierung. Die<br />
Stadtverwaltung dokumentiert hier zudem innovative<br />
Energiepolitik und setzt auf die Kraft des guten Beispiels<br />
durch Einhaltung des Niedrigenergiehausstandards,<br />
durch entsprechende Wärmedämmung, Wärmeversorgung<br />
vom nahe gelegenen Blockheizkraftwerk des<br />
Schulzentrums, Erdwärmetauscher, Regenwassernutzung<br />
sowie passive und aktive Solarenergienutzung. Die am<br />
Südgiebel und im Dachbereich installierte Photovoltaikanlage<br />
mit 7.000 Silizium-Solarzellen auf 180 Quadratmetern<br />
Fläche deckt zehn Prozent des Strombedarfs.<br />
Das neue Rathaus (rechts) und das Kinocenter (links) sind<br />
erster baulicher Ausdruck für eine „Neue Mitte“<br />
Mit der Eröffnung des Multiplexkinos CineStar, der angegliederten<br />
Gastronomie und der Fertigstellung des Rathausplatzes<br />
folgte 1999 ein weiterer wichtiger Schritt<br />
zur Belebung der Neuen Mitte. Stadträumlich ist noch<br />
der bauliche Abschluss des Zentrums nach Westen mit<br />
entsprechend urbanen Nutzungen und die Einbindung<br />
durch Wohn-, Gewerbe- und Freiflächen zu realisieren.<br />
Auf neuen Wegen zur „Neuen Mitte“<br />
Das insgesamt achtzig Hektar große Areal stellt hohe<br />
Anforderungen an den Städtebau. Die Realisierung der<br />
„Neuen Mitte“ kann nur schrittweise geschehen. Deshalb<br />
muss die Konzeption Investitionen über einen langen<br />
Zeitraum lenken können und innerhalb des gesetzten<br />
Rahmens Flexibilität aufweisen. In diesem Sinne galt es,<br />
eine nachhaltige Entwicklungsperspektive zu finden.<br />
Innovativer Städtebau ist in Garbsen eng verknüpft mit<br />
neuen Wegen, dieses Ziel zu erreichen. Bewusst entschieden<br />
sich Bürgermeister Wolfgang Galler und Stadtbaurat<br />
Alexander Heuer in Abstimmung mit dem Rat für<br />
ein kooperatives, transparentes Planverfahren. Wesentliche<br />
Elemente waren dabei unter anderem die Vorbereitung<br />
der Planung durch themenbezogene Workshops;<br />
die Durchführung der Entwurfswerkstatt mit fünf Teams<br />
vor Ort im Rathaus; die akzeptanzorientierte Planung<br />
durch Einbeziehung von Bürgerinnen und Bürgern; die<br />
Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an der Planung;<br />
die umsetzungsorientierte Planung durch frühzeitige<br />
Einbeziehung potenzieller Investoren und die regional<br />
orientierte Planungsbetrachtung mit der <strong>Region</strong>alplanung<br />
als Fachberater.<br />
Erarbeitet wurde die Konzeption zur „Neuen Mitte“ in<br />
einer städtebaulichen Entwurfswerkstatt. Insgesamt<br />
waren fünf regional bis international erfahrene Teams<br />
(Städtebau, Architektur, Landschaftsplanung) mit der Planungsaufgabe<br />
betraut. Es gab ein für alle Interessierten offenes,<br />
mehrtägiges Werkstattverfahren, bei dem die Garbsener<br />
vor Ort im Rathaus ihre eigenen Visionen einbrachten.<br />
Im November 2000 empfahl die Jury der Stadt, mit<br />
dem Gedankengut von zwei Teams weiterzuarbeiten und<br />
damit die attraktivsten und interessantesten Ansätze im<br />
Sinne einer optimalen Lösung zu nutzen.<br />
Erkennbar ist bei beiden Teams („Hegger/Hegger/<br />
Schleif“ und „RKW Rohde/Kellermann/Wawrosky“) die<br />
grobe Einteilung des Plangebietes in einen deutlich<br />
urban geprägten Zentrumsbereich mit Öffnung zum Freiraum<br />
nach Westen und separat erschließbare Wohnfelder<br />
südlich der Meyenfelder Straße. Weiterhin planen beide<br />
ein Gewerbegebiet in Zuordnung zur Autobahn A 2,<br />
eine neue Verbindungsstraße parallel zur Autobahn und<br />
einen großen Freibereich in der Mitte des Plangebietes.<br />
Der Freibereich verdeutlicht das Leitbild der städtebaulichen<br />
Entwicklung: die räumliche Verknüpfung einer urbanen<br />
Mitte mit dem Potenzial der Landschaft. Diese<br />
gegensätzlichen Pole in direkter Kombination sind nicht<br />
nur Garant für ein einzigartiges Profil der neuen Stadtmitte.<br />
Sie stehen auch für qualitativ hochwertige, zukunftsorientierte<br />
Wohnquartiere, die in unmittelbarer Nähe, zu<br />
Fuß erreichbar, zu allen bedeutsamen Infrastruktureinrich-<br />
N I W · NORD/LB · WIRTSCHAFTSSTANDORT HANNOVER REGION 247<br />
Rahmenplan des Teams „Hegger/Hegger/Schleif“<br />
tungen liegen. Beide Entwürfe benutzen als zentrales<br />
Gestaltungselement das Wasser. Beim Team „RKW“ wird<br />
das Wasser durch gegliederte Wasserbecken bis in das<br />
Zentrum geführt und in der Mitte dieser Wasserlandschaft<br />
schlagen sie eine landschaftlich gestaltete Insel vor. Das<br />
zweite Team „Hegger/Hegger/Schleif“ plant einen<br />
neuen See, über den die Vernetzung mit den umliegenden<br />
Landschaftsräumen erfolgen soll. Attraktive Stege<br />
kennzeichnen das Nordufer mit der Wohnbebauung und<br />
künstliche Dünen schaffen neben geplanten Gewerbeflächen<br />
am Südufer Platz und ein ansprechendes Umfeld<br />
für Baden und Sport. Um den See soll ein vernetztes Fußund<br />
Radwegnetz angelegt werden und eine Baumallee ist<br />
zwischen dem zentralen Marktplatz und der Uferpromenade<br />
geplant.<br />
Rahmenplan des Teams „RKW<br />
Rohde/Kellermann/Wawrosky“<br />
Aktuell entsteht mit einem Büro- und Geschäftshaus die<br />
Fortführung eines vorhandenen Gebäuderiegels, mit dem<br />
der Rathausplatz seine nördliche Raumkante erhält. Auf<br />
der Grundlage verfeinerter Vorgaben zum städtebaulichen<br />
Konzept und den erwünschten Nutzungen im Kerngebiet<br />
wird von der Stadt Garbsen derzeit ein Investorenwettbewerb<br />
für weitere Bauabschnitte im Umfeld des Rathauses<br />
vorbereitet. Mit deren Realisierung wird für alle Garbsener<br />
ein weiterer Mosaikstein ihres gemeinsamen Zentrums<br />
erlebbar. Die „Neue Mitte“ wird das unverwechselbare<br />
Profil Garbsens durch den direkten Landschaftsbezug des<br />
städtebaulichen Konzeptes stärken und damit die Attraktivität<br />
der Stadt in der <strong>Region</strong>.