Mit Röntgen auf Kurs – Das Röntgenröhrenwerk der Siemens AG in ...

für das Rudolstädter Werk völlig. Nur indirekt erfährt man etwas über die Situation in
Rudolstadt, wenn über die Lage in Erlangen nach Berlin berichtet wird. Denn hier
waren die demokratisch gewählten Betriebsräte in einer dieser „spontanen“ Aktionen
Ende März abgesetzt worden: Der stellvertretende Gauleiter der NSDAP Ortsgruppe
und ein örtlicher SA-Aktivist erschienen im Werk, um im Auftrag des Stadt-
kommissars den amtierenden Betriebsräten „nahezulegen, von ihren Ämtern
zurückzutreten und dafür einen kommissarischen Betriebsrat einzusetzen.“ 888 Der
Betriebsrat des Erlanger Werkes folgte der Aufforderung, trat „widerstandslos“ 889
zurück und übergab die Amtsgeschäfte an einen kommissarischen Betriebsrat.
Dieses von nationalsozialistischen Mitgliedern gesteuerte Gremium setzte sich in
Erlangen aus drei Angestellten und neun Arbeitern zusammen. 890 Anlässlich der
Meldung dieser Vorkommnisse nach Berlin wollte der Aufsichtsratsvorsitzende v.
Buol auch über die Situation in Rudolstadt informiert werden. 891 Daraufhin berichtete
Anderlohr, dass sich in Rudolstadt noch kein neuer Betriebsrat konstituiert habe. Es
sei auch kein Versuch gemacht worden, den bisherigen Betriebsrat zu ersetzen. 892
Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang der Hinweis, wie viele Mitglieder der
Rudolstädter Belegschaft hinter dem Nationalsozialismus stünden: Nach Anderlohr
„dürfte etwas mehr als die Hälfte der Belegschaft mit den Nationalsozialisten“ 893
sympathisiert haben.
Die vorhandenen Akten sagen auch für die folgenden Monate nichts darüber
aus, ob sich ein neuer Betriebsrat in Rudolstadt konstituiert hatte. Von staatlicher
Seite bestand dazu auch keinerlei Veranlassung mehr. Das Verbleiben der vor
Januar 1933 amtierenden Arbeitnehmervertretung im Amt war mittlerweile durch das
besagte Reichsgesetz gedeckt. Nach Veröffenlichung am 4. April 1933 im
Reichsanzeiger war festgelegt, dass nach Artikel 1 § 1 die Wahlen zu den Betriebs-
räten bis September zunächst ausgesetzt wurden und demnach – soweit nicht durch
die angesprochenen eigenmächtigen Aktionen der Betriebszellen der NSBO neue
Tatsachen geschaffen worden waren – die „alten“, demokratisch gewählten
Betriebsräte im Amt blieben. 894 Es bestand demnach nun auch keine Veranlassung,
den Rudolstädter Betriebsrat zu ersetzen, was wohl deshalb auch nicht geschah.
888
Aktennotiz von Anderlohr zum Besuch der beiden Funktionsträger vom 27.03.1933 in SMA 673,
eine Abschrift gleichen Inhalts an v. Buol findet sich als Tagesmeldung auch in SMA 718.
889
Schreiben von Flir an Anderlohr als Antwort auf die Tagesmeldung vom 27.03.1933 vom 01.04.1933
in SMA 718.
890
Vgl. Aktennotiz von Anderlohr zum Besuch der beiden Funktionsträger vom 27.03.1933 in SMA 673,
eine Abschrift gleichen Inhalts an v. Buol findet sich als Tagesmeldung auch in SMA 718.
891
Vgl. Schreiben von Flir an Anderlohr vom 01.04.1933 als Antwort auf die Tagesmeldung vom 27.03.1933
in SMA 718.
892
Vgl. ebd.
893
Ebd.
894
Vgl. Ausschnitt aus dem Reichsanzeiger vom 04.04.1933 in SMA 718.
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