Mit Röntgen auf Kurs – Das Röntgenröhrenwerk der Siemens AG in ...

vent. 355 Parallel dazu verschärfte sich auch im Freistaat die politische Situation:
Immer häufiger kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen links- und
rechtsradikalen Gruppierungen. Als im Oktober 1923 eine sozialdemokratisch-
kommunistische Koalitionsregierung ins Amt gewählt wurde, häuften sich die
Zwischenfälle, vor allem an der Grenze zu Bayern. Anfang November reagierte die
Reichswehr mit einer Besetzung fast aller thüringischen Städte und übernahm gegen
den Protest der Regierung die vollziehende Gewalt. Daraufhin entzog der Landtag
der linksgerichteten Koalition Anfang Dezember das Vertrauen und löste sich wenig
später selbst auf. Nach den Neuwahlen im Februar 1924 übernahm eine bürgerliche
Regierung das Amt, die mit Hilfe eines deutlichen Sparkurses in einer Phase der
langsamen Wirtschaftserholung die finanzielle Lage des Landes im Verlauf des
Jahres 1924 wieder stabilisieren konnte. Diese Entwicklung führte 1925 zu einem
deutlichen Konjunkturaufschwung. 356
Ähnlich bewegt wie die wirtschaftliche Situation Deutschlands und Thüringens war
die Entwicklung des Rudolstädter Werkes in dieser Zeit. Es scheint fraglich, ob das
es solch eine politisch wie wirtschaftlich unsichere Zeit überlebt hätte, wenn die
Bindungen zwischen Veifa bzw. RGS und der Phönix diesem Zeitpunkt nicht bereits
so stark gewesen wären. Nachdem das Werk in den Besitz der Inag übergegangen
war, brachte das Ende des Jahres 1922 eine erneute Änderung der Rechtsform. Die
„Phönix Röntgenröhrenfabrik Aktiengesellschaft zu Rudolstadt in Thüringen“ (Phönix)
wurde gegründet. Daneben bestand die Phönix GmbH zunächst weiter, ähnlich wie
vorher Ungelenk & Kiesewetter. Es fanden sich keine schriftlichen Quellen, etwa ein
Strategiepapier oder Ähnliches, die diese Geschäftspolitik erklären könnten.
Betrachtet man aber die wirtschaftspolitischen Entscheidungen der RGS-Führung
über die Jahre, scheinen folgende Überlegungen wahrscheinlich: Gerade nach der
Gründung des Inag-Konzerns hatte der RGS-Generaldirektor Zitzmann ein großes
Interesse entwickelt, seine Unternehmen in Aktiengesellschaften umzuwandeln. Ein
Beispiel hierfür ist die bereits angeführte Änderung der Gesellschaftsform der Veifa-
Werke von einer GmbH zu einer Aktiengesellschaft im Sommer 1921. 357 Er wollte
damit eine Möglichkeit schaffen, die angeschlossenen Unternehmen möglichst
problemlos zwischen den Konzernteilen, wie z. B. der RGS-Gruppe oder der Holding
Inag, transferieren zu können oder diese ohne Schwierigkeiten komplett abzustoßen.
Dabei war eine Neugründung vermutlich billiger als eine Umwandlung einer
355 Vgl. Johnscher / Schilling [2005], S. 237..
356 Vgl. ebd., S. 238ff.
357 Vgl. Notiz zum Gründungsakt der Veifa-Werke AG ohne eigenes Datum in SMA 733.
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