Wirtschaftsstandort Region Hannover Regionalreport 2002 - NIW
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154<br />
11.<br />
Hochschulen als<br />
Kompetenzzentren für<br />
Bildung und Forschung<br />
Kai Weber<br />
Die Hochschulen bilden eine wesentliche Voraussetzung<br />
für Innovationen der privaten Wirtschaft. Sie sind nicht<br />
nur selbst auf verschiedensten Feldern von FuE tätig, sondern<br />
stellen mit ihrer Ausbildungsfunktion, d.h. dem<br />
„Wissenstransfer über Köpfe“ die Basis für die überwiegende<br />
Anzahl von Innovationen zur Verfügung. Absolventen<br />
der Hochschulen tragen zum Wissenstransfer bei,<br />
sind als Existenzgründer tätig und setzen ihre erworbenen<br />
Kenntnisse in der Wirtschaft um 1 . Darüber hinaus<br />
sind die Ergebnisse der hochschuleigenen FuE-Aktivitäten<br />
v.a. in neuen Technologiefeldern (z.B. Biotechnologie,<br />
Mikroelektronik, neue Werkstoffe) und anderen,<br />
besonders wissenschaftsintensiven Forschungsbereichen<br />
(v.a. Naturwissenschaften) ein unverzichtbares Element<br />
auch privater Innovationstätigkeiten.<br />
STUDIENANGEBOTE<br />
Die Hochschullandschaft in der <strong>Region</strong> <strong>Hannover</strong> ist<br />
durch eine große Vielfalt an Einrichtungen und Studienmöglichkeiten<br />
geprägt (Übersicht 11-1). Die acht Hochschulen<br />
der <strong>Region</strong> konzentrieren sich ausschließlich auf<br />
die Stadt <strong>Hannover</strong>. Das Studienangebot der Hochschulregion<br />
<strong>Hannover</strong> (gemessen am Anteil und der Zahl der<br />
Studierenden in den einzelnen Studienbereichen) hat seinen<br />
Schwerpunkt insbesondere in den technikrelevanten<br />
Fächergruppen Ingenieurwissenschaften, Humanmedizin,<br />
Universität <strong>Hannover</strong> (Hauptgebäude)<br />
Agrar-, Forst- und Ernährungswissenschaften sowie Veterinärmedizin<br />
(Abb. 11-1). Unter den technisch bedeutsamen<br />
Fächergruppen ist lediglich der Bereich Mathematik,<br />
Naturwissenschaften unterdurchschnittlich vertreten.<br />
Die wichtigsten Schwerpunkte sind im Einzelnen:<br />
– in der Fächergruppe Wirtschafts- und Gesellschaftswissenschaften<br />
die Studienbereiche Sozialwissenschaft<br />
und Rechtswissenschaft (Universität),<br />
– in der Fächergruppe Sprach- und Kulturwissenschaften<br />
die Studienbereiche Sonderpädagogik (Universität)<br />
und Bibliothekswissenschaft, Dokumentation, Publizistik<br />
(Fachhochschule sowie Hochschule für Musik und<br />
Theater),<br />
– in der Fächergruppe Mathematik, Naturwissenschaften<br />
der Studienbereich Geowissenschaften (Universität) 2 ,<br />
– in der Fächergruppe Ingenieurwissenschaften die Studienbereiche<br />
Elektrotechnik (Universität und Fachhochschule),<br />
Architektur/Innenarchitektur (Universität<br />
und Fachhochschule), Bauingenieurwesen (Universität)<br />
und Vermessungswesen (Universität),<br />
– die Studienbereiche Human- und Zahnmedizin (Medizinische<br />
Hochschule),<br />
– in der Fächergruppe Kunst, Kunstwissenschaften die Studienbereiche<br />
Gestaltung (Fachhochschule) und Musik,<br />
Musikwissenschaft (Hochschule für Musik und Theater),<br />
– in der Fächergruppe Agrar-, Forst- und Ernährungswissenschaften<br />
die Studienbereiche Landespflege und<br />
Umweltgestaltung sowie Agrarwissenschaften/Lebensmittel-<br />
und Getränketechnologie (Universität),<br />
