Mit Röntgen auf Kurs – Das Röntgenröhrenwerk der Siemens AG in ...

politische Interessen aufrief. Dieses wohl von linksgerichteten Beschäftigten im
„Eigenverlag“ hergestellte Flugblatt wollte hierzu durch sein regelmäßiges
Erscheinen beitragen. Werksleiter Ungelenk wird darin als „geschulter Antreiber“ der
„wirklichen“ Ausbeuter bezeichnet, die im Hintergrund blieben: „Die wirklichen Herren
kennt ihr [die Arbeiter der Phönix, F.K.] nicht, es sind die Couponabschneider in aller
Welt. Ihr werdet nicht nur vom deutschen, sondern vom internationalen Kapital
ausgebeutet.“ 905 Grund sei der Verlust der Selbständigkeit und die damit verbundene
Zugehörigkeit zu einer großen Konzerngruppe: „Der Phönix-Betrieb gehört zum
Siemens-Halske-Konzern. Dieser Konzern verfügt über eine Milliarde Vermögen.“
Siemens wiederum sei eng mit der Gelsenkirchener Bergwerks AG und der IG
Farben verbunden, den „wirklichen Beherrscher[n, F.K.] Deutschlands. In ihren
Unternehmen stecken Milliarden ausländischer Kapitalien, für die Jahr um Jahr aus
Euren Schweisstropfen viele Millionen an Dividende und Aufsichtsratstantiemen
fließen.“ Weiter wurde in der Rubrik „Aus dem Betrieb“ gegen den Betriebsrat
gesprochen, der sich nicht für die Belange der Belegschaft einsetze. Direktor
Ungelenk wurde durch die Autoren als „Nazimann“ bezeichnet. Im letzten Abschnitt
des Flugblattes wurden die Leser zur Unterstützung von Ernst Thälmann „zur
Herstellung der roten Einheitsfront zur Reichspräsidentenwahl [im März 1932, F. K.]“
aufgerufen, denn: „Wir Arbeiter wählen keinen Feldmarschall des Weltkrieges als
unseren Vertreter. Wir Arbeiter wählen keinen Reichspräsidenten, der alle
Notverordnungen und den Youngplan unterzeichnet hat. Wir Arbeiter stehen
geschlossen hinter der Wahl eines Vertreters des revolutionären Proletariats, des
Genossen Thälmann zum Reichspräsidenten.“ Auffällig ist, dass das Flugblatt mit
„Verantwortlich: Herr Ungelenk“ unterzeichnet ist, trotz der Schmähungen gegen ihn.
Die Verfasser wollten vermutlich anonym bleiben. 906 Kurz darauf antwortete die in
Rudolstadt existierende Betriebszellenorganisation bzw. Ortsgruppe der NSBO mit
einer ebenfalls ersten Ausgabe eines Flugblattes namens „Die Wahrheit“. Darin
wurde auf die „Rote[n, F.K.] Röntgenstrahlen“ geantwortet. Die Verfasser verteidigten
Ungelenk, wetterten gegen Sowjetrussland und riefen zur Unterstützung des
Nationalsozialismus auf. Das Flugblatt ist namentlich unterschrieben durch den
Betriebszellenwart des NSBO Ortsgruppe Rudolstadt, was durch die Verfasser
deutlich im Vergleich zu der Vorlage „Rote Röntgenstrahlen“ hervorgehoben
wurde. 907 Beide Flugblätter scheinen die einzigen Ausgaben ihrer Art geblieben zu
sein, es finden sich keine weiteren erschienenen Schriften in den Unterlagen, aber
905
Flugblatt „Rote Röntgenstrahlen“ vom Februar 1932 in SMA 794.
906
Vgl. ebd.
907
Vgl. Flugblatt „Die Wahrheit“ vom Februar 1932 in SMA 795.
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