– der Studienbereich Tiermedizin (Tierärztliche Hochschule).<br />
PERSONELLE AUSSTATTUNG<br />
Die aus der Studierendenstatistik abgeleitete Spezialisierung<br />
der Hochschulen in der <strong>Region</strong> <strong>Hannover</strong> auf<br />
technikrelevante Fächergruppen wird im Wesentlichen<br />
auch durch die Angaben aus der Personalstatistik, d.h.<br />
die Spezialisierung des an den Hochschulen tätigen<br />
Lehr- und Forschungspersonals 3 (LuF) bestätigt (Abb.<br />
11.2). Lediglich in den Lehr- und Forschungsbereichen<br />
Sonderpädagogik, Sozialwissenschaften, Rechtswissen-<br />
Übersicht<br />
11-1<br />
schaften, Geowissenschaften und Gestaltung sind die<br />
Spezialisierungen des LuF-Personals entgegen den<br />
Angaben aus der Studierendenstatistik nur unterdurchschnittlich.<br />
Die Gründe hierfür können z.B. ein vergleichsweise<br />
ungünstiges Verhältnis von Studierenden<br />
und Lehrpersonal oder der geringe Anteil von Forschungstätigkeiten<br />
in den genannten Studienbereichen<br />
sein.<br />
<strong>Hannover</strong> ist im Vergleich der deutschen Verdichtungsräume<br />
ausgesprochen gut mit LuF-Personal ausgestattet<br />
(vgl. Abschnitt 5, Abb. 5.3-1). Bei den technischen, d.h.<br />
besonders industrierelevanten Fächergruppen ist der LuF-<br />
Personalbesatz der <strong>Region</strong> <strong>Hannover</strong> sogar noch stärker.<br />
Während <strong>Hannover</strong>s Anteil am gesamten LuF-Personal an<br />
Hochschulen in Westdeutschland 2,6% beträgt, liegt er<br />
im technikrelevanten Bereich bei 3%. Überragend ist<br />
<strong>Hannover</strong>s Rolle im Bereich der Veterinärmedizin; über<br />
27% des LuF-Personals und 22% der Studierenden in<br />
Deutschland haben ihren Standort in <strong>Hannover</strong>. Eine sehr<br />
große Bedeutung hat <strong>Hannover</strong> zudem für die humanmedizinische<br />
Ausbildung, Wissenschaft und Forschung in<br />
Deutschland. Demgegenüber sind die mathematischnaturwissenschaftlichen<br />
Fachgebiete eher schwach in der<br />
<strong>Region</strong> <strong>Hannover</strong> vertreten, also gerade jene Bereiche,<br />
die in Deutschland tendenziell noch den engsten Zusammenhang<br />
mit der industriellen Forschung aufweisen 4 .<br />
Eine reichliche Ausstattung mit Hochschuleinrichtungen<br />
ist aber selbst bei hoher wissenschaftlicher Leistungsfähigkeit<br />
nicht automatisch ein Attraktivitätsfaktor für<br />
industrielle Forschungsaktivitäten in den <strong>Region</strong>en. Es<br />
muss davon ausgegangen werden, dass die Kooperati-<br />
N I W · NORD/LB · WIRTSCHAFTSSTANDORT REGION HANNOVER · REGIONALREPORT <strong>2002</strong> 155<br />
Hochschulen, Studierende und wissenschaftliches Personal in der <strong>Region</strong> <strong>Hannover</strong><br />
(WS 2000/2001) 1<br />
Studierende 2<br />
Lehr- und Forschungspersonal<br />
(LuF) 3<br />
Universität <strong>Hannover</strong> 26.318 2.785<br />
Fachhochschule <strong>Hannover</strong> 4.659 4<br />
365 5<br />
Medizinische Hochschule <strong>Hannover</strong> 3.341 1.601<br />
Tierärztliche Hochschule <strong>Hannover</strong> 1.700 381<br />
Evangelische Fachhochschule <strong>Hannover</strong> 1.303 (56) 6<br />
Hochschule für Musik und Theater, <strong>Hannover</strong> 1.041 272<br />
Fachhochschule für die Wirtschaft <strong>Hannover</strong> 292 (10) 6<br />
German International Graduate School of 91 – 7<br />
Management and Administration (GISMA)<br />
Insgesamt 38.745 5.470<br />
1) Auf die Auswertung von Zeitreihen wird aus methodischen Gründen verzichtet, da die erstmalige Einführung eines Verwaltungskostenbeitrages<br />
für die Studierenden Niedersachsens im Sommersemester1999 in den nachfolgenden Semestern zu einem außerordentlichen Rückgang der<br />
Studierendenzahlen geführt hat. Die geplante Einführung einer Studiengebühr für höhere Semester wird voraussichtlich ähnliche Auswirkungen<br />
haben. 2) Niedersächsisches Landesamt für Statistik. 3) Statistisches Bundesamt. 4) Nur Standort <strong>Hannover</strong>, ohne Nienburg. 5) Nur Standort<br />
<strong>Hannover</strong>, ohne Nienburg. 6) Niedersächsisches Ministerium für Wissenschaft und Kultur. Die Evangelische Fachhochschule <strong>Hannover</strong> und<br />
Fachhochschule für die Wirtschaft <strong>Hannover</strong> sind nicht in der Statistik des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals an Hochschulen (LuF)<br />
enthalten. 7) Kein eigenes LuF-Personal, Dozenten werden durch die Partneruniversität Purdue-University (Indiana, USA) gestellt.<br />
ons- und Transferbeziehungen insbesondere von renommierten<br />
hannoverschen Hochschulinstituten überregional<br />
und international ausgerichtet sind. Darüber hinaus ist<br />
zu berücksichtigen, dass weite Teile der wissenschaftlichen<br />
Forschung nicht mit dem unmittelbaren Ziel ihrer<br />
wirtschaftlichen Nutzung betrieben werden und daher<br />
von Anfang an in ihrer Wirkung auf die Industrieforschung<br />
nicht überschätzt werden dürfen.<br />
Insgesamt passt die Spezialisierungsstruktur der hannoverschen<br />
Wirtschaft, die sich eher im Bereich mittlerer bis<br />
höherwertiger Technologie bewegt als in spitzentechnologischen<br />
Sektoren, recht gut zum Profil der Hochschulforschung:<br />
Ingenieurwissenschaftliche Fakultäten stehen<br />
im Allgemeinen eher mit der anwendungsorientierten<br />
Umsetzung von Spitzenforschung in Innovationen in<br />
Zusammenhang und kommen vor allem dort als Kooperationspartner<br />
der Industrie in Betracht, während naturwissenschaftliche<br />
Fachbereiche eher die wissenschaftlichen<br />
Grundlagen für die industrielle Spitzenforschung<br />
legen und auch in dem entsprechenden Unternehmensbereich<br />
ihre Klientel finden. Dieser Bereich der Industrieforschung<br />
ist in <strong>Hannover</strong> weniger stark ausgeprägt 5 .<br />
1) vgl. Beise, Gehrke u.a. 1998<br />
2) Auch im Studienbereich Chemie (Universität) ist für <strong>Hannover</strong> auf den ersten Blick<br />
eine überdurchschnittliche Spezialisierung feststellbar. Allerdings haben sich hier<br />
Ende der 90er Jahre aufgrund fehlender Zugangsbeschränkungen eine hohe Zahl<br />
von Studierenden eingeschrieben, die nicht wirklich studieren, sondern lediglich<br />
zum Ziel haben, aus verschiedenen Gründen den Status als Student in Anspruch<br />
nehmen.<br />
3) Zum Lehr- und Forschungspersonal (LuF) zählt das gesamte hauptberuflich (Professoren,<br />
Dozenten, Assistenten, wissenschaftliche und künstlerische Mitarbeiter) und<br />
nebenberuflich (Gastprofessoren, Emeriti, Lehrbeauftragte) tätige wissenschaftliche<br />
und künstlerische Personal. Wissenschaftliche Hilfskräfte sind nicht enthalten.<br />
4) vgl. Legler, 2000<br />
5) vgl. Legler, 2000